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Die Zauberflöte

Eine deutsche Oper in zwei Aufzügen
Text von Emanuel Schikaneder
Musik von Wolfgang A. Mozart


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Übernahme einer Produktion der Opéra National du Rhin Strasbourg (Koproduktion mit der Opéra de Nice)
Premiere in der Oper am Dom am 6. Dezember 2014


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Umständliche Versöhnung von Wissenschaft und Natur

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Gerade einmal vier Jahre ist es her, da gab es die letzte Neuinszenierung der Zauberflöte in Köln. Na ja, so wirklich prickelnd war René Zisterers Regieversuch in der Aula der Kölner Universität seinerzeit nicht (siehe unsere Rezension), aber gar so schnell die nächste Neuproduktion anzusetzen, das zeugt nicht unbedingt von fantasievoller Spielplangestaltung. Zumal keine „eigene“ Produktion gezeigt wird, sondern eine Übernahme der Oper aus dem französischen Strasbourg (die auch schon nach Graz exportiert wurde und auch noch in Nizza gezeigt wird). Europäische Schieberware sozusagen. Exporttauglich ist das aber nur bedingt.

Szenenfoto

In merkwürdiger Landschaft notgelandet: Tamino (Mirko Roschkowski)

Regisseurin Mariame Clément geht durchaus ambitioniert an das Stück heran: Einfach „nur“ unterhaltsames Familientheater zeigen, das will sie offensichtlich nicht. Sie lässt den Prinzen Tamino per Flugzeug in einer rätselhaften Landschaft notlanden, von hohen Gräsern überwucherte Ruinen offenbar, und vielleicht ist dieser mit Pistole bewaffnete Bruchpilot nicht nur aus seiner Welt, sondern auch aus der Zeit gefallen in ein anderes Universum – diverse Filme von Tarkowskis Stalker bis zu Terry Gilliams 12 Monkeys haben da gedankliche Anstöße gegeben (kann man im Programmheft nachlesen). Eine vielleicht postapokalyptische Landschaft. Leider sieht das in der Ausstattung von Julia Hansen aus wie in einer Low-Budget-Science-Fiction-Serie, die man am besten auf einem Programmplatz versteckt, wo sowieso niemand guckt. Dass der Text den ganzen Abend über nicht recht passt – sei's drum, das ist ja nicht ungewohnt. Ärgerlich freilich, wie kläglich der Auftritt der Königin der Nacht verschenkt wird (die krabbelt aus einem Erdloch hervor). Und im gesamten ersten Akt stimmt das Timing nicht, als ob das viel zu wenig geprobt worden sei – dass Dirigent Will Humburg das Duett „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ andirigiert, bevor Papageno mit seinem Text fertig ist, mag man als Panne verbuchen, ist aber symptomatisch für die ziemlich holprigen Abläufe.

Szenenfoto

Mordspläne im Weisheitstempel: Pamina (Claudia Rohrbach) und die Königin der Nacht (Anna Siminska)

Ärgerlich auch, das Mozart und sein Librettist Schikaneder bereits im ersten Akt die Pforten von Sarastros Weisheitstempel zeigen, denn das Regieteam möchte antagonistisch den ersten Akt in einem Außenraum, den zweiten im Innenraum spielen lassen – und so werden kurzerhand drei Türen vom Schnürboden herab gelassen, eine eher unbeholfene Idee, um den Regieansatz zu retten. Einmal mehr muss das Programmheft nachhelfen, wo die Regie unklar bleibt: Die Königin der Nacht verkörpert die „rohe“ Natur (aha: Außenraum!), Sarastro und seine Anhänger sind Naturforscher, die die Natur bändigen und in Schaukästen einpferchen (Innenraum!). Der Weisheitstempel ist eine Art Bunker der Wissenschaft. Hier ist der Ausstatterin ein durchaus beeindruckender Raum gelungen, und nicht unbedingt spannend, aber entlang bewährter Bahnen wird die Oper leidlich unterhaltsam abgespult - nach dem ziemlich verkorksten und humorfreien ersten Akt rettet die Konvention im zweiten den Abend. Vielleicht war ja bei der Strasbourger Premiere manches pointierter, aber (von ein paar ganz hübschen Überraschungsmomenten abgesehen) läuft es nach der Pause so ab, wie man es kennt. Wenn Papageno, in Mariame Cléments Konzept eine eigentlich überflüssige Figur, sich erhängen will, schwebt sogar der passende Baum dazu ein.

