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Nachtkritik "Fierrabras": Wir basteln ein Ritterspiel, wie damals

Peter Steins Inszenierung von "Fierrabras" in einer holzschnittartigen Schwarzweiß-Welt ist merkwürdig ungeeignet, Schuberts Nachleben als Opernkomponist zu fördern.

Nachtkritik "Fierrabras": Wir basteln ein Ritterspiel, wie damals
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Da hat er Pech, dieser Alvis Hermanis. In einem Interview hatte der Regisseur von Verdis "Trovatore" verkündet, er wolle der "altmodischste Regisseur des 21. Jahrhunderts" werden. Völlig unmöglich, denn Peter Stein inszeniert ja weiterhin bei den Salzburger Festspielen. Was bei der Premiere von "Fierrabras", der Oper von Franz Schubert, am Mittwoch im Haus für Mozart auf die Bühne kam, torpediert alles, was man überhaupt mit dem Wort modisch in Verbindung bringt. Sollten die Erfinder der Oper vor Jahrhunderten experimentiert haben, wäre vielleicht so ein Papiertheater herausgekommen. Man traut seinen Augen kaum, und sobald der vielmals eingesetzte Papiervorhang sich hebt, weiß man nie, ob man lachen oder weinen soll.

Schuberts "Fierrabras" ist ein Ritterspiel rund um Kaiser Karl den Großen und einen maurischen Potentaten namens Boland. Aber so ein Ritterspiel, das wie ein jahrhundertealtes Bilderbuch daherkommt, schürt den Verdacht, dass Peter Stein dem Festspielpublikum kaltschnäuzig mit dem Gestell ins Gesicht fährt, wie man in Österreich sagt. Das Steintheater kann/darf man mögen, und im Parkett war der Beifall einhellig groß zum Schluss. Dem Vernehmen nach soll es in den Rängen Buhs für den Regisseur gegeben haben, unten auf den teuren Jubelplätzen waren sie nicht zu vernehmen.Der Beifall übertönte die BuhsMan könne den "grauenvollen Text" nicht inszenieren, hat Stein gesagt. Kommt darauf an, wer "man" ist. So hat sich der Regisseur auf seinen Bühnenbildner Ferdinand Wögerbauer verlassen, der mit unzähligen Schwarzweiß-Prospekten à la Heldensagen-Illustrationen Räume schuf, je nach Kultur. Die Franken wohnen romanisch, die Mauren maurisch, die Kulissen bewegen sich oft mehr als die Darsteller. Die Grenzen sind klar gezogen. Das Rittersvolk des fränkischen Kaisers ist weiß zugerüstet und im Gesicht gebleicht, Karl ein Kaiser mit Krone wie ein Grabmonument. Die Mauren sind dunkel gekleidet und unter dem Turban schwer sonnenverbrannt. Bis dato hat sich noch keine der Neigungsgruppen "political correctness" dagegen verwehrt wie in Wien bei der Festwochenproduktion von Genets "Die Neger". Und erst die Frauen! Davon gibt es nicht viele in der Männerwelt des 9. Jahrhunderts. Emma, des Kaisers Tochter, ist paradeblond, des Maurenfürsten Tochter, Florinda, zieht wie ihre Dienerin Maragond sofort den Niqab vors Gesicht, sobald Männer im Raum sind. Da Peter Stein nicht das geringste Detail auslässt bei seiner maßstabsetzenden Klischeeproduktion, kennt man sich immer aus. Wie aus dem Büchl, im wahrsten Sinn.Liebe verbindet und überwindet KulturenEs gibt aber auch Momente, da wird Stein der Legendenbildung um seine Person gerecht. Denn worum geht es eigentlich in der von Claudio Abbado wiederbelebten Oper "Fierrabras" des Liederfürsten Franz Schubert? Nicht um den (aufgelegten) Clash der Kulturen, sondern um Liebe. Und zwar liebt Emma, des Kaisers Tochter, den armen, aber musikalisch begabten Ritter Eginhard, und die Maurin und Fierrabas-Schwester Florinda liebt Roland, einen kampfstarken Frankenritter. Schlecht in Zeiten, wo sich die Völker bekriegen. Als dann noch des Maurenfürsten Sohn Fierrabras in Gefangenschaft gerät, wird die christliche Großmut in Person Karls des Großen hyperaktiv. Wie Titus vergibt er allen alles, ein politisches Genie. Privat ist er anders, was seiner Tochter Emma - und deren junger Liebe - nicht gut tut. Fierrabras hat Emma einst in Rom entdeckt und findet nun unerwartet - und unerwidert - seine Liebe wieder. Eginhard ist allerdings ein Hindernis. Peter Stein lässt ihn auch kurz zögern, per Schwert von hinten die Sache zu erledigen bei günstiger Gelegenheit.

Es geht in Joseph Kupelwiesers Libretto hochgestochen ein wenig drunter und drüber, Probleme werden auf blitzartige Weise gelöst. Peter Stein hat ein bisschen nachgebessert, ohne den naiven Biedermeiercharme auszumerzen. Nicht die eroberungschristliche Weltpolitik ist die Drehscheibe, sondern die Liebe, auch das damals eine politische Macht, aber in diesem Fall brisant kanalisiert. Kaiser Karl ist geradezu ein Heiliger, der Maure Boland ein bisserl heimtückisch. Zuletzt gibt es ein Happy End, aber sowas von! Und Fierrabras, der Titelheld, verzichtet auf seine Emma und sublimiert das, der weißen Ritterschaft anzugehören.Schubert rührt ans HerzUnd Schubert? Verkannter Opernkomponist? Dieser erneute Versuch der Reanimierung ist löblich, aber wohl vergebens, so schön es auch wäre. Wunderbare Musik ab der Ouvertüre, Spinnrad-Frauenchor im Wiegerhythmus, ein Gefangenenchor wie eine fränkische Liedertafel, schubertische Modulationen, schöne Melodien en gros, sogar Wutausbrüche und hochfahrende Emotionen. Ein Melodram wie aus einer untergegangenen Welt. Ingo Metzmacher, sonst in Salzburg als Meister zeitgenössischer Großopern tätig, hat als Herzensschubertianer von Nikolaus Harnoncourt die Aufgabe übernommen, die Wiener Philharmoniker kultiviert, mitunter auch ein bisschen ruppiger zu dirigieren. Er legt den Singstimmen Teppiche auf. Und die danken es. Der Chor (der Wiener Staatsoper) spielt eine zentrale Rolle als Ritterschar, weiß oder braun. Michael Schade ist Fierrabras, hell, heldisch, Benjamin Bernheim zeigt als Eginhard mehr Stimme als nötig, hat aber auch einen kraftvollen Tenor. Julia Kleiter als Emma, Dorothea Röschmann als Florinda, Markus Werba als Roland, dazu der profunde Georg Zeppenfeld als Kaiser Karl und Peter Kálmán als Gegenspieler Boland - gesungen wird durchwegs tadellos und charakterkonform. Das Unternehmen "Fierrabras" sei gelobt, aber es hätte andere, weniger steinige Wege geben können, die zu Schuberts Opernnachleben führen.

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