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Kissenschlacht im Bett

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Will Humburg dirigierte im Staatstheater Wiesbaden die Premiere von Vincenzo Bellinis Oper „Norma“ und brachte Drive in eine sonst enttäuschende Produktion.

Seit Spielzeitbeginn ist Will Humburg Generalmusikdirektor in Darmstadt. Am Staatstheater Wiesbaden wertete er nun die szenisch belanglose und auch vokal enttäuschende Neuproduktion von Vincenzo Bellinis Oper „Norma“ auf.

Der 1831 an der Mailänder Scala uraufgeführte Belcanto-Klassiker mit seiner Dreiecksgeschichte zwischen der gallischen Oberpriesterin Norma, der Novizin Adalgisa und Pollione, dem römischen Prokonsul und Heerführer im besetzten Gallien, packte in der Wiesbadener Premiere nämlich am ehesten durch Humburgs Bemühen um eine dramatisch erhitzte Orchesterbegleitung. Einzelne instrumentale Unsauberkeiten störten trotzdem das Ohr, ebenso manche Missverständnisse mit dem schlecht präparierten und grobkörnig klingenden Chor. Gabriele Rechs Neuinszenierung in der Ausstattung von Susanne Füller und Matthias Schaller ist banal: Im Bühnenhintergrund steht ein gallischer Wald, davor sehen wir ein erst geschlossenes, später offenes modernes Atelier, das die Sekt schlürfende und offenbar ganz von der römischen Dekadenz angesteckte Priesterin Norma bewohnt. Vater ihrer beiden Kinder ist, was Geheimnis bleibt, Pollione, einer der Römer, die als waffenstarrende Machos ebenso schematisch gezeichnet sind wie Norma und ihre Rivalin Adalgisa. Mit Neckereien wie einer Kissenschlacht im Familienbett beschränkt sich das Szenische viel zu sehr aufs Dekorative.

Fehlbesetzungen

Wenn denn wenigstens stilsicher gesungen würde. Denn die von Überforderungen und Fehlbesetzungen geprägte vokale Seite war das eigentliche Manko dieser Premiere. In der Titelpartie der Norma bietet Erika Sunnegårdh noch eine der zuverlässigeren Leistungen, auch wenn ihr Sopran weder leicht noch organisch durch die Register geführt wird. Viel Presskraft ist da in den Höhen im Spiel, viel Sprödigkeit in der Tiefe. Ihr berühmtes „Casta Diva“ klingt zwar sauber, aber kalt. Große, für den Belcanto-Gesang nicht akzeptable Intonationsunsicherheiten prägen Anna Lapkovskajas Adalgisa, Scott Piper lässt die Qualitäten eines lyrischen Tenors vermissen, die seine Partie des Pollione verlangt: Baritonal robust und fast immer zu laut attackiert er die Töne.

In ihren Konfliktszenen greifen alle drei Protagonisten mehr zum vokalen Degen als zum belcantistischen Florett. Schöngesang? Fehlanzeige. Schade: Mit dieser Produktion ist Wiesbadens Intendant Uwe Eric Laufenberg am selbstgesteckten Ziel gescheitert, Oper vokal eher mit Gast-Einladungen als mit einem stabilen Ensembleneuaufbau gesanglich aufzuwerten. Zumal auch Young Doo Park als brustig tönender Oroveso, Normas Vater, und sogar die unscharf flackernde, kleine Stimme von Stella An als ihr Hausmädchen Clotilde den Anforderungen nicht gerecht werden.

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