Szenenfoto

"Pa-, Pa-, Pa- ...": Papagena (Aoife Miskelly) und Papageno (Wolfgang Schwaiger)

Die Regie, so kann man es im Programmheft nachlesen, möchte falsche Eindeutigkeiten vermeiden – Gut und Böse sind in der Zauberflöte nicht so eindeutig, wie es scheint, und da hat die Regisseurin natürlich Recht – und ein Problem: Das ist mit seinen vielen „Vielleichts“ leichter im Interview gesagt als auf der Bühne inszeniert. Im Finale ignoriert die Regie das hohe Paar Tamino und Pamina (da schauen wir ihnen drei Stunden bei allerlei absurden Prüfungen zu, und dann sind sie einfach weg), statt dessen küsst Sarastro die Königin der Nacht. Die Versöhnung von Naturwissenschaft und Natur, wodurch der zuvor blinde Sarastro auch gleich sehend wird. Schön gedacht, aber nicht durch die Inszenierung auch nur annähernd vorbereitet. So scheitert diese Zauberflöte daran, dass die Ideen der Regisseurin auf dem Papier weitaus besser funktionieren als auf der Bühne. Und wenn Feuer- und Wasserprobe per Video Explosionen und Tsunami zeigen (und sich das Bühnenpersonal entsetzt abwendet), dann misst sich diese Inszenierung unfreiwillig mit dem Essener Idomeneo, bei dem eine Woche zuvor der dortige Regisseur Francisco Negrin ungleich eindringlicher und überzeugender mit ähnlichen Assoziationen gearbeitet hat.

Szenenfoto

Diesen Kuss der ganzen Welt: Sarastro (Mika Kares) und die Königin der Nacht (Anna Siminska) bei der finalen Versöhnung

Durchwachsen ist die musikalische Seite der Aufführung. Dirigent Will Humburg hat sicher bessere Tage gehabt als diesen. Wie gewohnt hat er akribisch im Detail gearbeitet, hebt viele schöne Nuancen hervor. Das Klangbild ist im Wesentlichen das, was man bei einem klassisch-romantischen Symphonieorchester erwartet, und das Gürzenich-Orchester spielt sehr schön und zuverlässig. (Dabei hat die Kölner Oper mit dem Dirigenten Konrad Junghänel, etwa in der Entführung aus dem Serail oder La Clemenza di Tito ambitionierte Vorstöße in Richtung „historischer“ Aufführungspraxis unternommen.) Klangschön ist das allemal; was irritiert, sind die eigenwilligen, mitunter manieriert wirkenden Tempi Humburgs – insbesondere dann, wenn er innerhalb einer Arie das Tempo wechselt. Oft hat man den Eindruck, dass den Solisten eben dieses Tempo nicht ganz klar ist, und das führt zu einer Reihe von Unsicherheiten. Natürlich kann man, auch bei strophisch angelegten Nummern (und davon gibt es in der Zauberflöte ja einige) den Gestus ändern - aber das muss dann auch funktionieren, sonst wird's holprig. Bei dieser Premiere funktioniert vieles noch nicht so richtig.

So richtig überzeugend singt Mirko Roschkowski als hell timbrierter, strahlkräftiger Tamino, und mit kleinen Abstrichen auch Wolfgang Schwaiger als sehr jugendlicher, stimmlich schlanker Papageno – und auch die drei Knaben (Tizian Geyer, Yorick Ebert und Fynn Köhler sind Solisten des Knabenchores der Dortmunder Chorakademie) und Oliver Zwarg als intelligent phrasierender Sprecher gehören sicher auch auf die Haben-Seite der Produktion. Claudia Rohrbach ist eine solide Pamina (ohne die entrückt lyrische Leichtigkeit der Stimme, mit der Moica Erdmann vor vier Jahren in der gleichen Partie beeindruckte). Mika Kares ist ein sehr sonorer Sarastro von eher altväterlichem Stimmgestus, was ja nicht ganz falsch wäre, würde er nicht manche Phrasen seiner Arien geradezu abenteuerlich verschleppen – da ist auch der beste Dirigent chancenlos. Anna Siminska singt hübsch die Koloraturen der Königin der Nacht aus, patzt beim hohen f und bleibt der Partie weitgehend die Dramatik schuldig. Yitian Luan, Marta Wryk und Katrin Wundsam sind ein mittelprächtig homogenes Damenterzett, Rolf Rachbauer ein überzeugender Monostatos, John Heuzenroeder und Luke Stoker akzeptable Geharnischte und Priester.


FAZIT

Im ersten Akt szenische Verwirrung, im zweiten gediegenes Mittelmaß – wirklich glücklich macht Mariame Cléments in Strasbourg aufgekaufte Inszenierung nicht. Musikalisch mit Höhen und Tiefen. Bleibt als Gesamteindruck: Die Kölner Oper hätte sich diese Zauberflöte auch sparen können.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Will Humburg

Regie
Mariame Clément

Bühne und Kostüme
Julia Hansen

Licht
Marion Hewlett

Video
fettFilm

Chor
Andrew Ollivant


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Pamina
Claudia Rohrbach

Tamino
Mirko Roschkowski

Die Königin der Nacht
Anna Siminska

1. Dame
Yitian Luan

2. Dame
Marta Wryk

3. Dame
Katrin Wundsam

Papageno
Wolfgang Schwaiger

Papagena
Aoife Miskelly

Sarastro
Mika Kares

Sprecher
Oliver Zwarg

Monostatos
Ralf Rachbauer

1. Geharnischter/1. Priester
John Heuzenroeder

2. Geharnischter/2. Priester
Luke Stoker

Drei Knaben
Solisten des Knabenchores
der Chorakademie Dortmund



Weitere
Informationen

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