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Musiktheater
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Die Csárdásfürstin

Operette in drei Akten
Libretto von Leo Stein und Béla Jenbach
Musik von Emmerich Kálmán

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 19. Dezember 2014

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Es fährt ein Zug

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu


In den vergangenen Spielzeiten hatte man im Musiktheater im Revier Operetten nur konzertant erleben können. Intendant Michael Schulz hatte es damit begründet, dass die meistens recht krude Handlung es nahezu unmöglich mache, die Stücke so zu inszenieren, dass sowohl das Publikum in seiner Erwartungshaltung als auch das Regie-Team in seinem Aktualitätsanspruch auf seine Kosten komme. Da die Musik aber doch "so schön" sei, wollte man in Gelsenkirchen allerdings nicht vollständig darauf verzichten und hatte das konzertante Format mit teilweise recht bissigen Zwischentexten entwickelt, die der Hausherr häufig auch noch selbst vortrug. In dieser Spielzeit wagt man sich nun wieder an eine szenische Umsetzung und hat sich mit Emmerich Kálmáns Csárdásfürstin nicht nur für ein Werk entschieden, das zu den ganz großen Repertoire-Stücken der Silbernen Operette zählt und Kálmán auch international zum Durchbruch verhalf, sondern auch mit Dietrich W. Hilsdorf einen Regisseur nach Gelsenkirchen zurückgeholt, der hier neben Tschaikowskis Pique Dame in der letzten Spielzeit auch noch mit seinem nahezu schon legendären Mozart / Da-Ponte-Zyklus aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in guter Erinnerung sein dürfte.

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Liebe im Orient-Express: Sylva Varescu (Petra Schmidt) und Edwin Fürst Lippert Weylersheim (Peter Schöne)

War Hilsdorf in seinen ersten Jahren als Regisseur noch für recht provokante Inszenierungen berüchtigt, ist er in seinen letzten Produktionen wesentlich "zahmer" geworden. So belässt er die Handlung der Operette kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, was genügend Zündstoff für eine spannende Umsetzung bietet. Der erste Akt spielt allerdings nicht in einem Budapester Theater, in dem Sylva Varescu von ihren Freunden Abschied nimmt, um zu einer Amerikatournee aufzubrechen. Stattdessen befindet sich die ganze Gesellschaft bereits im Zug, dem Orient-Express, von Budapest nach Wien. Dieter Richter hat dafür ein großes Zugabteil auf der Bühne aufgebaut, wobei die vordere Zugwand gewissermaßen als Vorhang fungiert, die einen Blick in das luxuriöse Bordrestaurant gewährt. Ein beweglicher Hintergrund und zeitweilige Motorengeräusche geben den Eindruck, dass sich dieser Zug auf der Fahrt befindet. Der schmale Gang zwischen den Tischreihen auf der rechten und linken Seite des Abteils bieten zwar relativ wenig Platz für die Sängerinnen und Sänger des Opern- und Extrachors, die als Varietébesucher und Damen des Varietés ihre verehrte Sylva nach Wien begleiten, wird allerdings vom Ensemble optimal genutzt, so dass selbst die ausgelassene Polonaise durch das Zugabteil keineswegs gedrängt wirkt.

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Graf Boni (E. Mark Murphy) und die "Mädis vom Chantant" (Tanzensemble)

