Rinaldo, Hitchcocks bester Mann

FOTOPROBE 'RINALDO'
FOTOPROBE 'RINALDO'APA/GEORG HOCHMUTH
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Eine optisch erfrischende, musikalisch erfreuliche Händel-Produktion.

Und als die Spannung sich dem Siedepunkt nähert, stürzt Rinaldo dem verführerischen weiblichen Trug-/Traumbild durchs offene Zugfenster nach. Schnitt, Werbung. Nein, natürlich nicht Werbung, wir sind ja nicht im Fernsehen, sondern in der Wiener Kammeroper, also: Schnitt, Pause. Aber ein gelungener Cliffhanger ist es allemal.

Rinaldo? Zugfenster? Allerdings, denn Regisseurin Christiane Lutz hat einen so originellen wie schlüssigen Ausweg gefunden, um die Sänger nicht bei dem frühen Meisterwerk von Alfred Händel, pardon, Georg Friedrich Hitchcock in Ritterrüstungen herumstapfen lassen zu müssen. Lutz hat die Handlung mit drei Kokons umhüllt: Erstens kämpft und liebt sich dieser Rinaldo nicht durch die mittelalterliche Levante, sondern zunächst durch das London der 1950er-Jahre (um dann doch irgendwo in einem nahöstlichen Ölstaat zu landen), zweitens ist das Ganze sowieso nur ein Film, und drittens inszeniert sie das Drama auch noch schreiend komisch. Diese dreifache Distanzierung klingt nach einer völligen Überfrachtung, doch auf der Bühne funktioniert das bestens, dafür sorgen Slapstickeinlagen ebenso wie ein Füllhorn von Hitchcock-Zitaten. Der Meister tritt natürlich auch selbst in Erscheinung, wenn auch wohldosiert; Lutz ist weniger verliebt in ihren Einfall als Kollegin Lotte de Beer in den ihrigen bei den „Perlenfischern“ kürzlich im Theater an der Wien, das tut der Wirkung ihres Konzeptes nur gut. Noch ein Schuss James Bond hier, ein wenig Eifersüchteleien unter Schauspielern da, fertig ist die Thrillerkomödie, die Christian Tabakoff mit effektsicher gesetzten Projektionen in Szene setzt.

Das „Junge Ensemble“ glänzt

Das wäre freilich alles vergebens, fiele nicht auch die musikalische Seite höchst erfreulich aus. Ruben Dubrofsky am Pult des Bach Consort Wien nimmt zügige Tempi und erkauft sich den Schwung anfangs mit einigen Unsicherheiten bei den Streichern, doch das mag sich legen. Was sich hoffentlich nicht legt, ist der passgenaue Gestus, den er jeder einzelnen Arie anmisst, vom schmerzlichen „Cara Sposa“ bis zum aggressiven „Furie terribili“. Händel und Dubrovsky, da haben sich zwei gefunden!

Auch gesungen wird durch die Bank sehr erfreulich, und zwar bis auf den (stimmlich) voluminösen Countertenor Jake Arditti in der Titelrolle von Hauskräften, dem „Jungen Ensemble des Theaters an der Wien“, allen voran Gan-ya Ben-Gur Axelrod, die der Almirena einen betörend hellen und klaren Sopran leiht. Tobias Greenhalgh ist ein stimmgewaltiger, wenn auch noch nicht über Gebühr differenzierender Argante, Natalia Kawalek-Plewniak als Armida vokal wie darstellerisch eine Naturgewalt. Christoph Seidl (Mago) und Vladimir Dmitruk (Goffredo) füllen ihre Rollen tadellos aus und tun das Ihre, dass man einen kurzweiligen Abend lang prächtig unterhalten wird. Soll einem etwas Schlimmeres im Theater passieren!

Termine: 6., 10., 12., 16., 21., 22., 28., 30.12. (19 Uhr), 14.12. (16 Uhr).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2014)

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