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Musiktheater
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Bonnie & Clyde

Musical in zwei Akten (Deutschsprachige Erstaufführung)
Buch von Ivan Menchell, Liedtexte von Don Black, Deutsch von Holger Hauer
Musik von Frank Wildhorn


In deutscher Sprache  

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 7. September 2014


 

Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Von Selbstverwirklichung zur Selbstzerstörung

 Von Thomas Molke / Fotos von Martin Becker


Seit einigen Jahren hat sich das Theater Bielefeld zu einem Geheimtipp für selten gespielte Musicals fernab der kommerziellen Musical-Tempel entwickelt. So konnte man hier beispielsweise im Mai 2013 Cy Colemans City of Angels als absolute Rarität erleben (siehe auch unsere Rezension), und ein Jahr zuvor brachte man im Stadttheater Stephen Sondheims Company heraus, eine Musical Comedy, die ebenfalls fernab der Musical-Ausbildungsstätten einen geringen Bekanntheitsgrad besitzt. Nach dem überragenden Erfolg mit The Scarlet Pimpernel in der Spielzeit 2009/10 hat man sich nun erneut ein Werk des amerikanischen Musicalkomponisten Frank Wildhorn vorgenommen, das am 22. November 2009 in Kalifornien seine Uraufführung erlebte und dort für zahlreiche Preise nominiert wurde. Dennoch hat Bonnie & Clyde bis jetzt noch nicht den Sprung nach Deutschland geschafft, und das Theater Bielefeld ist stolz, dieses Stück als deutsche Erstaufführung präsentieren zu können.

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Bonnie (Abla Alaoui) und Clyde (Philipp Büttner) träumen von einer besseren Zukunft.

Das Musical erzählt die Geschichte von Bonnie Parker und Clyde Barrow, dem berühmt-berüchtigten Gangsterpaar der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, das zum Zeitpunkt der großen Weltwirtschaftskrise mit zahlreichen Raubüberfällen den südlichen Mittleren Westen der USA in Atem hielt und dem in der legendären Verfilmung mit Faye Dunaway und Warren Beatty ein Denkmal gesetzt wurde, das zwischen Bewunderung für den Freiheitsdrang und Entsetzen über die Skrupellosigkeit der beiden  schwankt. Ausgehend von der verhängnisvollen letzten Autofahrt am 23. Mai 1934, als Bonnie und Clyde im Kugelhagel der Polizei den Tod fanden, wird das Leben der beiden in einer Rückblende gezeigt. Bonnie kommt als junges Mädchen nach dem Tod ihres Vaters in die ärmliche Gegend von West Dallas und arbeitet dort als Kellnerin, ohne dabei ihren Traum von einer Karriere als Schauspielerin und Dichterin aufzugeben. Clyde muss mit seinem Bruder Buck und seinen Eltern in die Barackensiedlung von West Dallas ziehen und will sich ebenfalls nicht mit einem Leben am Rand des Existenzminimums abfinden. Gemeinsam erkennen die beiden, dass sie ihren Traum von einer besseren Zukunft nicht mit legalen Mitteln erreichen können und ziehen bald raubend durch das von der wirtschaftlichen Depression in die Knie gezwungene Land. Dabei finden sie in der Bevölkerung zahlreiche Bewunderer, während die Ordnungshüter verzweifelt überlegen, wie sie die beiden stoppen können. Clydes Bruder Buck schließt sich gegen den Willen seiner Frau Blanche den beiden an, und macht mit ihnen fortan als Barrow-Gang das Land unsicher, bis er bei einem Angriff der Polizei erschossen und Blanche verhaftet wird. Danach ist es eine Frage der Zeit, bis der auf Bonnie und Clyde angesetzte Scharfschütze auch die beiden zur Strecke bringen wird.

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Blanche (Navina Heyne, links hinten) versteckt ihren Mann Buck (Udo Eickelmann, Mitte hinter der Zeitschrift) vor dem Sheriff (Ulrich Allroggen, links) und dem Deputy (Bernard Niemeyer, Mitte) (vorne links: Stella (Tina Haas), rechte Seite von links: Trish (Michaela Duhme) und Eleanor (Jessica Krüger)).

