Wenn der Vater mit dem Sohne

Für ihre diesjährige Opernproduktion hat die Styriarte in Graz «The Fairy Queen» von Henry Purcell ausgewählt. Musikalisch stand der von Nikolaus Harnoncourt dirigierte Abend auf höchstem Niveau.

Daniel Ender
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Familiär geht es zu bei der Styriarte, den «steirischen Festspielen» in und um Graz. Das verrät die Stimmung bei den grossen Veranstaltungen, davon erzählen aber auch Geschichten wie jene vom Intendanten Mathis Huber, der auf seinem Grundstück zwei Bäume fällte, und von Philipp Harnoncourt, der einen davon auswählte, als Kulisse in die Grazer Helmut-List-Halle verfrachten liess und dort zum Mittelpunkt der Szenerie für «The Fairy Queen» machte. Von besonderer Bedeutung war dabei im Vorfeld der Premiere die Feststellung, dass die Trauerweiden nicht eigens für das Stück geopfert wurden, sondern – morsch geworden, wie es hiess – ohnehin hätten fallen müssen.

Auch Henry Purcells Semi-Opera wurde für die szenische Produktion dieses Sommers gewissermassen beschnitten, nämlich des Schauspiels – Shakespeares «A Midsummer Night's Dream» – entkleidet. Und für die fünf episodischen Zwischenspiele («Masques») mit wechselnden, allegorisch reichen Figuren, die nur lose mit dem Theaterstück verbunden sind, wurden eine Rahmenhandlung und eine Bilderwelt ersonnen, die naheliegenderweise jenes Thema umkreisten, das diesmal das Motto des Festivals abgibt: Der «Zauber der Natur» entströmte freilich in besonderer Weise der instrumentalen Musik, was zu ungefähr gleichen Teilen der Komposition wie der Aufführung geschuldet war.

Unvergleichlich vermittelt Purcell zwischen Atmosphäre, Magie und Seelenregungen; und ebenso unvergleichlich spürte Nikolaus Harnoncourt mit dem Concentus Musicus Wien diesen Zwischentönen jenseits der Noten nach. Allein die klangsinnliche Freiheit, mit der er Naturlaute sich entfalten liess, bildete eine Wunderwelt für sich. Jederzeit gelang es ihm, die Grenze zwischen Lautmalerei und Struktur zu überwinden, zwischen den typischen Wiederholungsstrukturen dieser Musik und expressiver Spontaneität zu vermitteln. Die Singstimmen indessen durften sich dem Diktat der Perfektion, das sonst üblicherweise gilt, widersetzen und markanten Charakteren Platz machen. So konnte Dorothea Röschmann in Richtung herber Trauer spielen, Elisabeth von Magnus komödiantisch übertreiben, Florian Boesch – sei es als betrunkener Poet oder als Heilsbringer Phöbus im Elvis-Gewand – kräftig über die Stränge schlagen.

Eine ähnliche Stringenz wie in diesen punktuellen musikalisch-dramatischen Blüten vermochte Philipp Harnoncourt, der Sohn des Dirigenten, in seiner Inszenierung nicht zu entfalten. Dass es eine Tänzerin und ein Tänzer (Rita Sereinig und Max Niemeyer) auf sich nehmen sollten, für den optischen roten Faden zu sorgen und die heterogenen Stationen der fünf Teile zu verbinden, war zwar als Idee nachvollziehbar. Von der Gesamtwirkung her blieb die zarte Liebesknospe dieses Paares jedoch duftlos. Zu bunt waren die Szenen rundum, zu grau währenddessen die Bilder für das Grundthema einer nicht näher fassbaren Sehnsucht nach der Natur, die durch Bretter und andere Baumfragmente massiv, doch unzureichend angedeutet wurden.

Zusammen mit einer geradezu hölzernen Personenführung führte dies zu szenischem Stillstand, an dem sich auch der akustisch betörende Arnold-Schönberg-Chor in der Haut tierhafter Hippie-Wesen unentwegt beteiligte. Somit blieb die durchaus sympathische familiäre Unternehmung im Kern der Festspiele, die noch bis zum 20. Juli laufen, insgesamt lau. Ihre zauberische Wirkung lag gerade nicht in der Verbindung von Klang und Szene, sondern einzig in der Musik.