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Musiktheater
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Twice Through the Heart

Dramatische Szene (1994/96)
Libretto von Jackie Kay
Musik von Mark-Anthony Turnage

Death Knocks

Oper in einem Akt (2001)
Libretto nach dem gleichnamigen Spiel von Woody Allen
Musik von Christian Jost

Erwartung

Monodram in einem Akt (1909)
Libretto von Marie Pappenheim
Musik von Arnold Schönberg

In englischer bzw. deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: 1 ¾  Stunden – ohne Pause

Premiere im Zwinger in Heidelberg am 15. Oktober 2014
(rezensierte Aufführung: 25. Oktober 2014)

 

Logo: Theater Heidelberg

Theater Heidelberg
(Homepage)

Totschläge

Von Christoph Wurzel / Fotos: Annemone Taake

Mit dem Tod soll man nicht spaßen. Woody Allen hat sich allerdings darum nicht geschert. In sarkastischer Respektlosigkeit  führt er in der kleinen Theaterszene Death Knocks den Tod höchstpersönlich vor und lässt ihn an seiner großen Aufgabe scheitern. Denn der junge Unternehmer Ackerman, den der Tod urplötzlich heimsucht, denkt überhaupt nicht daran zu sterben, stattdessen überredet er den ungebetenen Gast mit ihm zu pokern, um eine Fristverlängerung herauszuholen. Der Tod verliert, zieht sich kleinlaut zurück und Ackerman fühlt sich diesem  „Deppen“ überlegen. Die Fortsetzung der Geschichte jedoch, die Allen natürlich ausspart, lässt sich ja denken. Nur nebenbei wird bemerkt, dass es der erste Besuch des Todes war...

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(Vorerst) keine Chance: Ackerman (Zachary Wilson) bezirzt vom Tod (Amélie Saadia) in Death Knocks

Christian Jost hat diese Szene zu einer kleinen Oper vertont, wobei er der Chuzpe bei Woody Allen noch Eins draufsetzt, indem er den Tod eine Frau sein lässt, was die Sache für das männliche Opfer wesentlich schwieriger macht. Und natürlich pikanter - besonders wenn der Tod so ungeheuer attraktiv ist (und überdies noch so glänzend singt) wie die Sopranistin Amélie Saadia in dieser Aufführung in Heidelberg. Dadurch wird das Spiel um Leben oder Tod eben auch zu einem erotischen Kräftemessen. Doch wie verführerisch sie ihre Reize auch spielen lässt (und sogar beinahe die Hüllen fallen) – sie kriegt ihr Opfer nicht rum.  Denn im Kartenspielen ist sie schlecht und muss sogar mogeln. So lässt Ackerman, alias Zachary Wilson sie in vollkommen cooler Businessmanier einfach abtropfen.

Zu dieser skurrilen Szene hat Christian Jost eine Musik geschrieben, die mit sprühenden Geistesblitzen die Handlung geistreich kommentiert. Bisweilen meint man kurze Anspielungen oder Zitate herauszuhören, die das verbale Duell der Figuren konterkarieren. Das kleine Ensemble wird dabei von Bläsern dominiert, ergänzt durch eine Violine sowie Vibraphon und Drumset.

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Versucht die Erinnerung zu begraben: Carolyn Frank als eine Frau, die ihre Scham über Erniedrigung und Gewalt nicht verwinden kann in Twice Through the Heart

