Wien - Oper war lange das Aufwändigste, Spektakulärste, was die Unterhaltungsbranche so zu bieten hatte; seit ein paar Jahrzehnten ist das der Film. Insofern geht die Idee von Christiane Lutz, Händels Kreuzritteroper Rinaldo an einem Filmset anzusiedeln, komplett in Ordnung. Aber an einem von Hitchcock? Hitchcock: Das ist Kühle, Glätte, messerscharfe Suspense. Barockoper ist Budenzauber, Karneval, minütlich wechselnde Telenovela-Großemotion. Ob da nicht Pedro Almodóvar die bessere Wahl gewesen wäre?

Egal. Denn Lutz und ihr Team (Bühne: Christian Tabakoff, Kostüme: Natascha Maraval) ziehen die Zeitreise in die 1950er-Jahre nicht nur detailverliebt durch, sondern fackeln auch ein Feuerwerk an Tricks und Ideen ab, deren Fülle barock zu nennen sich geradezu aufdrängt. Im Orchestergräbchen wirken Rubén Dubrovsky und der Bach Consort Wien. Der fix zusammengezimmerte Best-of-Händel-Sampler Rinaldo ist ja in zwei Fassungen erhalten, Dubrovsky hat beide gemischt.

So spielt Christoph Seidl nicht nur den Regisseur, sondern singt auch als Mago ganz tief runter, Vladimir Dmitruk muss als Goffredo ebenfalls nicht falsettieren. Jake Arditti (als Bond-naher Rinaldo) darf das und tut es auch mit einer cinemascopeweiten Bandbreite der Emotionen. Dennoch: Gut, dass Daniel Craig den Bond nicht mit Kopfstimme spricht.

Die Statur von Tobias Greenhalgh (Argante) ist so kräftig wie sein Bariton, Gan-ya Ben-Gur Akselrod darf als Almirena den Hit des Abends darbringen und gefällt bei "Lascia ch'io pianga" mit sanft-reinem Sopran. Von konträrer Natur ist da natürlich ihre Rivalin Armida: Natalia Kawalek-Plewniak bietet dramatische Intensität sowie die fesselndste Gesangsleistung des Premierenabends. Begeisterung. (Stefan Ender, DER STANDARD, 6./7./8.12.2014)