Ramphis steuert: „Aida“ in der Computerwelt

Opernfestival von Macerata. Verdis Pharaonendrama spielt anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Festivals nicht am Nil, sondern in einer virtuellen Laptop-Welt. Gesungen wird aber real – und zwar recht gut.

Die Jubiläumsproduktion von Verdis „Aida“ beim 50.Opernfestival von Macerata ist ein Erfolg, nicht so sehr wegen der Inszenierung des Festspielintendanten Francesco Micheli als vielmehr dank des durchwegs soliden Sängerensembles. Das Einheitsbühnenbild von Edoardo Sanchi ist auf eine überdimensionale Laptop-Attrappe und Projektionen reduziert und wird ähnlich einer Lichttherapie mit immer wechselnden Farben ausgeleuchtet. Diese reduzierte Ausstattung mag für eine „Aida“-Aufführung unpassend wirken, symbolisiert aber vielleicht recht anschaulich die marode Situation des italienischen Musikbetriebs anno 2014.

Bewegungen à la Spiderman

Der Regisseur lässt in der Computerwelt alle Figuren der Oper als Avatare agieren, also als künstliche Personen oder grafische Stellvertreter echter Personen in einer virtuellen Welt – beispielsweise in einem Computerspiel. Gesteuert werden diese Kunstfiguren von den Priestern, allen voran von „Gran Sacerdote“ Ramphis. Mit dieser Interpretation können fast alle seltsam anmutenden Geschehnisse auf der Bühne, etwa an Spiderman erinnernde Bewegungsabläufe der Hauptprotagonisten und des Balletts, erklärt werden. Doch in bestimmten Momenten ergeben sich erhebliche Probleme. Warum beispielsweise im Nil-Akt Radames von Amneris zu Aida geführt wird, bleibt ungeklärt. Ebenso wenig lässt sich enträtseln, warum die Titelheldin – mit grellweißem Haar – und ihr Vater Amonasro maskiert agieren müssen.

Was die vokale Leistung betrifft, ist Sonia Ganassi als Amneris die zu Recht umjubelte Zentralgestalt des Spiels. Stimmlich hervorragend disponiert kann sie in jeder Situation überzeugen, ob als hoffende oder verzweifelte Liebende oder kämpfende Rivalin. Fiorenza Cedolins punktet als Aida vor allem mit wunderschönen schwebenden Pianotönen. Herrliche Pianokultur und die Subtilität in der Phrasierung sichern ihr einen Rang unter den besten Aida-Darstellerinnen unserer Tage. Im Gegensatz dazu überzeugt Sergio Escobar mit heldischem Tenor vor allem in den dramatischen Passagen, kämpft in lyrischeren Passagen gelegentlich mit Unsicherheiten, leider ausgerechnet am Ende seiner Romanze. Doch lässt die schön timbrierte Stimme zumindest in der höheren Mittellage immer wieder aufhorchen.

Chor: Stimmstark, nicht immer präzise

Der junge italienische Bariton Elia Fabbian kann dank stimmlich präziser und als Figur überzeugender Darstellung des Amonasro für die Zukunft hoffen lassen. Sein eher hell timbrierter Bariton fühlt sich bei Verdi hörbar sehr wohl. Lautstark akklamiert wurde Giacomo Prestias stimmgewaltiger Ramfis, solid besetzt sind die Nebenrollen, allen voran Cristian Saitta als König, Nazzareno Antinori als Bote und Marta Torbidoni als Priesterin.

Julia Jones am Pult neigte mehr dazu, Melodien zu modellieren, als das Orchestra Regionale delle Marche angesichts von Verdis so raffiniert orchestrierter Partitur zu klanglicher Subtilität zu motivieren. Der Chor erweist sich als stimmstark, nimmt es aber mit der Präzision nicht immer genau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2014)

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