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Musiktheater
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Belsazar (Belshazzar)

Oratorium in drei Teilen
Text von Charles Jennens
Musik von Georg Friedrich Händel

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 20' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 8. November 2014

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Kostümschlacht beim Chor

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Mit dem englischen Oratorium prägte Georg Friedrich Händel, als das Publikumsinteresse an seinen italienischen Opern in London nachließ, eine neue Gattung, die der Oper wesentlich näher stand als einem Oratorium im eigentlichen Sinne, da Händel nicht liturgische Musik komponierte, sondern biblische Stoffe dramatisierte und dabei die in der Oper vorherrschenden Rezitative und Arien um große und vielstimmige Chorpassagen erweiterte. Da diese Oratorien lediglich zur Unterhaltung dienten, wurden sie nicht in Kirchen aufgeführt, sondern fanden in Theatern statt, allerdings konzertant. In Zeiten des Regietheaters ist man jedoch immer mehr dazu übergegangen, auch Händels Oratorien szenisch auf die Bühne zu bringen, da sie wie die Opern über einen dramatischen Ablauf mit einzelnen Akten verfügen. Zu erwähnen ist hier beispielsweise die "Oratorien-Trilogie" an der Oper Bonn, wo Dietrich Hilsdorf in den Jahren 2001 bis 2005 die drei biblischen Werke Saul, Belshazzar und Jephta in Szene setzte. Nun widmet sich auch das Musiktheater im Revier mit Belsazar dem Oratorium, das neben Händels Messias eine der größten und schwierigsten Chorpartien besitzen soll, da der Chor hier drei verschiedene Völker repräsentiert.

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Cyrus (Anke Sieloff, Mitte vorne) belagert mit den Persern (Opern- und Extrachor) Babylon (vorne links: Julius Warmuth als Schreiber).

Die Geschichte spielt im 6. Jahrhundert vor Christus und handelt vom Ende des babylonischen König Belsazar, wie es im Buch Daniel im Alten Testament und in den Historien von Herodot berichtet wird. Die Juden werden zu dieser Zeit in Babylon gefangen gehalten, während der Perserkönig Cyrus die Stadt belagert, die Mauern der Stadt allerdings nicht überwinden kann. Dies lässt Belsazar leichtsinnig werden. Beim großen Sesach-Fest will er nicht nur ohne Rücksicht auf die Belagerung seine Macht demonstrieren, sondern auch noch die aus dem jüdischen Tempel geraubten Kultgegenstände entweihen. Den Warnungen seiner Mutter Nitrocis schenkt er keine Beachtung. Als plötzlich mitten bei der Feier die rätselhaften Worte "Mene, Mene, Tekel, Upharsin" an der Wand erscheinen, lässt er den jüdischen Propheten Daniel rufen, der diese Worte als das Ende von Belsazars Macht liest. In der Tat hat Cyrus mittlerweile den Fluss Euphrat, der durch die Stadt fließt, umgeleitet und ist mit seinem Heer durch das trockene Flussbett in die Stadt eingedrungen. Cyrus besiegt Belsazar und übernimmt die Macht in Babylon. Den Juden schenkt er die Freiheit, so dass sie nach Jerusalem zurückkehren dürfen.

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Daniel (Almuth Herbst, vorne) verspricht den Juden (Opern- und Extrachor) ein baldiges Ende der Gefangenschaft.

Eine besondere Herausforderung bei der szenischen Umsetzung dieses Oratoriums dürfte den Einsatz des Chors betreffen, der sowohl die angreifenden Perser, als auch die Babylonier und die gefangenen Juden verkörpern muss. Eine Dreiteilung des Chors scheitert selbst bei Einsatz eines Extrachors in der Regel an der vielstimmigen Wucht, die die Chorpassagen zum Ausdruck bringen sollen. So lässt das Regie-Team um Sonja Trebes den kompletten Opern- und Extrachor als alle drei Völker auftreten. Renée Listerdal gestaltet dabei eine regelrechte Kostümschlacht, damit man die drei Völker bei ihren Auftritten auch deutlich auseinander halten kann. So hat sie für die Perser glänzende Rüstungen in Gold entworfen, die schon beinahe historisch anmuten, lässt das Volk Daniels als orthodoxe Juden in Schwarz und Weiß mit den entsprechenden Frisuren auftreten und zeichnet die Babylonier mit roten Kappen in einem eher modern gehaltenen Beige-Ton. Dass die unterschiedlichen Kostüme verschiedene zeitliche Epochen andeuten, mag eine Anspielung darauf sein, dass die Geschichte um den Aufstieg und Niedergang einer Nation sich als Kreislauf jederzeit wiederholen kann.

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Belsazar (Attilio Glaser, vorne) ist durch die rätselhaften Worte beim Sesach-Fest verunsichert (im Hintergrund: Opern- und Extrachor als Babylonier).

