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"Viva la Mamma": Die resolute Eislaufmutti Agata (Martin Winkler, li.) als Widersacherin der Primadonna Corilla (Julia Koci).

Foto: APA / Barbara Pálffy

Wien - An und für sich wäre das ja ein ziemlich lustiges Stück. In seiner 1827 in Neapel uraufgeführten Oper Le convenienze ed inconvenienze teatrali - das Libretto basiert auf zwei Einaktern von Antonio Sografi - macht sich Gaetano Donizetti über den Opernbetrieb mit all seinen Eifersüchteleien, Intrigen und Kollisionen der Egos lustig. Mit etwas weniger philosophischer Finesse vielleicht, wie dies Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss 85 Jahre später in ihrer Ariadne auf Naxos gelingen sollte, doch mit der gleichen umfassenden Kenntnis des Metiers: Da leisten sich die Sopranistinnen auch bei den Proben divaeske Auf- und Abtritte, Sänger ringen um Einfluss und Partien, der Regisseur reibt sich mit dem Dirigenten. Und natürlich hält jeder sich selbst für den absolut Wichtigsten, Größten und Unverzichtbarsten in dieser Unternehmung.

Begrüßenswert ist auch die Entscheidung der Volksoper, das nördlich der Alpen unter dem Titel Viva la Mamma aufgeführte Werk auf Deutsch zu spielen - lebt es doch von seinem Wortwitz. Doch die vor etlichen Jahrzehnten von Horst Georges und Karlheinz Gutheim vorgenommene Bearbeitung hat schon etwas Staub angesetzt, auch gehen etliche Lustigkeiten des Originals verloren. Und auch die nun vorgenommene Adaption von Alexander Kuchinka bleibt in halbherziger Hiesig- und Heutigkeit stecken - so wie die komplette Inszenierung von Rolando Villazón und seinem Team.

Man sieht nun also im ersten Akt eine österreichische Provinztheatertruppe bei der Probenarbeit zur tragischen italienischen Oper Romulus und Ersilia. Der Regisseur (Marco Di Sapia) ist Hugo-Egon-Balder-dünn, raucht und schwafelt ständig von seinem "Konzept" , der Dirigent (Günter Haumer) stellt im schwarzen Seidenhemd und unter einer fluffigen Föhnfrisur Feingeistigkeit dar, der Theaterdirektor (Andreas Mitschke) ist ein grauer Anzugmensch.

Die Primadonna Corilla (Anja-Nina Bahrmann) markiert mit einer ersten Arie schon mal ihr Revier, doch dann kommt auch schon ihre Widersacherin ins komödiantische Spiel: Agata (Martin Winkler), die resolute Eislaufmutti der Zweiten Sopranistin Luisa (Julia Koci), die ihre Tochter mit allen Mitteln in die erste Reihe boxen will. Weitere Protagonisten: der weitgehend intelligenzfreie Erste Tenor Vladimir (Jörg Schneider) und Corillas ehemännlicher Knecht Stefano (Daniel Ochoa).

Überdrehte Knallcharge

Im Orchestergraben bieten das Volksopernorchester und die junge Dirigentin Kristiina Poska konventionelle Kost, Bahrmann und Schneider garnieren diese ganz wundervoll mit dramatischem bzw. lyrischem Gesang. Koci reüssiert mit konzentrierter Innigkeit im Fach der Spröden, Ochoa gibt den Stefano als überdrehte Knallcharge, Winkler zieht als Agate im Dirndl samt oranger Dauerwelle alle Register seines komödiantischen Könnens und überwältigt weiters mit mächtigem Bariton.

Villazón verliert sich etwas in inflationärer Pointenschleuderei und Gagfabrikation am laufenden Band; wirklich witzig, weil überraschend, ist allerdings nur die Knutschszene zwischen dem Modisten und dem Keyboarder. Und die Putzfrau samt Wagerl und professionell demotiviertem Schlurfschritt. Das dominierende Grau der Probebühne (Bühnenbild: Friedrich Despalmes) liegt im ersten Akt jedoch wie Blei über allem Klamauk und Getriebe. Dialoge und Kostüme (Susanne Hubrich) atmen die Ästhetik der Achtzigerjahre, und sie atmen schwer daran.

Duett mit R2-D2

Im zweiten Akt wird dann alles so schlimm, dass man beginnt, körperlich zu leiden. Nach dem Regiekonzept von Rolando Villazón lautet jenes des Romulus und Ersilia-Regisseurs nämlich: Star Wars. Bald duettiert die Primadonna also mit R2-D2, der Chor macht in grotesken Plastikuniformen auf Stormtrooper, und Fellwesen Chewbacca tanzt im rosa Tutu. Die Ballettchoreographie von Vesna Orlic vermixt Ägyptisches, Alpenländisches und Partykellerhampeleien zu einem gefährlichen, aber gerade noch bekömmlichen Trashtanz-Cocktail.

Susanne Hubrichs Kostüme grenzen jedoch an Gesundheitsgefährdung: Verglichen mit dem, was die Deutsche hier an Textilem auffährt, ist eine Revue im Berliner Friedrichstadtpalast ein müdefarbenes Modedefilee à la Armani. Wer diesen zweiten Akt gesehen hat, wird die Bilder nie mehr aus seinem Gedächtnis bannen können, denn er hat das absolute Grauen geschaut. Und er weiß nun: Die höchste Form allen Grauens ist bunt.

Trash ist toll, aber diese Inszenierung ist der Beweis dafür, dass es auch für schlechten Geschmack Talent braucht. Wann wird man die Uniformen der Choristen wohl beim Flohmarkt der Volksoper sehen und sie dort nicht einmal für 10 Euro kaufen wollen: schon 2017 oder doch erst 2018?

Braver Beifall für die Musiker, gemischte Reaktionen für das Regieteam. Und das Fazit: Das ist keine Opernproduktion, sondern ein Verbrechen. (Stefan Ender, DER STANDARD, 19.1.2015)