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Oper Klassiker mit grellem Anstrich

Horst Hollmann

Bremen - Das Neue ist meistens aus Teilen des Alten zusammengeschraubt. Neu an Felix Rothenhäuslers Inszenierung von „Le nozze di Figaro“ am Bremer Theater ist eine körperliche Nähe der Personen, die er drastisch vor Mozarts Weite der Musik setzt. Man muss als Regisseur dazu wohl im Schauspiel wurzeln, um eine der am schwierigsten zu visualisierenden Opern derart in Szene zu setzen.

Ungeordnete Gefühle

Das Überraschende ist, dass Rothenhäusler Vielschichtigkeiten zwar radikal verengt, das Stück aber in Struktur und Form mit der Musik austariert bleibt. Die Personen agieren dicht an dicht fast nur in einer Sitzreihe an der Rampe. Die kosmische Weite der Musik reicht jedoch bis in die Ewigkeiten der auf die Rückwand projizierten Sternenwelt.

Fokussiert hat der Regisseur den Blick strikt auf das Triebleben der fürstlichen und bürgerlichen Charaktere. Bis zur Liebe dringt er nicht vor. Am wenigsten hat Cherubino sich unter Kontrolle. Der Page im pubertären Alter wippt schon während der Ouvertüre aufgereizt auf seinem Sitzball. Als einziger ist ihm kein fester Sitz zugewiesen, er sucht seinen Platz im Leben noch. Alle anderen platzieren sich in Reih und Glied auf Stühlen. Diese gesellschaftliche Einteilung hat natürlich keinen Bestand. Geordnete Welt und ungeordnete Gefühle fliegen zur Nacht der Wahrheit auseinander wie das Universum.

In Sachen Mimik und Haltung verlangt Rothenhäusler den Sängern einiges ab. Wenn die Musik Tempi und Verzögerungen bestimmt, muss der Ausdruck lange im Ritardando verharren. Bartolo im Trainingsanzug schaut also ausdauernd finster wie ein Gewichtheber drein, dem die Hantel mal wieder in den Nacken gekracht ist. Der Gärtner starrt so intensiv seine Tulpe an, bis aus dieser Zuneigung ein erotisches Verhältnis geworden ist. Auch die Zuckungen von Figaros Wadenmuskeln verlangen Kondition.

Neue Paare

Doch das Zerren an den Geflechten legt die Charaktere und ihre existenziellen Abhängigkeiten offen. Almaviva ist kein alternder Graf, eher ein Jungchef. Einfacherweise trägt er ein leicht zu öffnendes Nahkampfgewand. Da sitzt der gestärkte Petticoat der ihn sexuell langweilenden Gräfin unpraktischer. Der grelle Anstrich der alten Komödie führt den neuen Bremer „Figaro“ zur Opera Buffa. Über alle subversive Brillanz hinaus mangelt es ihm etwas an poetischer Dichte und Vertiefung der Tragik.

Die Regie unterläuft keineswegs die Vielschichtigkeit der Musik. Clemens Heil schattiert mit den engagiert beteiligten Bremer Philharmonikern äußerst sensibel jede Nuance zwischen erotischen Leichtsinnigkeiten und todernsten Gefühlsgewalten ab. Dabei legt er den nervösen Nerv der Musik frei und hält den überwölbenden Spannungsbogen im Griff.

Marysol Schalit ist mit klarem Sopran eine empfindsam gestaltende Susanna. Christoph Heinrichs Figaro scheut keine ernsten und zagenden Untertöne. Gustavo Feulien singt den Grafen recht geschmeidig. Die Contessa hat mit ihren beiden tieftraurigen Arien im Allgemeinen sowieso das Publikum auf ihrer Seite, Patricia Andress das Bremer im Besonderen. Silvia Hauer singt den Cherubin lebhaft schön und durchaus raffiniert.

Drei neue Paare und ein Paar, das es neu versuchen könnte, verkünden in wieder geordneter Reihe die Moral von der Geschichte: Die menschliche Natur treibt unkontrollierbaren Schabernack – aber man muss unter Menschen vergeben können. Das Publikum nimmt es sehr beifällig auf. Und es ahnt: Auch die neue Ordnung wird nicht halten.

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