Salzburg - "Projekt." Das kann eine Drohung sein. Wie viel Blut in der "Familie Schroffenstein" geflossen ist, hat schon so manches "Projekt nach Kleist" enthüllt. Spannung also vor - und Entwarnung nach dem Projekt Tristan und Isolde bei den Festspielen. Daniel Barenboim hat am Pult seines West-Eastern Divan Orchestra ganz ohne Wagner-Zertrümmerung das Vorspiel, den zweiten Aufzug und Isoldes Liebestod aus Tristan und Isolde dirigiert. Auf einen großen musikalischen Atem, intensiv und kontrolliert kraftvoll in der Lautstärke, präzise und pointiert in Phrasierung und Artikulation: ein erstaunlich vollgültiges Wagner-Erlebnis.

Mit Waltraud Meier und Peter Seiffert sind zwei Rollen-Profis auf der Bühne gestanden. Sie scheinen den verkürzten Anlauf zur Verzückung nicht einmal ignoriert, sondern losgelegt zu haben, als hätten sie die diversen Seereisen in voller Länge absolviert. Barenboim hat ihnen durchaus kräftigen Orchesterwind um die Ohren wehen lassen, aber auch durch gezielt entwickelte Decrescendi schillernde Entfaltungsräume für Klang und Text in Piano und Pianissimo geöffnet.

Ekaterina Gubanova als Brangäne ließ ihr "Habet Acht! Schon weicht dem Tag die Nacht" mit verstörender Intensität in den Verzückungstaumel der Liebenden hinein klingen: eine verzweifelte Wächterin an einer Grenze, die von Menschenvernunft nicht zu überschreiten ist. Liebestaumel als Zipdatei. Wow. (klaba, DER STANDARD, 23./24.8.2014)