Dass sich unter den acht "Mädis vom Chantant" auch zwei Männer befinden, stört nicht weiter, auch wenn man bei E. Mark Murphys Tanzeinlage als Lebemann Boni unweigerlich an den Conférencier aus dem Musical Cabaret denken muss. Für die Choreographie ist der langjährige Ballettdirektor Bernd Schindowski ans Haus zurückgekehrt. Wieso er allerdings nicht mit dem Ballettensemble des MiR arbeitet, sondern Gasttänzer verpflichtet worden sind, bleibt unklar, zumal die Einsätze bei den Tanzeinlagen häufig nicht synchron sind und wenig professionell wirken. Schon während der Ouvertüre wirken die Bewegungen der einzelnen Tänzerinnen und Tänzer nicht sauber aufeinander abgestimmt, auch wenn die Idee bereits hier einen Tänzer mit einer Totenkopfmaske auftreten zu lassen, um anzudeuten, dass die Gesellschaft einer Katastrophe entgegensteuert, nicht schlecht ist. Beim Walzer im zweiten Akt machen der Chor und die Solisten eigentlich allesamt eine bessere Figur als die Tänzerinnen und Tänzer, zumal es hier schon beinahe albern wirkt, die Frauen zusammen tanzen zu lassen. Als gelungen hingegen kann der Moment im Zug betrachtet werden, wenn Edwin Sylva zu romantischen Klängen seine Liebe gesteht und am Fenster die Tänzerinnen in kitschigen weißen Tutus wie aus Schwanensee vorbeiziehen. Auch hier wird die Totenmaske aus der Ouvertüre wieder aufgegriffen.

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Edwin (Peter Schöne) soll seine Cousine Stasi (Dorin Rahardja) heiraten.

Der zweite Akt spielt dann in einem großen Saal vor der Wiener Bahnhofshalle, wo Edwins Eltern eigentlich seine Verlobung mit seiner Cousine, der Comtesse Anastasia zu Eggenberg, genannt Stasi, bekannt geben wollen. Über einer riesigen hölzernen Drehtür prangt die Devise, dass das Leben zwar kurz sei, die Kunst aber für die Ewigkeit bestehe. Im Hintergrund sieht man auf einem großen Prospekt die Bahnhofshalle, in der man am Ende des ersten Aktes angekommen ist. Der dritte Akt findet dann am Bahnsteig statt. Das Zugabteil aus dem ersten Akt ist nun mit radikalen Sprüchen beschmiert, und die Männer des Chors tragen nicht nur eine Uniform, um als Soldaten in den Krieg zu ziehen, sondern singen auch noch ein patriotisches Soldatenlied. Hilsdorf lässt in diesem Akt nicht nur einen versehrten Kriegsveteranen auftreten, der bereits die Folgen dieser Weltkatastrophe andeutet, sondern nimmt der Operette in gewissem Maße auch das Happy End. Zwar werden Edwin und Sylva nach vielen Wirrungen am Ende doch noch trotz aller Standesunterschiede ein glückliches Paar - schließlich hat sich herausgestellt, dass auch Edwins Mutter eine Vergangenheit als berüchtigte Chansonette hat -, aber Edwin bekommt am Ende seinen Einberufungsbescheid an die Front, so dass er den Zug besteigen und direkt wieder von seiner Geliebten Sylva Abschied nehmen muss. Das steht zwar so nicht im Libretto, lässt sich aber vielleicht aus den Molltönen der Musik heraushören.

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"Jai, Mamám, Bruderherz, ich kauf' mir die Welt": Feri Bácsi (Joachim G. Maaß), Sylva (Petra Schmidt) und Boni (E. Mark Murphy) (im Hintergrund: Herrenchor)

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen ist erstmals Svetoslav Borisov zu erleben, der die Musiker mit leichter Hand durch die Csárdás- und Walzer-Rhythmen führt und so für einen süffigen Orchesterklang aus dem Graben sorgt. Petra Schmidt verfügt in der Titelpartie über klare und voluminöse Höhen. In der Mittellage ist sie im Vergleich zum Orchester bisweilen etwas zu leise. Ihre Auftrittsarie "Heia, heia, in den Bergen ist mein Heimatland" präsentiert sie mit großem Pathos. Dass sie im zweiten Akt mit dunklen Haaren auftritt, um auf der Verlobungsfeier von Edwin und Stasi nicht direkt erkannt zu werden, mag noch nachvollziehbar sein. Wieso sie allerdings ein paar Stunden später im dritten Akt wieder blond ist, obwohl sie noch das gleiche Kleid aus dem zweiten Akt trägt, erschließt sich nicht. Darstellerisch überzeugt sie als willensstarke Frau, die als "Teufelsweib" im ersten Akt auch durchaus mal die Notbremse im Zug zieht, um eine feurige Tanznummer zu präsentieren. Peter Schöne begeistert als Edwin mit kräftigem Bariton und ausdrucksvollem Spiel. So nimmt man ihm in jedem Moment ab, dass ihn diese Sylva um den Verstand bringt. Da hat Dorin Rahardja als Stasi keine Chance, das Herz ihres Verlobten zu gewinnen. Rahardja legt die Figur ebenfalls als sehr willensstarke Frau an, die Edwins Ablehnung mit gewissem Trotz begegnet. Da wirkt es fast schon unglaubwürdig, dass sie sich Hals über Kopf in den windigen Boni verlieben soll.

