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Pikowaja Dama
(Pique Dame)


Oper in drei Akten
Text von Modest I. Tschaikowski nach der Novelle von Alexander Puschkin
Deutsche Übersetzung von Bettina Bartz und Werner Hintze
Musik von Peter I. Tschaikowski


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Musiktheater im Revier am 22. Juni 2014


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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Zukunftsmusik

Von Stefan Schmöe / Fotos: Thilo Beu

Es ist eine Absage an die Historienoper. Mag Peter Tschaikowsky auch die Handlung von Puschkins 1834 veröffentlichter kurzer Novelle Pique Dame in das späte 18. Jahrhundert zurück verlegt haben und die Zeit Mozarts und Katharinas der Großen, einschließlich etlicher musikalischer Bezüge und Zitate - Regisseur Dietrich W. Hilsdorf datiert das Geschehen kurzerhand vor in das Jahr 1899. Absolutistisches Ambiente ist kurzerhand gestrichen und weginszeniert. Tschaikowsky komponierte die Oper 1890, drei Jahre vor seinem Tod. So wird aus dem Blick in die Vergangenheit Zukunftsmusik. Und genau so dirigiert auch Rasmus Baumann am Pult der (sehr guten) Neuen Philharmonie Westfalen die Oper: Da kracht das Blech gewaltig und raunen die tiefen Bläser wie geschärft durch die Abgründe von Wagners Ring des Nibelungen. Ganz erstaunliche Farben werden hörbar, und man staunt, wie neuartig diese Musik mitunter klingt.

Szenenfoto kommt später

Tomski berichtet von der Gabe der Gräfin, drei Karten im Glücksspiel korrekt vorherzusagen

Szenisch verschiebt der an Rhein und Ruhr mit etlichen Regiearbeiten präsente Hilsdorf in gewohnter Manier die Akzente und erzählt die Geschichte neu und in manchen Details anders, ohne sie im eigentlichen Kern zu verändern. Die Vielzahl der Handlungsorte wird zusammengezogen auf ein etwas zweifelhaftes Etablissement, in dem sich die Petersburger Offiziere wahlweise mit willfährigen Damen oder dem Kartenspiel die Zeit vertreiben (Bühne: Dieter Richter). Inhaberin ist eben jene Gräfin, die über seherische Fähigkeiten im Kartenspiel verfügt und die hier wie der Geist der Zarin Katharina erscheint - und wenn in Libretto und Partitur die Zarin tatsächlich auftritt, dann ist es hier die Gräfin, Personifizierung einer ziemlich lange schon vergangenen Vergangenheit, der die Spaßgesellschaft auf einem obszönen Maskenball zujubelt. Davon abgesehen erzählt Hilsdorf durchaus nahe am Libretto die Geschichte des mittellosen Offiziers Hermann, der sich in die Enkelin der Gräfin verliebt und die Chance zum sozialen Aufstieg wittert, wenn er der Gräfin das geheime Wissen um die richtigen Karten abtrotzt. Das ist dicht und sehr spannend erzählt, obwohl ein paar Tage vor der Premiere ein neuer Darsteller für den Hermann gefunden werden musste - Lars-Oliver Rühl hatte sich in einer Aufführung von Jenufa so unglücklich verletzt, dass er die Premiere absagen musste. Einspringer Kor-Jan Dusseljee (der die Partie auch schon an der Berliner Komischen Oper gesungen hat) bleibt hier und da etwas schematisch, fügt sich aber gut in ein spielfreudiges Ensemble ein. Sein Tenor ist nicht allzu farbenreich, aber standfest und robust und zeichnet die Figur als Draufgänger, der nichts zu verlieren hat.

Szenenfoto kommt später

Problematisches Rendezvous: Lisa und Hermann

Und doch verliert er alles. Die Gräfin stirbt zwar am Schrecken über sein nächtliches Erscheinen (die Drehbühne verwandelt den Salon flugs zum Privatzimmer), aber Hermann würgt und schüttelt den Leichnam, wie um die lähmende Vergangenheit mit ihren undurchdringlichen Konventionen abzuschütteln. Ein wenig mehr an geheimnisvoller Aura dürfte Gudrun Pelker dieser Untoten stimmlich ruhig noch verleihen, das ist solide, aber sehr geradlinig gesungen. Ihre Geistererscheinung verrät Hermann dennoch die drei vermeintlich Gewinn bringenden Karten, was ihn an den Spieltisch treibt - und dort endgültig scheitern lässt, weil die letzte Karte nicht das erwartete Ass, sonder die Pique Dame ist. So nimmt sein Rivale Jeletzki, schlank und jugendlich elegant (und eine Spur zu brav) von Michael Dahmen gesungen, Rache dafür, dass ihm die Verlobte ausgespannt wurde.

