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Festival Aix en Provence 2013

Die Zauberflöte

Singspiel in zwei Akten
Libretto von Emmanuel Schikaneder
Wolfgang Amadeus Mozart


In deutscher Sprache mit französischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: 3h 40' (eine Pause)

Koproduktion des Festival d'Aix-en-Provence, der Nederlandse Opera Amsterdam und der English National Opera
Premiere am 2. Juli 2014 im Grand Théâtre de Provence, Aix-en-Provence
(Premiere dieser Inszenierung 2012 in Amsterdam)


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Festival Aix en Provence
(Homepage)

Dunkle Wolken über Festival, flatternde Vögel in der Zauberflöte

Von Roberto Becker / Foto von Pascal Victor

In der medialen Wahrnehmung liegt das Opern- und Musikfestival in Aix-en-Provence in Frankreich etwas im Schatten des Theaterfestivals in Avignon. Was auch dazu führt, dass bei Arbeitskämpfen im Kulturbereich die Wirkung größer ist, wenn die Avignon-Eröffnung ausfällt, weil sie bestreikt wird. Auch in Aix-en-Provence ist das 2003 schon einmal so gewesen. Mit dem entsprechenden ökonomischen und Image-Schaden, den sich Kultur heute eigentlich nicht mehr leisten kann. Da die Stimmung in Frankreich spürbar aufgeladen, der sozialistische Präsident auf einem Umfragetief angekommen ist und nahezu jede Mehrheits-Entscheidung von der unterlegenen Minderheit lautstark in Frage gestellt wird, wurde auch die Eröffnung des 66. Festspieljahrgangs in Aix zu einer Zitterpartie. In geheimer Abstimmung hatten sich zwar 80 Prozent der betroffenen Zeitarbeitskräfte (der Intermittents du spectacle) für eine Durchführung des Festivals ausgesprochen, aber der Rest, der bis zum Äußersten gehen wollte, ließ sich davon nicht beeindrucken. Vor der Eröffnungspremiere mit der Zauberflöte, legten sich einige der Kulturarbeiter am Eingang zum klotzigen Grand Théâtre du Provence buchstäblich quer. Regisseur Simon McBurney solidarisierte sich in einer emotionalen Rede nicht nur mit den Forderungen der Intermittents nach Erhalt ihrer Absicherungsklauseln, sondern plädierte leidenschaftlich für den Erhalt der Kultur in Europa.


Foto kommt später Eingang mit Hindernissen: Teile des Personals des Festivals Aix-en-Provence legen sich quer (Foto: Roberto Becker)

Die Vorstellung selbst ging dann ungestört über die Bühne. Dabei ist die Zauberflöte nicht nur ein Requisit, das der Titel der unverwüstlichen Oper erzwingt. Diesmal ist es tatsächliche eine Flöte, die als Teil der Inszenierung sichtbar von einem Musiker gespielt wird. Als Hilfestellung für den wunderbar geschmeidig singenden Tamino von Stanislas de Barbeyrac. Mit Papagenos Glockenspiel ist es so ähnlich. Das sieht aus wie eine große Reiseschreibmaschine mit Klaviatur. Da hilft beim ersten Einsatz auch ein Musiker vom Graben aus. Doch beim zweiten ist der nicht da, als sich Papageno Hilfe suchend nach ihm umschaut. Umso verblüffter ist der Vogelfänger, als er bemerkt, dass er es auch selbst zum Klingen bringen kann. Irgendwann taucht dann auch der Musiker mit einem Kaffee „to go“ und einem entschuldigenden Schulterzucken wieder auf. Zu spät für seine Hilfestellung, aber zum Vergnügen des Publikums. Mit dieser Art von leichtfüßigem Witz durcheitert der britische Regisseur Simon McBurney die Szenerie, bei der eigentlich ein dunkler Grauton dominiert.


Vergrößerung in neuem FensterTamino (Stanislas de Barbeyrac) bekommt seine Zauberflöte aus dem Graben, und die Damen sind auch dabei.

Man kann dabei zusehen, wie mit Tafel und Beamer an einem Pult auf der linken Seite der Bühnenhintergrund spielerisch imaginiert und im Handumdrehen verändert wird. Oder wie auf der rechten Seite in einer gläsernen Box diverse Geräusche produziert werden, um sie zuzuspielen. Wenn Papageno in extremen Liebesnöten nach einer Papagena verlangt, dann hat die Geräusche-Macherin alle Mühe, um seine Annäherungsversuche abzuwehren.

