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Mozarts „Le Nozze di Figaro“ am Goetheplatz Oper für Fortgeschrittene

Das Premierenpublikum hat sich mit der neuen Produktion von „Le Nozze di Figaro“ schwer getan. Bemerkenswert ist jedoch die herausragende Körpersprache des Sängerensembles.
02.02.2015, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Markus Wilks

Täuscht der Eindruck oder hat sich das zurückhaltend bewertende Premierenpublikum schwer damit getan, die neue Produktion von „Le Nozze di Figaro“ zu beurteilen? Einerseits musste man notgedrungen mit einer radikalen Entschlackung von Mozarts szenischen Vorgaben leben, andererseits konnte man die herausragende Körpersprache des Sängerensembles bewundern.

Man merkt dem neuen Bremer „Figaro“ an, dass mit Felix Rothenhäusler ein Schauspielregisseur die Oper inszeniert hat. Da dürfen die Sänger zugunsten des Ausdrucks schon mal deutlicher ihre Stimme verstellen als üblich, da werden musikalische Strukturen durch szenische Vorgänge gebrochen, da geht es in der Maskerade des 4. Aktes nicht um eine glaubhafte Darstellung der Verwechslungen. Vor allem aber verzichtet Rothenhäusler auf eine lineare Erzählung der komplizierten Handlung.

Bei ihm sind grundsätzlich alle Protagonisten (mit Ausnahme von Barbarina) auf der Bühne anwesend, doch gibt es keine klassische Interaktion. Die Figuren sitzen wie in einer konzertanten Aufführung nebeneinander und dürfen Mozarts verwickeltes Intrigennetz nur in Ansätzen miteinander spielen (Bühne: Evi Bauer). Das führt zu Aufwertungen (Bartolo, Marcellina), aber auch zu Verschiebungen zulasten von Figuren (Cherubino, Graf).

Man muss schon gründlich vorbereitet sein und die Übertitel mitlesen, um zu verstehen, was auf der Bühne passiert – Oper für Fortgeschrittene. Oder man erfreut sich einfach nur an der minutiös einstudierten Gestik der am Platz gefesselten Sängerdarsteller, die außergewöhnlich gefordert waren: Beispielsweise mussten einige von ihnen zunehmenden Kontrollverlust und Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen durch minutenlange, nervöse Zuckungen oder Beinbewegungen ausdrücken – naja. Kamila Polívková hat die Kostüme im Stil von Alltagskleidung entworfen und dabei die bekannten Ingredienzien vieler „moderner“ Inszenierungen verwendet (Trainingsanzug, rosa Perücke, Kleid mit Teppichmuster etc.).

Nach der Pause machte der Regisseur es den Zuschauern leichter, denn das zunehmende Chaos der Gefühle und die abnehmende Ordnung auf der Bühne sorgten für „klassisch“ inszenierte Handlungselemente, die bisweilen mit den Methoden des absurden Theaters ausgeführt wurden. Zumindest jetzt wurde deutlich, welche ehelichen Probleme Graf und Gräfin haben und weshalb Susanna und Figaro nicht einfach heiraten können.

Die revolutionären Momente, die auch in Mozarts „Figaro“ stecken, kommen in dieser Produktion eher aus dem Orchestergraben. Obwohl die Bremer Philharmoniker in kleiner Besetzung und nie forciert spielten, brodelte und glühte es. Clemens Heil hatte die im Regelfall sehr gut spielenden Musiker perfekt auf das filigrane, oft vibratolose Spiel eingestimmt; einer von vielen Höhepunkten: die toll aufgebaute und detailliert gestaltete Hochzeitsmusik. Tadellos auch der Theaterchor (Daniel Mayr). Trotz einiger hervorragender Einzelleistungen konnte das Ensemble gesanglich nicht an die letzte Bremer „Figaro“-Produktion anknüpfen, die übrigens mit einem ähnlichen Konzept (damals Kisten, heute Stühle auf der leeren Bühne) und vergleichbaren Kostümen deutlich stärker den spielerischen und zugleich den chaotischen Charakter der Oper betonte. Mit ihrem leuchtenden, makellosen Sopran sang und spielte sich Marysol Schalit (Susanna) in den Vordergrund, ihr Bühnenpartner Christoph Heinrich (Figaro) setzte in den Rezitativen und seinem engagierten Spiel Akzente.

Patricia Andress (Gräfin) musste – das ist sicher nicht leicht – 45 Minuten lang fast regungslos auf ihrem Stuhl sitzen, bis sie mit ihrer schwierigen Arie beginnen konnte. Nach einigen Momenten des Einsingens fand sie das gewohnt hohe Niveau, auch wenn ihr Sopran für Mozarts Lyrik eine Spur zu unruhig sein mag. Den Grafen sang Gustavo Feulien mit einem edel klingenden, eher leichtgewichtigen Bariton, der weniger Autorität und Ausdruck besitzt als man es von dieser Rolle her gewohnt ist.

Spielfreudig und mit sehr klangvoller, im Detail (noch) nicht perfekt abgerundeter Stimme: Silvia Hauer als Cherubino. Marcellina und Bartolo (Figaros Eltern) mit den jungen Sängern Nathalie Mittelbach und Patrick Zielke zu besetzen, lässt sich dramaturgisch natürlich nicht begründen, doch kam deren Präsenz (gesanglich und szenisch) der Aufführung zugute, so wie sich Christian-Andreas Engelhardt (Basilio, Curzio), Nerita Pokvytyte (eine stimmstarke Barbarina) und Daniel Wynarski (Gärtner) in das Ensemble interessanter Typen einreihten. Der Lohn: viele Bravorufe für die Sänger und Kapellmeister Clemens Heil.

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