PREMIERENKRITIK: «Die Antilope» in Luzern uraufgeführt

Das Luzerner Theater hat im Rahmen des lucerne festival Johannes Maria Stauds Oper «Die Antilope» uraufgeführt. Der vielschichtige Abend überzeugt.

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Szene aus der Oper «Die Antilope» (Bild: Tanja Dorfendorf / T+T Fotografie)

Szene aus der Oper «Die Antilope» (Bild: Tanja Dorfendorf / T+T Fotografie)

Bei einer Firmenparty stürzt sich ein Mann aus dem 13. Stock - so beginnt die Oper «Die Antilope» von Johannes Maria Staud auf ein Libretto von Durs Grünbein, die das Luzerner Theater uraufgeführt hat. Howard Arman dirgiert; der Hausherr Dominique Mentha hat inszeniert. Die Produktion ist eine Zusammenarbeit mit dem lucerne festival, wo der 1974 in Innsbruck geborene Musiker Composer in residence ist.

Victors Sturz ist wohl als Bild zu verstehen für den Schock, den jemand erleidet, dem sein eigenes Leben plötzlich fremd und sinnlos geworden ist. In einer mit surrealen Elementen durchzogenen, traumartigen Folge seelischer Bilder irrt Viktor nun durch die abendliche Stadt auf der Suche nach sich selbst.

Er trifft überall auf Kälte und Einsamkeit: Ein Paar trennt sich im Streit, eine Frau wartet vergeblich auf ihr Blind Date, eine Mutter lässt ihr Kind stundenlang allein zurück. In diesem Kind und in den Tieren des Zoos findet er jene Einheit mit sich selbst, die er verloren hat. Dafür steht die Antilope des Titels.

Alcina (Bild: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie)
14 Bilder
Alcina (Bild: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie)
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Alcina (Bild: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie)
Alcina (Bild: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie)

Alcina (Bild: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie)

Unverständliches «Antilopisch»

Victors Entfremdung von der Gesellschaft äussert sich auch sprachlich: Grünbein lässt ihn «antilopisch» reden. Natürlich versteht ihn keiner; einzig die Skulptur im Park antwortet ihm in der gleichen Sprache.

Der Schluss führt zurück zum Anfang. Wieder - besser wohl: noch immer - sitzt Victor teilnahmslos unter den Partygästen. In der realen Zeit, so lässt sich dieser Rückgriff deuten, ist kaum eine Minute vergangen.

Staud hat eine Musik mit vielen Facetten geschaffen. Dicht gesetzt in den Partyszenen, wird sie immer wieder kammermusikalisch durchsichtig mit teilweise aparten Klangwirkungen. So wird der Gesang der Skulptur nur begleitet von Akkordeon und präpariertem Klavier.

Clowneske Ärzte

Wie Inseln wirken die vom Libretto geforderten Anlehnungen an die Populärkultur, darunter ein Musical-Song mit Ohrwurm-Qualität. Der Auftritt dreier clownesker Ärzte hingegen wird nur untermalt von den (teilweise überblasenen) Linien der Oboe. Viktors Entfremdung von der Gesellschaft allerdings ist musikalisch zu wenig ausformuliert

Arman und das ausgezeichnet spielende Luzerner Sinfonieorchester - in kleiner Besetzung, mit reichem Schlagzeug - bringen diese Musik eindrücklich zur Geltung. Zudem punktet Luzern mit einem geschlossenen Ensemble hervorragend singender, glaubwürdig agierender Sänger. Todd Boyce gestaltet Viktor mit warmem, weichem Bariton; die übrigen übernehmen gleich mehrere Rollen.

Das Regieteam erzählt die Geschichte in gradlinigen, bühnenwirksamen Bildern und unterstützt so das Verständnis des Werks. Der Bühnenbildner Werner Hutterli ermöglicht mit einfachen Elementen rasche Verwandlungen; Ingrid Erb hat die charakterisierenden Kostüme geschaffen.

Das Premierenpublikum reagierte mit warmem Applaus.

Alfred Ziltener, sda