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Ein Feuerwerk an Energie: Cecilia Bartoli in der märchenhaften Inszenierung von "La Cenerentola".

Foto: APA/SALZBURGER FESTSPIELE/SILVIA LELLI

Salzburg - Am Wochenende der Ausgießung des Heiligen Geistes ist sie die Perle des Salzburger Festspielhauses: Cecilia Bartoli, die singende Intendantin der Pfingstfestspiele. Auf der Bühne des Hauses für Mozart verkörpert der Koloraturstar aktuell aber eine Hausperle der niedereren Art: Bartoli gibt die Angelina in Rossinis La Cenerentola. Und weil Regisseur Damiano Michieletto Oper gern mit Gegenwartsnahem verknüpft, muss sie da als Aschenbrödel einiges erdulden: Im grindigen Selbstbedienungsrestaurant von Don Magnifico schuftet sie als Putze und Servicekraft, und wenn dem wamperten Stiefpapa etwas nicht passt, wirft er eine leere Bierdose nach ihr. Oder er scheuert ihr eine.

Michieletto hat in Salzburg schon Anna Netrebko als Mimì am Würstelstand nach Liebe hungern lassen und Ambrogio Maestri als Falstaff ins Altersheim geschickt, jetzt muss die Bartoli ins Hier und Heute. Bescheuert? Nein, eine glänzende Idee. Dem jungen Italiener gelingt die Verpflanzung des märchenhaften Stoffs in die Gegenwart hervorragend.

Michieletto hat tausend lustige Ideen, kann Komödie und inszeniert immer exakt mit der Musik. Paolo Fantin (Bühne) hat ihm einen traumhaft abgewohnten Restaurationsbetrieb hingebaut, der sich im zweiten Akt zum Discoloft-"Palace" wandelt. Und Agostino Cavalca (Kostüme) hat vor allem die Stiefschwestern der Cenerentola in stimmigem Prolo-Chic eingekleidet.

Cecilia Bartoli ist nun schon im dritten Jahr am Ruder der Pfingstfestspiele, dieses kleinen, aber feinen Beiboots des Luxuskreuzers Salzburger Festspiele. Und sie hat nach der eher museal geprägten Ära Riccardo Mutis frischen Wind gebracht. Nach einem klamauksatten Giulio Cesare in Egitto 2012 und einer tollen neorealistischen Norma im letzten Jahr hat sie nun mit der Cenerentola erneut einen Knüller gelandet. Nach Michielettos zauberhaftem Schlussgag bei der Hochzeitsfeier gibt es tobenden Applaus samt Fußgepolter.

Auch für Bartolis Kollegen: Javier Camarena singt den Don Ramiro mit festem, kernigem Tenor und schmettert hohe Cs und ein hohes D, mit denen man Revolutionen anführen könnte. Dandini, Don Ramiros Diener, inszeniert Michieletto als nahrungsverliebte Rossini-Figur: Nicola Alaimo füllt diese hervorragend aus und steigert sich stimmlich von Kraftgesang mit Buffo-Drastik zu entspannter Eleganz.

Walküre Hilary Summers (Tisbe) klingt wie ein mittelmäßiger Countertenor und ist offenbar aus optisch-komödiantischen Gründen besetzt worden, als Gegenpart zur mäuschenkleinen, glänzend timbrierten Lynette Tapia (Clorinda). Durchsetzungsfähig, aber etwas konsonantenscheu Ugo Guagliardo als Alidoro - in dieser Inszenierung eine Art Amor. Solide Enzo Capuano als Don Magnifico.

Das Wunder, das Giovanni Antonini und sein Il Giardino Armonico im vergangenen Jahr mit der Norma vollbracht haben, können Jean-Christophe Spinosi und sein in Brest beheimatetes Ensemble Matheus leider nicht wiederholen. Die prickelnde Energie der Musik Rossinis will sich oft nur schaumgebremst einstellen, es fehlt auch an Kraft, an Drastik - etwa in der Gewittermusik.

Ein Feuerwerk an Energie fackelt natürlich Cecilia Bartoli ab. Die Koloraturen gelingen der 48-Jährigen geschwind wie immer, ihre Tiefe ist voller, mächtiger geworden in den Jahrzehnten, in denen sie diese Paraderolle nun schon gibt. Am Schluss singen alle noch ein Ständchen für die charismatische Intendantin, die am Vortag Geburtstag feierte; das Publikum, darunter auch Bartoli-Macher Alexander Pereira, steht dabei auf. Auguri! (Stefan Ender, DER STANDARD, 7./8./9.6.2014)