Hyun Chu hat die Bühne mit einer hohen kreisrunden Mauer ausgestattet, die zu Beginn deutlich macht, dass die Stadt Babylon für die Perser uneinnehmbar ist. Durch Einsatz der Drehbühne wird gezeigt, dass die Stadt Babylon wirklich hermetisch abgeriegelt ist. Einzelne Teile lassen sich jedoch aus dieser Mauer heraustrennen, so dass klar wird, dass Cyrus mit seinem Volk den Weg in die Stadt finden wird. Von innen ist diese Mauer mit glänzendem Gold ausgestattet, das wahrscheinlich den Kultgegenständen der Juden entnommen ist. Wenn man nämlich zum ersten Mal einen Blick in den Palast werfen kann, ist ein Teil der Wand noch mit Plane verhängt, während Juden das Gold von den Gefäßen abkratzen und in einem Bottich auffangen müssen. Auf die Schrift an der Wand während des Sesach-Festes wartet man allerdings vergeblich. Hier hat sich die Regisseurin Sonja Trebes eine andere Lösung ausgedacht. Ein Jude wird von Belsazar gezwungen, aus einem der jüdischen Kultgegenstände zu trinken, und täuscht anschließend einen real wirkenden Todeskampf vor, den er allerdings bereits im ersten Akt unter Daniels Anleitung geprobt hat. Belsazar starrt nun in das Gefäß und scheint die rätselhaften Worte dort zu lesen, was der Szene die Dramatik nimmt, die die Musik hier aufbaut. Auch wird dadurch die Rolle Daniels bei der Deutung der Worte in Frage gestellt. Ist das "Mene, Mene, Tekel" komplett von ihm inszeniert?

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Nitrocis (Alfia Kamalova) und Cyrus (Anke Sieloff) "kämpfen" um die Krone.

Auch in der Personen-Regie der Nitrocis wird nicht immer nachvollziehbar, welche Absicht Trebes mit ihr verfolgt. Dass sie eine besondere Beziehung zum jüdischen Propheten Daniel und damit auch zum alttestamentarischen Gott hat, kann man aus dem gesungenen Text durchaus herauslesen. Ihre Einstellung zu ihrem Sohn Belsazar bleibt allerdings bei Alfia Kamalovas Darstellung eher unklar, was weniger Kamalovas schauspielerischen Fähigkeiten als vielmehr Trebes' Personenführung angelastet werden dürfte. Bei Kamalovas übertriebener Gestik und Mimik hat man schon beinahe den Eindruck, dass sie sich den Sturz ihres Sohnes wünscht. Auch ihr Schlussduett mit Cyrus wird von Trebes gegen den Text inszeniert. Während Nitrocis davon singt, dass sie sich nach Cyrus' Sieg dem Perserkönig demütig unterwirft, versucht sie gemeinsam mit Cyrus, die Königskrone an sich zu reißen. Cyrus muss schon hart gegen sie ankämpfen, damit die Krone hinterher auf seinem und nicht auf ihrem Kopf landet. Und was macht Cyrus mit der neu gewonnenen Macht? Er verhält sich genauso wie Belsazar, ist also keineswegs der gnädige Retter, als der er im Text beschrieben wird. An dieser Stelle verlässt der Chor dann auch das Stück, tritt in schwarzen Kostümen mit Textbüchern an die Rampe und intoniert das "Amen" nahezu konzertant wie in einem richtigen Oratorium, während Nitrocis hilflos durch die Chorreihen irrt.

Für die musikalische Umsetzung hat man sich mit Christoph Spering einen Spezialisten für Barockmusik ans Haus geholt, der mit der Neuen Philharmonie Westfalen einen sauberen Händel-Klang aus dem Orchestergraben zaubert. Der Opern- und Extrachor unter der Leitung von Christian Jeub präsentiert sich nicht nur absolut homogen und stimmgewaltig in den großartigen Chorpassagen, sondern begeistert auch darstellerisch als Juden, Perser und Babylonier, wobei die Chormitglieder jedem Volk einen ganz eigenen Charakter geben, der durch die unterschiedlichen Kostüme noch unterstützt wird. Geschickt gelöst ist die Verwandlung im zweiten Teil, wenn der Chor unter den Babylonier-Kostümen die Perser-Rüstungen trägt und somit durch Ablegen der Röcke und Kappen vom Freund zum Feind des Königs wird. Mit Attilio Glaser hat man für die Titelpartie einen Tenor engagiert, der stimmlich mit strahlenden Höhen überzeugt und darstellerisch dem babylonischen König die notwendige Arroganz und Selbstgefälligkeit vermittelt. Die anderen Partien sind mit Ensemble-Mitgliedern besetzt. Alfia Kamalova begeistert mit ihrem leuchtenden Sopran als Nitrocis. Almuth Herbst stattet den Daniel mit einem warmen Mezzo aus und bewegt vor allem in ihrer Szene, in der sie die rätselhaften Worte deutet. Dong-Won Seo gefällt als Gobryas mit markantem Bass. Anke Sieloff hat als Cyrus in der Mittellage leichte Probleme, über das Orchester zu kommen, und wirkt etwas zu leise. In den Höhen und den Koloraturen zeigt sie eine große Beweglichkeit.

FAZIT

Auch wenn Sonja Trebes' Regie einige Schwächen aufweist, kann die Produktion im Großen und Ganzen musikalisch und szenisch überzeugen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph Spering

Inszenierung
Sonja Trebes

Bühne
Hyun Chu

Kostüme
Renée Listerdal

Chor
Christian Jeub

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Stephan Steinmetz

 

Opern- und Extrachor
des MiR

Statisterie des MiR

Neue Philharmonie Westfalen

Solisten

Belsazar
Attilio Glaser

Nitrocis
Alfia Kamalova

Cyrus
Anke Sieloff

Daniel
Almuth Herbst

Gobryas
Dong-Won Seo

Bote
Wolf-Rüdiger Klimm

Der Schreiber
Julius Warmuth

Persischer Gefangener
Niklaas Lengwenat

Ein Jude
Baycan Sarcan

Tenorsolo
Georg Hansen

 


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