Zum Auftakt der neuen Opernsaison inszeniert Intendant Carl Philip von Maldeghem in Salzburg die letzte Oper des genius loci Wolfgang Amadeus Mozart. Heraus gekommen ist ein bunter Zirkus und weitgehend solide musikalische Leistungen. 

Der Vorhang geht auf und man möchte fast meinen, die Bühnenbildner haben sich hier leichtes Spiel gemacht. Schwarze Wand, keine Requisiten und weißes Licht. Doch dann kommt Papageno und legt einen riesigen Koffer auf die Bühne, aus dem nach und nach alle Protagonisten steigen. Ab jetzt ist klar, diese Inszenierung hält noch die ein oder andere Überraschung bereit. Die Paare Tamino Pamina und Papageno Papagena beispielsweise sind doppelt besetzt, und das mit Schaustellern der besonderen Art. Jeder der vier Protagonisten hat ein Marionetten-Alter Ego an der Seite. Marionetten in der Oper sind in Salzburg keine Seltenheit, dennoch kommen sie in dieser Inszenierung besonders schön zur Geltung. Mit großem Geschick schaffen es die Puppenspieler, ihre Marionetten genauso lebendig wirken zu lassen wie deren „echte“ Kollegen. 

Das Thema Marionetten-Theater zieht sich durch die gesamte Inszenierung. Ist man am Anfang noch etwas erschlagen von den schillernden Madonna-Gedächtnis-Kegel-BHs der drei Damen, wird einem spätestens in Sarastros Palast klar, dass es sich hier um ein buntes Varieté mit allerlei bunten und skurrilen Schaustellern handelt. Für die Ausstattung (Christian Floeren) musste vermutlich alles herhalten, was das Landestheater zu bieten hat. Mit viel Liebe zum Detail ist der Chor kostümiert, beinhaltet alles vom Magier bis zur Bären, das man sich an Schaustellern auf einem alten Jahrmarkt vorstellen kann. Herr über dieses Wundertheater ist Sarastro. Sein Palast ist eine Bühne auf der Bühne, große Säulen und eine goldene Showtreppe inklusive. Auch an den Effekten wurde nicht gespart, es ist ein wahres Spektakel mit Feuer, Zaubertricks und Lärm. Genau das macht diese Inszenierung so unterhaltsam, es gibt etwas zu sehen, ohne dass die eigentliche Handlung in den Hintergrund gerät. 

So glorreich die Inszenierung auch daher kommt, so kann sie doch nicht die musikalischen Schwächen ausmerzen, von denen es einige zu finden gibt. Die drei Damen (Emalie Savoy, Julia Stein und Tamara Gura) sind zwar schön anzusehen, allerdings singt tatsächlich nur eine von ihnen wirklich überzeugend, während die anderen es wenigstens probieren. Auch Christina Rühmann kämpft als Königin der Nacht. Dem gemeinen „Schafft sie‘s?“ Klischee dieser Rolle muss auch sie sich fügen, immer wieder schießt sie an den Höhen vorbei. Da helfen auch ihre sonst sehr sauberen und ausdrucksstarken Melodieläufe nicht mehr. Die zweite Herrschergestalt, Sarastro, hat ebenfalls zu kämpfen. Alexey Birkus hat sein Problem mit den Tiefen, die so bezeichnend für die Partitur des Sarastro sind. Dagegen sehr stark ist das Paar Tamino / Pamina. Kristofer Lundin ist stimmlich stets sicher und singt einen geraden, dabei nicht überzeichneten Tamino. Laura Nicorescu gibt die liebenswürdige Tamina, die mit erstaunlich präsentem Sopran und viel Facettenreichtum überrascht.

Simon Schnorr als Papageno ist an diesem Abend mehr Schauspieler als Sänger, anfangs wird ihm vor allem der Rhythmus zum Verhängnis. Nach der Pause hat er sich dann allerdings gefangen und überzeugt neben den inszenierten Gaukeleien auch stimmlich wieder. Die perfekte Balance zwischen Singen und Spielen zeigt Franz Supper als Monostatos. In Mozarts Oper als Dunkelhäutiger in die Außenseiterrolle gedrängt, ist Monostatos in Maldeghems Inszenierung ein voll-tätowierter Gefängniswärter in Ledermontur und Springerstiefeln. Mit viel Witz und Esprit verkörpert Supper seine Rolle, ohne sein gesangliches Talent in den Schatten zu stellen. Besonders die schnellen, schwer zu artikulierenden Stellen gelingen ihm scheinbar ohne jede Anstrengung. Als Papagena taucht zum Schluss noch Ayse Senogul auf. In ein Dirndl gesteckt liefert auch sie eine durchwegs positive Leistung, und man nimmt ihr das immer wieder stark heraus geschmetterte „freilich“ trotz Fremdsprache ab. Und in puncto Sprache muss einer noch ganz besonders hervor gehoben werden: Chorist Rudolf Pscheidl. Neben seiner sängerischen Tätigkeit als zweiter Priester bringt er das Publikum in den gesprochenen Teilen mit seinem gestanden bayerischen Dialekt immer wieder herzhaften zum Lachen. 

Alle musikalischen Fäden laufen am Ende bei einer Dame zusammen, die an diesem Abend ihren Antritt als neue Musikchefin des Landestheaters feiert: Mirga Grazinyte-Tyla. Sie dirigiert Mozart sauber und leicht bekömmlich, ohne dabei ins Kitschige abzurutschen. Mit entsprechendem Applaus wird sie dann auch in Salzburg willkommen geheißen. 

Was bleibt also zu sagen über die neue Zauberflöte im Salzburger Landestheater? Nach dem großen Festspielsommer hat es das kleine Haus nicht unbedingt leicht, doch mit Maldeghems Zauberflöten-Inszenierung wurde einmal wieder bewiesen: Das Landestheater ist durchaus im Stande, mit weniger Mittel große Wirkung zu erzielen. Das Publikum dankte es ihm. 

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