Tiroler Winter-Festspiele Erl

Düsterer Beethoven und heiterer Mozart

Von Franziska Stürz · 27.12.2014
Alexander Polzin inszeniert bei den Tiroler Winter-Festspielen Beethovens "Fidelio" als morbide Gesellschaftsparabel und hüllt Don Pizarros gesichtslose Soldaten in schwarze Burkas. Wesentlich farbenfroher erscheint dagegen Mozarts "Così fan tutte".
Gleich zwei Opernpremieren hintereinander präsentiert Gustav Kuhn als Dirigent, Regisseur und Intendant der Tiroler Festspiele Erl in seinem eleganten neuen Festspielhaus. Mit Mozarts "Così fan tutte" schließt er seinen selbst in Szene gesetzten Da Ponte Zyklus ab und dirigiert am folgenden Abend Beethovens "Fidelio" in der Regie von Alexander Polzin. Bindeglied beider Werke sind das Thema der "Gattenliebe" und die Frage nach der Treue. Laut Gustav Kuhn konnte Ludwig van Beethoven die "Così" nicht ausstehen. Trotzdem hat er die große Arie der Leonore ganz ähnlich angelegt, wie Mozart die der Fiordiligi.
Von einer Verwandtschaft beider Stücke war allerdings in Erl auf der Bühne nichts zu erkennen: Alexander Polzin bringt mit diesem Fidelio erstmals eine moderne, streitbare, aber spannende szenische Interpretation nach Erl, was vom Publikum prompt mit einigen Buhrufen quittiert wird. Eine morbide Gesellschaftsparabel ohne Happy End ist dieser Fidelio. Polzin mag Tücher, und er verhüllt zunächst auf der dunklen Bühne eine große Totenschädel-Skulptur, in der sich das Gefängnis befindet. Don Pizarros gesichtslose Soldaten sind in schwarze Burkas gehüllt, die leidende Bevölkerung kommt ebenfalls in Lumpen daher.
Mit jugendlichem Elan aufs Ganze gegangen
Leonore wird am Ende von dieser finsteren Gesellschaft ausgestoßen und bleibt allein. Schon zu Beginn des Stückes zitiert der Regisseur selbst aus einem Heiner Müller - Text und spricht vom Herz, das ein Ziegelstein geworden ist. Diese Ziegelsteine finden sich dann auch immer wieder auf der Bühne und haben traurige kleine Gesichter.
Co-Regisseurin Sommer Ulrickson hat einen ausdruckvollen Bewegungschor mit auf die Bühne gebracht, der die eher statisch agierenden Solisten umspielt. Aufhorchen lässt die virile Tenorstimme von George Vincent Humphrey als Florestan, wobei ansonsten die Sänger eher blass wirken- auch weil das voller Elan spielende Orchester sie häufig zudeckt.
Am Abend zuvor war bei Mozart natürlich mehr Leichtigkeit im Spiel, sowohl auf der ganz in weiß gehaltenen Bühne mit mediterranem Flair, als auch in den farbenfrohen Kostümen von Lenka Radecky. Kuhn präsentiert die Herren als coole Piloten, die zur großen Freude des Erler Publikums dann als verkleidete Tiroler zurückkehren, um ihre Damen zu prüfen. Diese machen selbst im Bikini extrem gute Figur. Herausragend singen Anna Princeva die Fiordiligi und Sophie Gordeladze die Despina. Ihr Auftritt als Conchita Wurst im Schwesternkleidchen ist ein weiteres Highlight zum Schmunzeln in Gustav Kuhns lockerer und natürlicher Personenregie.
Mit vier stunden hat dieser Mozartabend dann zwar auch einige Längen, aber es wurde eben die ungestrichene Fassung gegeben. Bequemlichkeit gehört definitiv nicht zu den Eigenschaften des Personals der Tiroler Festspiele. Hier geht man mit jugendlichem Elan aufs Ganze, und diese beiden Opernpremieren zeigen einen erfreulichen Bruch mit den Passionsfestspiel-Konventionen und die Suche nach neuen theatralischen Wegen. So wagt man zu hoffen, dass in Zukunft auch in Erl zeitgenössischer Interpretation Raum gegeben wird.
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