Jens Göbel zeichnet in einer kurzweiligen Inszenierung die unterschiedlichen Lebensstationen des Paars nach. Auf der linken Bühnenseite ist dabei ein schicker schwarzer Wagen zu sehen, der Bonnie und Clyde häufig als Fluchtauto dient und in dem sie direkt zu Beginn des Stückes niedergeschossen werden. Julia Hattstein hat eine riesige Brücke mit zwei Bögen schräg über die Bühne gebaut. Durch die beiden Bögen werden mittels der Drehbühne die unterschiedlichen Spielorte hereingefahren, die mit wenigen Requisiten beispielsweise die Wohnungen von Bonnies Mutter oder von Buck und seiner Frau Blanche, den Friseursalon, in dem Blanche arbeitet, oder das Gefängnis, aus dem Clyde mit Bonnies Hilfe fliehen kann, andeuten. Zwischen den beiden Bögen befindet sich eine große Projektionsfläche an den Stützen der Brücke, für die Konrad Kästner beeindruckende Bilder für die Treffen im Wald oder die heimlich gefilmten Besuche von Bonnie und Clyde bei ihren Familien nach ihrer Flucht findet. Für die Kirchenszenen wird jeweils ein großes graues Kreuz auf die Bühne gefahren. Die Kostüme von Julia Hattstein fangen den Zeitgeist der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts glaubhaft ein.

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Bonnie (Abla Alaoui) besucht Clyde (Philipp Büttner) im Gefängnis.

Musikalisch enthält das Stück einen trefflichen Stil-Mix aus Swing, Jazz, Balladen, Gospel, Country-Musik bis hin zu rockigen Tönen, wobei die einzelnen Nummern größtenteils sehr eingängig sind. Zu erwähnen ist hier die romantische Nummer "Nur ein Tanz", wenn Bonnie und Clyde das erste Mal aufeinander treffen und Clyde, der gerade aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, Bonnie überreden kann, ihn mit nach Hause zu nehmen. Bewegen können auch die Songs "Was gut genug für dich" und "Zu spät um umzukehr'n". Im ersten Song machen Bonnie und Clyde getrennt voneinander deutlich, dass sie sich mit dem Leben ihrer Eltern niemals zufrieden geben können und von einem anderen Leben träumen, wobei ihnen im zweiten Song dann schon klar wird, dass dieser Weg der Selbstverwirklichung über kurz oder lang in der Selbstzerstörung enden muss. Doch Bonnie tröstet sich mit dem Song "Sterben ist nicht so schwer". Rockige Töne schlägt Clyde an, wenn er erkennt, dass ihm der Weg in den Himmel sowieso verwehrt sein wird und er sich deswegen durch die Hölle schlagen will. Später nimmt er diesen Song mit seinem Bruder Buck erneut auf. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt stellt das Duett zwischen Clyde und Ted dar, in dem beide der Meinung vertreten, für Bonnie die bessere Partie zu sein. Auch Bonnie und Blanche erhalten ein Duett, in dem sie trotz ihrer gegensätzlichen Lebensvorstellungen bekennen, bedingungslos zu ihrem Geliebten beziehungsweise Gatten zu stehen.

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Für Bonnie (Abla Alaoui) und Clyde (Philipp Büttner) gibt es nun kein Zurück mehr.

Eher komischen Charakter hat der Song, in dem Blanche gemeinsam mit ihrer Arbeitskollegin Trish und den beiden Kundinnen Eleanor und Stella versucht, ihren Gatten Buck zu bewegen, seine Reststrafe im Gefängnis abzusitzen. Dabei wirken gerade Eleanor und Trish, deren Männer ebenfalls im Gefängnis sitzen, nicht gerade glaubwürdig, was ihre Treue den abwesenden Männern gegenüber betrifft. Dass Buck da ins Zweifeln kommt und von Blanches Vorschlag nicht begeistert ist, ist gut nachvollziehbar. Recht zynisch wirkt die Nummer "Made in America", in der die Amerikaner unter Anleitung des charismatischen Priesters der von der Weltwirtschaftskrise verursachten Armut trotzen. Das Selbstvertrauen, das hier an den Tag gelegt wird, zeichnet ein absolutes verkehrtes Bild vom American Dream. Da wundert es nicht, dass die gleichen Menschen kurz darauf Bonnie und Clyde beim Überfall einer Bank zujubeln.