Szenenfoto kommt später

Am Schreck gestorben: Die Gräfin kann Hermann ihr Kartengeheimnis nicht mehr preisgeben

Um diese Lisa kreist der zweite, letztendlich entscheidende Strang der Erzählung. Es ist die Geschichte ihrer gleich mehrfachen Emanzipation, zuerst von der dominanten Großmutter, dann in der Auflösung der Verlobung mit Jeletzki von den gesellschaftlichen Konventionen, die ihr eine "gute Partie", aber eben auch nicht mehr als eine Vernunftehe gebracht hätten, zuletzt von Hermann, der sie - da mit dem Erfolg im Kartenspiel vor Augen . Sie ist kein naives Mädchen, sondern eine durchaus selbstbewusste Frau - Petra Schmidt singt das mit großer Energie und dramatischem Impetus, wobei die Stimme in der hohen Lage auch schon mal eng wird und an Farbe verliert. Ihr gehört das Schlussbild (laut Libretto ertränkt sie sich zuvor in der Newa), und Hilsdorf erzählt das in veritabler Krimi-Manier. Eigentlich müsste die Oper Lisa und nicht Pique Dame heißen.

Szenenfoto kommt später

Das Ende: Hermann tot, Lisa verzweifelt

Über ein paar Details lässt sich sicher streiten wie z.B. die Gouvernante, die mit einem Mann in Frauenkleidern besetzt ist (Matthias Koziorowski fällt in der kleinen Partie vor allem durch viel Bein auf) - eine Anspielung auf Tschaikowskys lange verdrängte Homosexualität, die ihn zum Außenseitertum verurteilte, was sich im unrettbaren Außenseiter Hermann in der Oper widerspiegelt? Vielleicht mehr ein Irritationsmoment, um den Spannungsbogen durchgehend aufrecht zu erhalten. Auch die Entscheidung, in deutscher Sprache singen zu lassen, ist zweischneidig, geht doch der einiges an spezifischem Klang der russischen Sprachmelodie verloren. Auf der anderen Seite trägt die deutsche Sprache und die sehr gute Textverständlichkeit zum fast filmischen Charakter bei - die Oper läuft beinahe wie in Echtzeit ab, ein beklemmendes Kammerspiel. Dazu trägt das durchgehend sehr engagiert agierende Ensemble entscheidend bei, von der Statisterie über den sehr guten Chor und Extrachor bis zu den Solisten, unter denen noch Piotr Prochera als schlank, aber zupackend singender Graf Tomski und Almuth Herbst als klangschöne Polina herausragen.


FAZIT

Ein paar beherzte Eingriffe muss sich diese spannend erzählte Pique Dame schon gefallen lassen, um aus einem historisierend komponierenden Tschaikowsky einen Neutöner werden zu lassen - aber das Experiment ist allemal sehens- und hörenswert. Musikalisch eine sehr ordentliche Ensembleleistung ohne ganz große Glanzlichter.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Dietrich W. Hilsdorf

Mitarbeit Regie
Sandra Wissmann

Bühnenbild
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Licht
Andreas Gutzmer

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Juliane Schunke



Statisterie des Musiktheater im Revier

Chor und Extrachor
des Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie Westfalen


Solisten

* Besetzung der Premiere

Lisa
Petra Schmidt

Hermann
* Kor-Jan Dusseljee
Lars-Oliver Rühl

Die Gräfin
Gudrun Pelker

Fürst Jeletzki
Michael Dahmen

Graf Tomski
Piotr Prochera

Polina
Almuth Herbst

Gouvernante
Matthias Koziorowski

Tschekalinski
William Saetre

Surin
Dong-Won Seo

Tschaplitzki
E. Mark Murphy

Narumow
Joachim G. Maaß



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