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Don Giovanni - Wer?
Von Joachim Lange
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Fotos von Thomas M. Jauk / Stage Picture
Sicher, Benedikt von Peter hat in Hannover Mozarts Don Giovanni inszeniert. Das stand so oben drüber und hörte sich auch so an. Benjamin Reiners fand am Pult des Niedersächsisches Staatsorchester Hannover schnell zu einem dramatisch federnden Ton, der sich voll auf die Sänger konzentrierte, die durchweg mit einer Ensembleleistung auf hohem Niveau überzeugten. Dass es auch der Don Giovanni von Lorenzo Da Ponte war, muss man möglicherweise erklären. In Hannover gab es jetzt nämlich den aller Wahrscheinlichkeit nach ersten Don Giovanni der Musikgeschichte, bei dem man den Titelhelden auch nicht einmal zu Gesicht bekommt. Aber wer es, wie der ambitionierte Bremer Operndirektor, fertig bekommt, eine La Traviata mit niemandem außer der Traviata auf der Bühne wie in Hannover (und dann in Bremen) oder eine La Bohemé nur mit den Herren dieser Spezies wie in Bremen zu bestreiten - und daraus atemberaubend spannendes Musiktheater zu machen -, für den ist es ein Leichtes, den notorischen Verführer optisch wegzuzaubern. Kann sein, dass sich dieses Markenzeichen einer Regiehandschrift irgendwann mal als Masche totläuft - im Moment schaffen es der Regisseur und sein Dramaturg Klaus Angermann noch allemal, aus einem Weniger auf der Bühne ein Mehr im Kopf des Zuschauers zu machen.
Im Grunde folgen wir in acht Kapiteln einer Theater-Erzählung Leporellos. Mit einem Koffer in der Hand und einer Tafel mit dem Motto "Viva la Liberta" darauf betritt er die Bühne, stellt den Blickkontakt zum Publikum her, den er bis zum Ende beibehält, und schraubt erst einmal ein paar Glühbirnen an der Rampe ein, die ein mattes Licht ins Dunkel bringen wie einst auf dem barocken Theater. Dieser Spielführer fordert uns fortan mit einem Augenzwinkern dazu auf, die ganze Geschichte des letzten Tages aus dem Leben seines Herrn konsequent mit dessen Augen zu sehen.
Der Chronist zwischen den Welten: Leporello
Und das ist keineswegs im übertragenen Sinne gemeint, sondern ganz direkt als bühnentechnische Herausforderung. Dazu hat Katrin Witting eine dunkle, manchmal leicht durchscheinende Leinwand ziemlich dicht in Rampennähe platziert. Die kleine Filmcrew mit der Livekamera dahinter bekommt es tatsächlich hin, selbst unsichtbar zu bleiben und uns meist völlig stimmig mit den Augen Don Giovannis auf seine Opfer bzw. die Objekte seiner Begierde blicken zu lassen.
Diesmal ist er explizit, was er auch sonst des Öfteren eigentlich ist: Das Zentrum des Geschehens. Und der Vermittler zwischen der Geschichte und dem Publikum. Zu Beginn des zweiten Aktes sitzt er mitten im Publikum. Was man am Ende der Pause schon vorn auf der Leinwand sieht. Wenn er sich dann mit seinem Herren anlegt und ihn auffordert, seinen Lebenswandel zu ändern, kassiert er die todsicheren Lacher und noch einen Extraapplaus, als er (im Video) sogar aus dem Opernhaus flüchtet. Natürlich nur, um kurz darauf wieder aufzutauchen. Shavleg Armasi, dieser schmucke, geschniegelte, nicht unsympathische Zyniker, hängt zu Beginn mit einem Ihr-werdet-Euch-noch-wundern-Grinsen, eine "Viva la Liberta" Tafel an der Seite auf. Wenn das dann gesungen wird, dann klingt es von den Rängen wie eine Drohung. Die Glühbirnen an der Rampe dreht er am Ende wieder heraus. Dazwischen ist er der Spielführer.
Und der muss ja seine Geschichte zu Ende erzählen. Der Regisseur aber auch. Und da ist man schon gespannt wie sie sich bei der Höllenfahrt aus der Affäre ziehen. Es ist - ziemlich konsequent - keine moralisierende göttliche Strafe, sondern eine Art Implosion, ein Zusammenbruch im Kopf von Leporello. Im grellen Gegenlicht bleibt der Erzähler allein zurück. Die anderen hört man nur von den Rängen aus beim großen Schlussgesang. Und Leporello, der jetzt wieder so aussieht wie am Anfang, lacht ein ziemlich höllisches Lachen. Trotz dieses radikalen Wechsels der Perspektive bleibt Benedikt von Peter dicht an der bekannter Geschichte. Dabei ist besonders beeindruckend, wie Dorothea Maria Marx das Trauma und die innere Zerrissenheit von Donna Anna exzessiv zelebriert, Monika Walerowicz eine fulminante Donna Elvira hinlegt und die attraktive Heather Engebretson ein hinreißendes Zerlina-Früchtchen abgibt.
Am Ende tobte in Hannover der Saal, wobei sich auch ein paar Buhs unter die Zustimmung für das szenische Experiment mischten.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Video
Live-Kamera
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Don Giovanni
Donna Anna
Don Ottavio
Komtur
Donna Elvira
Leporello
Masetto
Zerlina
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