Auf der anderen Seite kommen die drei Damen der Königin der Nacht recht militant in Kampfuniformen daher, die sie aber flott und effektvoll ablegen, wenn sie Tamino bewachen bzw. verführen wollen. Die drei endlich mal kraftvoll singenden Knaben von der Chorakademie Dortmund sind früh gealterte Kindgreise, die wie Geister in nebliger Düsternis auftauchen und verschwinden. Auch die Königin der Nacht ist eine alte verhärmte Frau im Rollstuhl. Sarastro schließlich erinnert mit seinen langen grauen Haaren und dem wehenden Mantel aus der Ferne an Franz Liszt und gibt sich als moderater Autokrat, der bei scheindemokratischen Abstimmungen zwar (harmlose) Fragen zulässt, aber mit strengem Blick auf Wackelkandidaten Einstimmigkeit einfordert.

Um dem Interpretationsehrgeiz von Zauberflöten-Regisseuren auf die Spur zu kommen, ist es immer hilfreich, das Ganze vom Ende her zu betrachteten. Und da bevorzugt der Brite einen Schluss wie er im Buche steht. Niemand bricht hier aus Sarastros ideologischer Vereinnahmung und seiner Nachfolgereglung aus. Tamino und Pamina werden es in etwa so weiter machen wie er. Der Königin der Nacht gegenüber wird Toleranz demonstriert - sie wird in das große Rampen-lieto-fine einbezogen. Sogar ohne Rollstuhl. Bei den diversen frauenfeindlichen Sprüchen begnügt sich die Regie mit dem kommentierenden Lachen im Publikum und lässt sie selbst umkommentiert passieren. Anders bei Monostatos. Der wird nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Text entschwärzt. Was dann doch ein ziemlich albernes Zugeständnis an gewisse Debatten ist.

Trotz der Einwände ist diese mit der Niederländischen Nationaloper und der English National Opera koproduzierte Zauberflöte, ebenso wie in Amsterdam und London, wo sie bereits 2012 bzw. 2013 mit großem Erfolg gelaufen ist, ein szenischer Wurf. Was ebenso an der assoziationsoffenen Bühne von Michael Levine als auch an der Sorgfalt bei der Sängerbesetzung liegt. Gespielt wird auf einer freischwebenden Ebene, die an allen vier Ecken in einem Gerüst hängt, die ebenso problemlos zur sichtbaren Schräge wie zur Plattform für die in der Düsternis schwebenden Knaben werden kann. Die Kostüme von Nicky Gillibrand charakterisieren die Akteure geschmackvoll und zurückhaltend. Der Chor und die Statisten bereichern mit ihren aus simplem Papierbögen geformten mit den Händen zum Flattern gebrachten Vögeln nicht nur die Papagenowelt, sondern lockern die diskursiv vorführende Grundhaltung der Regie beim Erzählen der Geschichte immer wieder lustvoll auf.

Pablo Heras-Casado stellt sich am Pult des Freiburger Barockorchesters auf diese Erzählweise mit einem flüssigen Mozartsound ein und hält die Balance zwischen Furor und Nachdenklichkeit. Thomas Oliemans ist als handfester Papageno natürlich der Publikumsliebling und muss dazu gar nicht allzu direkt mit den Zuschauern flirten. Kathryn Lewek ist als Königin der Nacht zwar eine Greisin im Rollstuhl, ihren blitzenden Koloraturen fahren gleichwohl mühelos auf. Wunderbar lyrisch leicht die Pamina von Mari Eriksmoen; stimmlich eloquent und szenisch präsent die drei Damen: Ana-Maria Labin, Silvia de La Muela und Claudia Huckle; solide Christof Fischessers Sarastro; etwas undeutlich der Monostatos von Andreas Conrad. Insgesamt überzeugt die musikalisch vokale Seite des Abends genauso wie der szenische.


FAZIT

Diese schon andernorts bewährte Zauberflöte von Simon McBurney hat sich auch in der musikalischen Neueinstudierung unter Pablo Heras Casado mit dem derzeitigen Residenzorchester der Festspiele in Aix-en-Provence bewährt und wurde als erfolgreicher Auftakt des ansonsten durch Störungen überschatteten Festspiele bejubelt.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Pablo Heras-Casado

Inszenierung
Simon McBurney

Bühne
Michael Levine

Kostüme
Nicky Gillibrand

Licht
Jean Kalman

Video
Finn Ross

Mitarbeit für Bewegung
Josie Daxter



English Voices

Freiburger Barockorchester


Solisten

Sarastro
Christof Fischesser

Tamino
Stanislas de Barbeyrac

Königin der Nacht
Kathryn Lewek

Pamina
Mari Eriksmoen

Erste Dame
Ana-Maria Labin

Zweite Dame
Silvia de La Muela

Dritte Dame
Claudia Huckle

Drei Knaben
Knaben der Chorakademie Dortmund

Papageno
Thomas Oliemans

Papagena
Regula Mühlemann

Monostatos
Andreas Conrad

Sprecher
Maarten Koningsberger

Erster Priester / Zweiter Geharnischter,
Krzysztof Baczyk

Zweiter Priester / Erster Geharnischter
Elmar Gilbertsson


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