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Kompetenter Barocksound und edle Kostümpracht bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik: Klara Ek (Almira, li.) und Sara-Maria Saalmann (Tabarco, re.).

Foto: APA/RUPERT LARL

Innsbruck - Es ist eigentlich ein echt netter Tag für die schöne Almira aus Valladolid, wenn man bedenkt, dass einer Frau im Mittelalter sicher schlimmere Dinge passieren konnten, als an ihrem 20. Geburtstag zur Königin von Kastilien gekrönt zu werden. Also schaltet und waltet das patente Ding erst einmal vergnügt und verteilt ein paar Ämter und Würden. Als sie aber dem Testament ihres Vaters entnimmt, dass sie einen Spross aus dem Geschlecht ihres väterlichen Ratgebers Consalvo zu heiraten hat, verhagelt ihr das komplett die Stimmung. Denn sie ist doch in Fernando verknallt, einen Homme de lettres, den sie zum Sekretär ernannt hat. Nun soll sie den Feldherrn Osman ehelichen; aber der ist doch schon - "verdammter Geilheitstrieb" - auf Prinzessin Edilia spitz!

Dies ist das Ausgangsszenario des bunten Librettos von Pastor Friedrich Christian Feusteking. Eigentlich hätte es Reinhard Keiser, Chef und Starkomponist der Hamburger Oper am Gänsemarkt, vertonen sollen, doch es kamen andere Aufträge dazwischen. Also beauftragte er anno 1704 ein junges Talent aus seinem Orchester damit: Georg Friedrich Händel.

Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik haben nun in einer Koproduktion mit der Hamburgischen Staatsoper dessen erste erhaltene Oper wieder zum Bühnenleben erweckt. Regisseurin Jetske Mijnssen will das Zeitlose des Themas "Bürden einer Königin" herausstreichen und surft in ihrer Inszenierung durch die Jahrhunderte. Erst lässt sie die Regentin als Marie Antoinette liebesleiden, wechselt dann in die Götterdämmerungszeit der Monarchien vor dem Ersten Weltkrieg, springt wieder zurück zu Elisabeth I. und endet in der Gegenwart. Für dieses Defilee der Zeiten hat Ben Baur nicht nur einen prachtvollen Reigen der Kostüme entworfen, sondern auch den schlicht-eleganten Rahmen dafür: eine hohe Holzkonstruktion, deren oftmalige Drehung die Funktion eines Palastes als notwendige Kulisse der Inszenierung von Macht veranschaulicht.

Nichts ist holprig

Georg Friedrich Händel hat als 19-Jähriger enorm routinierte Opernmusik geschrieben: In den dreieinhalb Stunden Musik von Almira ist nichts, was holprig klingt, aber auch wenig, was genial anmutet. Also haben Musikchef Alessandro De Marchi und Dramaturgin Kerstin Schüssler-Bach kurz vor der Pause Händels Klagearie Lascia ch'io pianga reingeschmuggelt - eine legitime Sache, da der Hit im Werk schon instrumental als Sarabande vorkommt. Im Orchesternachspiel der Arie dreht der Römer ordentlich auf, feuert die Academia Montis Regalis zu großen, glutvollen Emotionen an. Diese packende Intensität, diese Drastik hätte man sich auch schon bei Almiras Geloso tormento gewünscht, der zweiten herausragenden Arie der Oper; mit sinnlich-entspanntem Schwingen verwöhnt De Marchi bei Edilias Schönste Rosen und Narzissen. Insgesamt wählt der Festwochenchef gern schnelle Tempi, die beleben, die Mitwirkenden aber auch etwas überstrapazieren.

Die Sänger sind solide: Klara Ek ist eine anfänglich spröde Almira, die sich zu edlem Glanz steigert; Klarheit und Sinnlichkeit eint der Sopran von Mélissa Petit (Edilia). Variabel, intensiv, deutlich Wolf Matthias Friedrich als Consalvo; geschmeidig Viktor Ruds Fernando, hell Manuel Günthers Osman. Florian Spiess ist ein kraftvoller Raymondo, Rebecca Jo Loeb eine sinnliche Bellante. Trotz eines von der Regie aufgepappten traurigen Endes helle Begeisterung im Tiroler Landestheater. (Stefan Ender, DER STANDARD, 14.8.2014)