E. Mark Murphy macht mit seinem komödiantischen Spiel den Boni zu einem Höhepunkt des Abends. Mit übertrieben komischem Akzent karikiert er diesen Lebemann, der nur an sein Vergnügen denkt und dem man nicht glaubt, dass er seiner Stasi lange die Treue halten wird. So zieht er sich auch direkt im dritten Akt, nachdem er vom Fürsten das Einverständnis für eine Vermählung mit Stasi erhalten hat, mit seiner Juliska (Patricia Pallmer mit großartiger Bühnenpräsenz) zurück. Gesanglich überzeugt er mit weichem Spieltenor vor allem im Duett mit Rahardja "Das ist die Liebe, die dumme Liebe". Joachim G. Maaß stattet den Feri Bácsi mit markantem Bass aus und macht gemeinsam mit dem Herrenchor und Murphy das berühmte Lied "Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht" zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends. Großartig umgesetzt wird auch die Nummer "Jai Mamám, Bruderherz, ich kauf' mir die Welt" im dritten Akt. Hier wird auf das große Orchester verzichtet und die Melodie nur von einer Geige, einem Kontrabass und einer Klarinette begleitet, was der Situation auf dem Bahnhof einen bittersüßen Anstrich verleiht. Auch die weiteren Partien sind gut besetzt, so dass es am Ende eines Abends, der wie ein Zuschauer am Ende bemerkte, mit den beiden Pausen fast wagnerianische Ausmaße habe, großen und lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Hilsdorfs Inszenierung dürfte nicht nur für die Silvester-Vorstellung ein Kassenschlager in Gelsenkirchen werden. Beim anschließenden Silvester-Büffet wird man sich allerdings beeilen müssen, da nach der Vorstellung nicht mehr viel Zeit bis zum Neuen Jahr sein wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Svetoslav Borisov

Inszenierung
Dietrich W. Hilsdorf

Choreographie
Bernd Schindowski

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Chor
Christian Jeub

Licht
Jürgen Rudolph

Dramaturgie
Juliane Schunke

 

Opern- und Extrachor
des MiR

Statisterie des MiR

Neue Philharmonie Westfalen

Solisten

Sylva Varescu, eine Varieté-Sängerin
Petra Schmidt

Graf Bonifaz "Boni" Kancsianu
E. Mark Murphy

Ferencz "Feri Bácsi" Ritter Kerekes
Joachim G. Maaß

Edwin Fürst Lippert Weylersheim
Peter Schöne

Komtesse Anastasia zu Eggenberg
Dorin Rahardja

Leopold Maria  Fürst Lippert Weylersheim
Wolfgang Jaroschka

Mathilda, seine Frau
Christa Platzer

Oberleutnant Eugen von Rohnsdorff
Philipp Werner

Notar Kiss
Jerzey Kwika

Mac Grave, amerikanischer Botschafter
Charles E. J. Moulton

Juliska
Patricia Pallmer

Damen des Varietés
Daniela Günther
Marine Fernandez
Sofia Klein Herrero
Carina Neumer
Julia Schukowski
Julia Torggler
*David Laera /
Valentin Juteau
Cedric Sprick

Zigeunerkapelle
*Christoph Brüggemann /
Akihiro Takeda (Violine)
*Matthias Hacker /
Vladyslav Vorobel (Kontrabass)
Tim Kieselhofer (Klarinette)

Bahnhofsdurchsage
Ileana Jakap (Budapest)
Michaela Selinger (Wien)


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Da capo al Fine

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