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Verdi-Oper in Bonn
Heiligenlegende in Kitschbildern

Die Oper "Giovanna d'Arco" war Giuseppe Verdis Versuch, an seinen "Nabucco"-Erfolg anzuknüpfen. Auf der Bühne zu sehen ist das Frühwerk nur selten. Die Bonner Oper hat nun eine Neuinterpretation des Johanna-von-Orlean-Stoffes gewagt. Unterstützt hat sie dabei das bekannte Theatervideo-Duo fettFilm.

Von Christoph Schmitz | 27.10.2014
    Der italienische Komponist Giuseppe Verdi (1813 bis 1901) in einer zeitgenössischen Darstellung. Bildunterschrift Geben Sie eine individuelle Bildunterschrift ein oder lassen Sie das Feld leer, um die Bildunterschrift aus der MediaDB/Bildbrowser zu überne
    Die Oper "Giovanna d'Arco" war Verdis erste Schiller-Vertonung. (picture-alliance / dpa )
    Liebe oder Politik. Johanna muss sich entscheiden: Entweder das private sinnliche Glück des Eros oder die soziale Herausforderung für Frankreich, um das Land mittels Kampf von den Engländern zu befreien. Beides gleichzeitig ist Johanna bei Verdi versagt. So reden Stimmen in ihrem Kopf auf die junge Frau ein. Welche Stimmen die guten und welche die bösen sind, ist deutlich markiert. Die guten Engel, von Frauen gesungen und Harfe begleitet, fordern Enthaltsamkeit und Verantwortung für die Gesellschaft, die bösen Dämonen, von Männern gesungen und Harmonium und Triangel untermalt, locken zur Lust.
    Johanna ringt sich bekanntlich zum selbstlosen Kampf durch, obwohl der König um sie buhlt und ihr eigener Vater sie als Hexe beschimpft.
    Selten auf der Bühne
    Verdis frühe Oper und erste Schiller-Vertonung wird zu Recht selten aufgeführt. Sehr holzschnittartig sind die Figuren gezeichnet. Musikalisch versucht Verdi, an seinen "Nabucco"-Erfolg anzuknüpfen - mit singbaren Arien und martialischem Freiheitsgetöse. Das kam dem Seelenzustand der unter staatlicher Zersplitterung und Fremdbestimmung leidenden Italiener 1845 entgegen.
    Musikalisch besonders inspiriert wirkt dieses Stück aber nicht. Unter dem zupackenden und genauen Dirigat von Will Humburg gelingt es dem Beethovenorchester immerhin die patriotische Wucht der Partitur herauszuarbeiten und auch manche lyrische Schönheit. Die amerikanische Sopranistin Jacquelyn Wagner als heilige Johanna verleiht der Titelrolle eine jugendliche, ja fast kindliche Aura.
    Mitunter allerdings wirkt Wagners Stimme etwas zu klein für die große Kraft der Freiheitskämpferin. Eine Idealbesetzung für Verdis Johanna ist sie nicht.
    Der Russe Maxim Aniskin als Johannas Vater kommt zu oft, vor allem im Piano, etwas stumpf herüber. Einen italienischen Paradestrahlemann-Tenor gibt der Georgier George Oniani als König Karl von Frankreich.
    Gescheitert an den Herausforderungen Verdis
    Die größte Herausforderung bei dieser unausgereiften und spröden Oper ist es wohl, sie szenisch anschaulich, plausibel und erzählerisch zu gestalten. Das Theatervideoduo fettFilm von Momme Hinrichs und Torge Möller macht bei seinem ersten Regieauftrag das, was es gut kann, Bilder zaubern per Videoprojektionen. Das hat fettFilm schon oft und mit Erfolg getan, bei Stefan Herheims grandiosem "Parsifal" in Bayreuth etwa oder Willy Deckers zauberhaftem "Tristan" bei der Ruhrtriennale.
    In Bonn blättert fettFilm eine nostalgische Fotopostkartengeschichte auf. Girlanden verzierte Rahmen werden auf den Gazevorhang gebeamt. Die Sänger samt Chor in historischen Gewändern dahinter arrangieren sich immer wieder zu Tableaux vivants, zu lebenden Bildern, als stellten sie eine historische oder ikonografische Szene nach.
    Schöne Bilder ohne Bedeutung
    Kitschgemälde entstehen, so auch wenn hinter Giovanna eine computeranimierte Rosenhecke wächst und aufblüht oder wenn der steinerne Treppenaufstieg einschließlich geometrischer Triumphbögen sich in einen uralten Waldweg per Projektion verwandelt.
    Das ist gut gemacht, das sind echte Hingucker, aber was hat es zu bedeuten außer, dass es schön oder spektakulär aussehen soll?
    Letztlich sind die Leute von fettFilm bei ihrer Bühnenvideokunst geblieben, haben aber nicht den Schritt zur Regisseurskunst gemacht, die darin besteht, das Werk zu deuten. fettFilm macht allenfalls klar, dass die historische Johanna auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde und sowohl Schiller als auch Verdi sie in der Schlacht sterben lassen. Aber das haben wir gewusst. Die Heiligenlegende von fettFilm bringt uns leider nicht weiter.
    Mit "Giovanna d'Arco" eröffnet die Bonner Oper einen ganzen Reigen mit Frühwerken Verdis. Ohne szenische Interpretation ist ein solches Projekt allerdings nur halb legitimiert. Da kann man musikalisch noch so auftrumpfen.