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Tiroler Festspiele
José Carreras' letzte Opernrolle

Für José Carreras soll es das letzte Mal die große Opernbühne sein: die Uraufführung der für ihn komponierten Oper "El Juez". Der Tenor kann bei der Aufführung präzise mit seinen Energien haushalten, um bei den sparsamen ariosen Ausbrüchen zu glänzen.

Von Jörn Florian Fuchs | 13.08.2014
    Der spanische Tenor Jose Carreras lächelt auf einer Pressekonferenz zur Ankündigung zu der Oper 'The judge - The Lost Children' in Bilbao.
    Wird es wirklich die letzte Opernrolle vom spanischen Tenor Jose Carreras? (picture alliance / dpa - Luis Tejido)
    Sie füllten Konzert- und Opernhäuser und sogar ganze Stadien, die drei Weltklasse-Tenöre Plácido Domingo, Luciano Pavarotti und José Carreras. Nach der Auflösung des populären Trios gingen die Karrieren für jeden einzelnen unterschiedlich munter weiter, Plácido Domingo erarbeitete sich eine Unzahl alter und neuer Partien, Luciano Pavarotti verlegte sich auf eher leichtere Töne, er starb 2007.
    Um José Carreras wurde es immer stiller, vor allem weil er sich von seiner Leukämie-Erkrankung nur schwer erholte. Eine gute Autostunde voneinander entfernt, stehen momentan Plácido Domingo und José Carreras auf der Bühne, Domingo gibt in Giuseppe Verdis "Trovatore" bei den Salzburger Festspielen den Grafen Luna, mit sehr zwiespältigem Erfolg. Carreras dagegen singt in Erl erstmals seit rund einer Dekade wieder eine große Opernpartie, die ihm vom Österreicher Christian Kolonovits auf den Leib und in die Kehle geschrieben wurde: "El Juez".
    Es geht um einen alten Richter, der sich mit den während der Franco-Diktatur verschleppten Kindern von 'systemfeindlichen' Eltern befasst. Die Recherchen führen zur sehr persönlichen Aufarbeitung, denn auch der Richter wurde in einem Kloster aufgezogen. Ein politisch wie persönlich engagierter Liedermacher bringt das Ganze ins Rollen, am Ende kommt er ums Leben und dabei stellt sich heraus, dass Barde und Richter Brüder sind. Librettistin Angelika Messner verbindet klug Historie und private Schicksale, Regie-Routinier Emilio Sagi gelingt eine berührende Inszenierung, die streckenweise vielleicht etwas zu konventionell wirkt.
    Fulminante Besetzung
    Natürlich fokussiert sich die Aufmerksamkeit vor allem auf den Weltstar, im Gegensatz zu Domingos trotz großer Schwächen bejubeltem Auftritt an der Salzach geht der frenetische Applaus im Erler Festspielhaus völlig in Ordnung. Denn Carreras kann äußerst präzise mit seinen Energien haushalten, um bei den sparsamen ariosen Ausbrüchen zu glänzen. Dabei kommt ihm zupass, dass seine Partie viel Mittellage und eher tiefere Töne verlangt, da ist gleichsam eine Mischung aus Tenor und Bariton gefordert.
    Carreras' körperliches Spiel bleibt eher zurückhaltend, er gestaltet lieber innere Dramen und arbeitet mit nuancierter Mimik. Übrigens ist das gesamte Ensemble fulminant besetzt, etwa mit Carlo Colombara als böse raunzendem Geheimdienstchef oder Ana Ibarra als erst spät schuldbewusster Äbtissin.
    Die Produktion hatte bereits vor einiger Zeit eine Art Vorpremiere in Bilbao, für Erl wurden kleinere Details geändert, verbessert. Am Pult des Tiroler Festspielorchesters (das unter seinem Chef Gustav Kuhn heuer unter anderem einen Wagner-Ring in eineinhalb Tagen und Nächten stemmte) stand David Giménez, ein Neffe von José Carreras. So etwas hat ja immer gern ein Geschmäckle, allerdings dirigiert Giménez den Abend wirklich exzellent und arbeitet alle Feinheiten der Partitur heraus.
    Frischer Zweieinhalbstünder
    Christian Kolonovits ist bisher vor allem als Arrangeur, Produzent sowie Komponist von Schlagern und Popmusik hervor getreten. Umso erstaunlicher, was ihm mit "El Juez" gelungen ist. Keine irgendwie neutönende Oper, aber ein recht frischer Zweieinhalbstünder, der die Spannung hält und einige Ohrwürmer bietet. Nicht zu komplex, aber auch nie wirklich trivial. Zeitweise mögen manche Klangmassierungen etwas stören und ruckelnde Instrumentalflächen zu sehr die Ohren massieren, doch alles in allem stimmt die Mischung. Natürlich ist solch eine Produktion ein weiterer Coup für die Tiroler Festspiele Erl, die ja inzwischen über gleich zwei Aufführungsorte (das Festspielhaus und das Passionsspielhaus) verfügen, die Münchner Philharmoniker für eine Kammermusikreihe gewinnen konnten und allmählich fast schon beängstigend expandieren.
    Kurz nach der Premiere von "El Juez" überraschte José Carreras dann noch mit zwei Neuigkeiten. Eigentlich wollte er ja nun zum letzten Mal auf der Bühne stehen, aber irgendwie würden ihn weitere Auftritte reizen. Und er, der Katalane, würde sich sehr über einen eigenen katalanischen Staat freuen. Vielleicht wäre das ja ein Stoff für die nächste Oper.