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"Tristan Projekt": Wo das Zuhören immer siegt

In Daniel Barenboims "Tristan Projekt" spielen Israelis und Palästinenser gemeinsam Wagner.

"Tristan Projekt": Wo das Zuhören immer siegt
"Tristan Projekt": Wo das Zuhören immer siegt

Gemeinsam leben? Das scheint unmöglich. Auf Isolde wartet am Ende der Liebestod. Und Tristan stürzt sich ins Schwert seines Kontrahenten Melot, nachdem er und Isolde mitten in ihrer entrückten Liebesnacht vom zürnenden König Marke überrascht worden sind. Eigentlich hätte doch die Verheiratung Isoldes mit König Marke den Frieden zwischen zwei Reichen bringen sollen.

Wenn der Konflikt zwangsläufig in Gewalt eskaliert, ist das für das Sängerensemble Teil der Bühnenhandlung. Für die Mitglieder des Orchesters, das am Donnerstag bei den Salzburger Festspielen Richard Wagners "Tristan und Isolde" spielte, erinnert das Szenario an eine triste Wirklichkeit. Aus Israel und Palästina, aus Syrien, dem Libanon oder Ägypten kommen die Musiker, die Dirigent Daniel Barenboim seit 15 Jahren im West-Eastern Divan Orchestra zusammenbringt.

Als Symbol dafür, dass ein Miteinander zwischen Arabern und Juden möglich sein kann, gilt das Projekt. Selten musste der Anspruch so stark gegen die Aktualität verteidigt werden wie auf der Konzertreise, die nun nach Salzburg führte.

Angesichts des aktuellen Gaza-Kriegs musste Barenboim vor dem Beginn der Tournee auch die in den eigenen Orchesterreihen hoch wogenden Emotionen dirigieren. Über Facebook hatten Musiker aus Israel und Palästina ihrem Zorn wechselseitig freien Lauf gelassen. Barenboim mahnte zu gegenseitigem Zuhören und zur Diskussion. " Alle sind gekommen" Das Resultat: "Kein einziges Mitglied hat seine Mitwirkung abgesagt. Alle sind gekommen", sagte der argentinisch-israelische Dirigent kürzlich in einem Interview.

Als politisches Friedensprojekt will er das Orchester nicht verstanden wissen. Gegen den Krieg kann keine Musik anspielen. Beim Auftritt des West-Eastern Divan Orchestra am Donnerstagabend gibt es deshalb auch keine Worte zum Weltgeschehen und keine Schweigeminute wie bei Barenboims Festspielkonzert mit den Wiener Philharmonikern. Vom ersten, zart geformten Orchesterakkord geht es um Wagners "Tristan". Konzertant werden Vorspiel, zweiter Aufzug und Isoldes "Liebestod" aufgeführt.

Vor einer "Tristan"-Partitur seien alle gleich, erläutert der Maestro immer wieder. Tristan und Isoldes Hin- und Hergerissensein zwischen Leben und Sterben, Liebe und Schuld leuchtet das Orchester unter seinem Dirigenten mit einem überwältigend großen und von Streichern bis Holzbläsern fein differenzierten Ausdrucksspektrum aus. Waltraud Meier als Isolde, Peter Seiffert als Tristan, René Pape (König Marke) Ekaterina Gubanova (Brangäne) und Stephan Rügamer (Melot) stellt das immer wieder auch vor Herausforderungen. Sie sind auf der Bühne hinter den Musikern postiert, müssen also über das Orchester singen. Nach dem dynamisch fordernden Beginn können Meier und Seiffert ihre lyrischen Qualitäten im innigen Miteinander ausspielen: "O sink hernieder, Nacht der Liebe." Packende musikalische Dramaturgie Bei derart intensiven Seelenvorgängen der Protagonisten und einer so packenden musikalischen Dramaturgie des Dirigenten macht sich das Fehlen einer szenischen Ebene kaum bemerkbar. Im "Tristan" hat das innere Geschehen mehr Gewicht als die äußere Handlung. Erst beim "Showdown" fehlt das Bühnenspiel: Da bleibt die konzertante Aufführung zwangsläufig mehr Familienaufstellung als Psychodrama. Nach dem "Liebestod" aber gab es verdiente Bravos für alle, bei den Stimmen vor allem für Waltraud Meier als Isolde mit immer noch hoher Strahlkraft, für Gubanova und für Papes Königsklage. Den meisten Jubel freilich gab es für ein Orchester, das mit überragender Klangkultur starke Zeichen setzt.

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