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Musiktheater
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Leucippo

Favola pastorale per musica in drei Akten
Libretto von Giovanni Claudio Pasquini
Musik von Johann Adolf Hasse


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Koproduktion mit den Schwetzinger Festspielen

Premiere im Palladium Köln am 2. Oktober 2014


 

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Oper Köln
(Homepage)

Entzaubertes Arkadien

Von Thomas Molke / Fotos von Paul Leclaire

Obwohl Johann Adolf Hasse zu seinen Lebzeiten als der bedeutendste Vertreter der Opera seria des 18. Jahrhunderts galt, der mit seinen festen musikalischen Strukturen und Formen europaweit diese Gattung prägte, verschwand sein Werk mit dem Aufkommen der Reformoper durch Christoph Willibald Gluck sehr schnell von den Spielplänen und fiel dem Vergessen anheim. Eine allmähliche Wiederentdeckung seiner Opern findet größtenteils nur bei Festspielen wie beispielsweise den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik (zuletzt 2011 mit Romolo ed Ersilia) und den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci (zuletzt 2012 mit Piramo e Tisbe) statt. Nun eröffnet die Oper Köln die letzte Interimsspielzeit, bevor es im Sommer 2015 wieder ins renovierte Opernhaus geht, ebenfalls mit einem Werk Hasses, das am 7. Oktober 1747 im Jagdschloss Hubertusburg bei Dresden anlässlich der Geburtstagsfeier des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs Friedrich August seine Uraufführung erlebte. Doch auch die Kölner Wiederentdeckung von Leucippo ist mit Festspielen verbunden, da diese Inszenierung eine Koproduktion mit den Schwetzinger SWR Festspielen darstellt, wo das Werk bereits im Mai dieses Jahres seine Premiere erlebte (siehe auch unsere Rezension). Dass die Wahl dabei gerade auf Leucippo fiel, mag darin begründet sein, dass dieses Stück bereits 10 Jahre nach seiner Uraufführung unter anderem auch in Schwetzingen zu erleben war.

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Delio-Apollo (Claudia Rohrbach) hat Narete (Kenneth Tarver) gegenüber ein schlechtes Gewissen.

Die Handlung basiert sehr lose auf den bei den Dichtern Pausanias und Ovid überlieferten Mythen über die Nymphe Daphne (Dafne), den Gott Apollo und den Hirten Leukippos (Leucippo) und spielt in Arkadien. Leucippo ist in der Fremde unter dem Namen Aristeo aufgewachsen und nun nach Arkadien zurückgekehrt, wo er sich unsterblich in die Nymphe Dafne verliebt hat, die allerdings als jungfräuliche Jägerin dem männlichen Geschlecht abgeschworen hat. Dennoch kann sie sich Leucippos Werben nicht entziehen. Der Priester Narete will die Jungfräulichkeit der Nymphe schützen und vertreibt Aristeo aus Arkadien. Zu einem Todesurteil gegenüber dem Eindringling kann er sich zunächst noch nicht durchringen, da der junge Mann, was Narete allerdings noch nicht weiß, sein verschollener Sohn Leucippo ist, den Apollo bereits im Kleinkindalter aus Arkadien entführt hat, da er schon damals die aufkeimende Rivalität um die Gunst der Nymphe Dafne vorhersah. Als Aristeo nicht bereit ist, Arkadien zu verlassen und Dafne auch noch Narete bittet, ihn zu verschonen, beschließt Narete, den jungen Mann doch töten zu lassen, zumal er dadurch die Erfüllung eines Orakelspruchs erhofft, wonach er unter gewissen Umständen seinen verschollenen Sohn wiederfinden solle. Bevor er das Todesurteil an Aristeo vollstrecken kann, besteht Dafne darauf, selbst an seiner Stelle zu sterben. Als Aristeo dann gemeinsam mit Dafne sterben will, greift Apollo ein und gesteht sein Vergehen. Narete erkennt in Aristeo seinen Sohn Leucippo, und einer Verbindung zwischen Leucippo und Dafne steht plötzlich nichts mehr im Weg.

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Traute Zweisamkeit: Dafne (Regina Richter) und Leucippo (Valer Sabadus)

Tatjana Gürbaca entwickelt in ihrer Inszenierung eine recht eigenwilliges Bild des poetischen Traumlandes Arkadien, das mit einem irdischen Paradies pastoraler Prägung nicht allzu viel gemein hat. Die Bühne von Henrik Ahr ist ein nach hinten abgerundeter leerer Raum, der in seiner Kahlheit alles andere als idyllisch wirkt. Da nützen auch die Äpfel nichts, die Narete zu Beginn der Oper aus einer Kiste auf den nach vorne hin leicht abfallenden Boden kippt und mit denen die übrigen Protagonisten im Folgenden spielen. Die nach hinten abfallende Erhebung am Rand der Bühne wirkt wie eine kreisrunde Bank und gibt der Bühne eine weitere Tiefe. Unter der Decke hängt eine kreisrunde Scheibe, die am Ende des Stückes herabgelassen wird und die Protagonisten zunächst auf die äußere Erhebung drängt. "Arkadien ist nicht mehr" sind die letzten Worte in der Beschreibung der Handlung im Programmheft. Soll das bedeuten, dass dieser inhaltsleere Raum nun für immer verschlossen ist? Im Gegensatz zum Verschwinden eines poetischen Traumlandes wäre das allerdings kein großer Verlust.

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Narete (Kenneth Tarver, links) müsste Aristeo-Leucippo (Valer Sabadus, rechts) eigentlich töten, vermag es aber nicht (im Hintergrund: Climene (Klara Ek) und Nunte (Luke Stoker)).