Was die Besetzung betrifft, hat man in Bielefeld ein hochkarätiges Musical-Ensemble zusammengestellt. Abla Alaoui und Philipp Büttner bilden optisch, darstellerisch und stimmlich als Bonnie und Clyde ein Traumpaar, das beim Publikum sicherlich mehr Sympathien genießt als es eigentlich aufgrund seiner Taten haben dürfte. Auch Navina Heyne und Udo Eickelmann harmonieren als Blanche und Buck wunderbar zusammen. Dabei überzeugt Heyne als gottesfürchtige Blanche, die bis zum Ende versucht, ihren Mann Buck auf den Weg der Tugend zurückzuführen, seine Entscheidung, sich der Gang anzuschließen, aber dennoch mitträgt und dafür am Ende ins Gefängnis geht. Michaela Duhme und Jessica Krüger glänzen als Friseuse Trish und Kundin Eleanor vor allem durch komödiantisches Spiel. Auch die weiteren Partien sind trefflich besetzt. Einziges kleines Manko ist, dass bei der Premiere die Aussteuerung der Headsets noch nicht optimal ist. Wenn parallel gesungen und gesprochen wird, ist nicht immer alles akustisch zu verstehen. Auch die Abstimmung mit dem Orchester könnte an einigen Stellen noch verbessert werden. William Ward Murta erweist sich erneut als Meister am Pult der Band, und auch der Chor unter der Leitung von Hagen Enke überzeugt durch große Spielfreude, so dass es am Ende lang anhaltenden Applaus und stehende Ovationen für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Dem Musical-Komponisten Frank Wildhorn könnte hierzulande durchaus etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Theater Bielefeld hat erneut einen erfolgreichen Versuch unternommen, das Publikum für Wildhorns Musik zu begeistern.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
William Ward Murta   

Inszenierung
Jens Göbel    

Bühne und Kostüme
Julia Hattstein

Video
Konrad Kästner

Choreographie
Adonai Luna

Kampf-Choreographie
Benjamin Armbruster

Choreinstudierung
Hagen Enke

Dramaturgie
Fedora Wesseler

 

Bielefelder Opernchor

Statisterie

Live-Band
Jörn Brackelsberg
Tim Büchsenschütz
Freya Deiting
Arndt Hesse
Detlev Raschke
Michael Rossberg
Andreas Scheinhütte
Adam Laslett
Anahit Ter-Tatshatyan


Solisten

*Premierenbesetzung

Bonnie Parker
Abla Alaoui

Clyde Barrow
*Philipp Büttner /
Benedikt Ivo

Buck Barrow, Clydes Bruder
Udo Eickelmann

Blanche Barrow, dessen Frau
Navina Heyne

Emma Parker, Bonnies Mutter
Melanie Kreuter

Ted Hinton, Bonnies Jugendfreund
Thomas Klotz

Cumie Barrow, Clydes Mutter
Maila Traczyk

Henry Barrow, Clydes Vater
Ulrich Wiedemann

Die junge Bonnie / Ensemble
Tina Haas

Der junge Clyde / Mann 2 /
Archie / Reporter / Ensemble
Fabian Kaiser

Richter / Priester
Mark Coles

Trish / Gouverneurin "Ma" Ferguson
Michaela Duhme

Eleanor / Frau
Jessica Krüger

Stella
*Tina Haas /
Evelina Quilichini

Sheriff Schmid
Ulrich Allroggen

Deputy Bud Russel / Joe, Trishs Ehemann /
Wache 1 / Mann 1 / Reporter /
Frank Hamer, Texas Ranger
Bernard Niemeyer

Wache 2 / Mr. McGuire /
Deputy Johnson
Krzysztof Gornowicz

Kunde / Kassierer /
Bob Alcorn, Scharfschütze
Lutz Laible

 

Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bielefeld
(Homepage)




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