Die Musik von Mark-Anthony Turnage zu der dramatischen Szene Twice Through the Heart besitzt dagegen mehr Klangvolumen und begleitet  die emotionale Schwere des Textes der schottischen Autorin Jackie Kay mit starker Expressivität. Es ist der Monolog einer Frau, die wegen des Mordes an ihrem Mann in Haft sitzt. Nur in dieser Situation allein in ihrer Zelle ist sie fähig ihre Gedanken zu äußern, die sie keinem sonst anvertrauen konnte: Ihr Mann hat sie entwürdigt, geschlagen, missbraucht, so dass sie keinen anderen Ausweg sah, sich davon zu befreien. Ihre Scham darüber empfindet sie als noch schlimmeres Gefängnis als die Mauern, hinter denen sie eingesperrt ist. So ist sie noch immer Gefangene der männlichen Macht und die Stiche ins Herz haben auch sie selbst getroffen. Mit diesem Text, dem ein realer Fall zugrunde liegt, wollten die Librettistin wie auch der Komponist ein Schlaglicht auf die Not vergleichbarer Täterinnen werfen und für mehr Humanität im britischen Strafvollzug plädieren. Am Heidelberger Theater eröffnete diese Szene den Kurzopern-Abend, bei dem zwei Werke tragischen Inhalts die Farce von Woody Allen einrahmten.

Carolyn Frank verkörpert diese Frau mit großer vokaler Eindringlichkeit und spielt die trostlose Ausweglosigkeit der Figur anrührend mit emotionalem Ausdruck. Auch wo sich das Instrumentalensemble massiv Raum verschafft, bleibt sie stimmlich höchst präsent.

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Psychoanalytisches Traumprotokoll: Hye-Sung Na als Die Frau in Schönbergs Erwartung

Auch die Sängerin des abschließenden Werks gestaltet ihre Partie mit außerordentlicher Intensität. In Schönbergs Erwartung singt Hye-Sung Na die Partie der Frau, die nachts ihren ausgebliebenen Geliebten sucht und dann im Wald tot auffindet. Gefühle von Angst wechseln mit aggressiver Eifersucht und zärtlicher Erinnerung. Es liegt nahe, dass sie ihn ermordet hat. Der Text von Marie Pappenheim, die zum Kreis um Sigmund Freud gehörte, lässt die Gedanken als innere Bilder entstehen. Für diese assoziativen Ketten lässt die Regisseurin Clara Kalus die Darstellerin im geheimnisvoll diffusen Mondlicht wie traumwandlerisch auf der kleinen Spielfläche agieren. Gespielt wird eine orchestral reduzierte Fassung für Kammerorchester, die der räumlichen Enge des Spielorts zugute kommt. Auch in diesem letzten Teil der Trilogie gelingt die Realisierung des besonderen Charakters dieses kurzen Werkes überzeugend. Dabei ist das Bühnenbild für alle drei Szenen gleich: in der Mitte ein durchbrochener Kubus mit gespiegelten Flächen, darin eine Art Anstaltsbett und auf dem Boden Rindenschnipsel. Das Instrumentalensemble sitzt in Hintergrund, so dass die Darsteller vorn in sehr engen Kontakt zum Publikum spielen. Trotzdem ist die Koordination mit dem Instrumentalensemble unter der Leitung von Timothy Schwarz exzellent.

FAZIT

In Heidelberg ist mit diesen drei Kurzopern  ein schönes Beispiel für die Experimentierfreude gerade kleinerer Theater gelungen, abseits des traditionellen Repertoires nach bühnenwirksamen Werken mit interessanten Stoffen zu suchen und damit auch ein Publikum zu erreichen. Die Besucherinnen und Besucher in der kleinen, aber fast voll besetzten Heidelberger Spielstätte „Zwinger“ dankten es mit herzlichem Beifall.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Timothy Schwarz

Regie
Clara Kalus

Bühne und Kostüme
Pia Dederichs
Lena Schmidt


Dramaturgie
Julia Hochstenbach

Video
Oliver Rossol



Philharmonisches Orchester
Heidelberg


Solisten

Twice Through the Heart

Die Frau
Ks Carolyn Frank

Death Knocks

Der Tod
Amélie Saadia

Nat Ackerman, ein Kleiderfabrikant
Zachary Wilson


Erwartung

Die Frau
Hye-Sung Na

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Heidelberg
(Homepage)





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