Dramaturgisch problematisch ist die Realisierung des lieto fine. Apollo, der in der Oper unter dem Decknamen Delio auftritt, gesteht sein Vergehen, als Leucippo und Dafne beschließen, gemeinsam in den Tod zu gehen. Wieso sollte er das tun? Schließlich hat er im Vorfeld der Oper Leucippo außer Landes geschafft, damit er ihm beim Werben um die Nymphe nicht im Weg ist. Sollte ihn nur, weil Dafne ihn trotz allem ablehnt und er erkennt, dass er gegen die Liebe zwischen Dafne und Leucippo selbst als Gott machtlos ist, das schlechte Gewissen überkommen, so dass er sein Vergehen gesteht, um damit die Geliebte für seinen Rivalen freizugeben? Was wird aus Dafnes jungfräulichem Schwur? Soll der auf einmal nicht mehr gelten, nur weil Leucippo der Sohn des Priesters Narete ist? Da diesen Fragen mit Logik nicht beizukommen ist, hat sich Gürbaca wohl für einen anderen Ausgang entschieden. Leucippo greift nicht nur zum Messer, um gemeinsam mit der Geliebten zu sterben, sondern sticht auch zu. Wenn die kreisrunde Decke herabgelassen wird, sitzt er mit Dafne an der Rampe und scheint mit ihr bereits in ein Jenseits entrückt zu sein. Apollo gesteht sein Vergehen demnach erst, nachdem Leucippo und Dafne tot sind und die Geliebte damit für ihn nun wirklich für immer verloren ist. Der anschließende Jubelgesang wirkt dann inhaltlich hohl.

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Climene (Klara Ek, vorne), Nunte (Luke Stoker, Mitte hinten) und die Hirten (Barock vokal Mainz) wollen Narete (Kenneth Tarver, vorne rechts) daran hindern, dass Todesurteil zu vollstrecken.

Große szenische Präsenz zeigt in der Inszenierung das von Christian Rohrbach betreute Ensemble Barock vokal der Hochschule für Musik Mainz, das nahezu die ganze Zeit auf der Bühne ist. Die recht farblosen Kostüme von Barbara Drosihn stehen zum einen im Einklang mit dem schmucklosen Bühnenbild und scheinen sich geschlechtsspezifisch nicht richtig festzulegen wollen. So treten beispielsweise Männer in Röcken und Frauen in kurzen Hosen auf. Die Kleidung soll wohl genau wie das Spiel die ewige Jugend in diesem Traumland andeuten. Ob man dafür in einem Kreis eine Art Ringelrein tanzen muss oder sich wie Schüler auf der Schulbank eifrig melden muss, um einen Zug aus einem Joint zu bekommen, ist fraglich. Auch die Basketball-Einlage ohne Basketball von Luke Stoker als Nunte wirkt dabei überflüssig. Dies kann alles über die Längen des Stückes nicht hinwegtäuschen. Vor allen Dingen bis zur Pause zieht sich die Inszenierung wahnsinnig hin, ohne dass Gürbacas Regie-Einfälle dem Publikum das Stück näher bringen. Die Solisten mühen sich zwar darstellerisch ab, und die Arien sind auch durchaus nett anzuhören, aber Szene und Musik schaffen es dabei nicht, eine Einheit herzustellen.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau und weist mit Ausnahme von Claudia Rohrbach eine komplett andere Besetzung als in Schwetzingen auf. Für die Titelpartie konnte der Countertenor Valer Sabadus gewonnen werden, der in Köln bereits in den konzertanten Aufführungen von Leonardo Vincis Artaserse mit vier weiteren Countertenören zu erleben war. Während er in seiner Auftrittsarie noch ein wenig leise klingt und stimmlich nicht immer gegen das Orchester durchkommt, weiß er in den weiteren Arien mit beweglichen Koloraturen und warmen Höhen zu punkten. Auch in der Mittellage verfügt er über ausreichendes Volumen. Regina Richter steht ihm mit warmem Mezzo und intensivem Spiel als Dafne zur Seite. Claudia Rohrbach punktet als Delio-Apollo mit klarem Sopran und perlenden Koloraturen. Aufhorchen lässt auch Kenneth Tarver in der Partie des Narete, der den Priester mit einem hellen Tenor ausstattet und in den Höhen über enorme Strahlkraft verfügt. Klara Ek punktet als Climene mit mädchenhaftem Sopran und sauberen Höhen. Luke Stoker gefällt als Nunte mit weichem Bass und virilem Spiel. Das Ensemble Concerto Köln präsentiert sich unter der Leitung von Gianluca Capuano als idealer Begleiter für die barocke Partitur, so dass es großen Applaus für alle Beteiligten gibt. Dass auch das Regie-Team ohne jedwede Unmutsbekundung gefeiert wird, verwundert ein wenig.

FAZIT

Für ein steigendes Interesse am Opernschaffen Johann Adolf Hasses dürfte Gürbacas Inszenierung nicht gerade sorgen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gianluca Capuano

Inszenierung
Tatjana Gürbaca

Bühne
Henrik Ahr

Kostüme
Barbara Drosihn

Choreinstudierung
Christian Rohrbach

Licht
Andreas Grüter

 

Barock vokal Mainz

Concerto Köln

 

Solisten

Leucippo
Valer Sabadus

Narete
Kenneth Tarver

Dafne
Regina Richter

Climene
Klara Ek

Delio
Claudia Rohrbach

Nunte
Luke Stoker

Barock vokal Mainz
Aline Wilhelmy
Su-Jin Yang
Christian Rohrbach
Frederik Bak
Jonas Boy
Kyung-Jae Moon


Weitere
Informationen

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