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Die "Götterdämmerungs"-Attacke zielt seltsam ins Leere

Im neuen Linzer Musiktheater wurde Wagners "Ring des Nibelungen" vollendet: ein Prestigeprojekt mit Tücken.

Die "Götterdämmerungs"-Attacke zielt seltsam ins Leere
Die "Götterdämmerungs"-Attacke zielt seltsam ins Leere


Das Liebespaar am Walkürenfelsen lebt todschick. Brünnhilde und Siegfried bewohnen ein Designerloft mit selbst entflammbarer Feuerstelle. Die Gibichungen unten am Rhein haben es da in Gisbert Jäkels Bühnenbild für diese Linzer "Götterdämmerung" zwar geräumiger, aber die leere, leicht altdeutsch dunkel gerahmte und getäfelte Halle kann wohl nur böse Gedanken gebären. Keine Wärme, nirgends.

Sie steigt auch nicht aus dem Orchestergraben, wo Dennis Russell Davies am Pult des Bruckner-Orchesters für erfreulich detailreiche strukturelle Klarheit mehr sorgt als für hitzige Wagner-Gefechte der dramatischen Art. Dabei hat es die Liebes-, Hass-, Verrats- und (Meuchel-)Mordgeschichte durchaus in sich, um einen festen, sozusagen handgreiflichen Zugriff zu vertragen. Sogar ein Chor sorgt für kräftigende Farben.

Seltsam, dass dem im Inszenierungsglück dieser Linzer Tetralogie ohnedies ziemlich schwankenden Regisseur Uwe Eric Laufenberg so wenig (um nicht zu sagen: eine solche gedankliche und gestalterische Leere) eingefallen ist. Der hauptamtlich als Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden beschäftigte - und sich dort selbst mit Inszenierungen oft beschäftigende - Künstler wird 2016 in Bayreuth anstelle des geschassten Jonathan Meese "Parsifal" inszenieren; das Konzept war offenbar superschnell zur Hand, so wie Laufenberg ja seinerzeit auch in Linz, etwas langfristiger, für einen Kollegen eingesprungen ist, um das Prestigeprojekt des neu eröffneten Musiktheaters zu betreuen.

Jetzt liegt das Gesamtergebnis vor und man kennt sich eigentlich nicht richtig aus, was das werden sollte und was das letztlich ward. Wie ein Patchwork wirkt auch diese "Götterdämmerung": zwischen Steh- und Rampentheater, dumpfem Brüten und mehr oder minder bedeutungsvollem oder unheilschwangerem Geschreite, braven Arrangements (die Chorsymmetrie macht Karajan selig noch alle Ehre) und zeitmodischen Accessoires wie Tablets oder Maschinengewehren, die dann Hagens germanischer Speer anachronistisch befehligt. Unverzichtbar sind offenbar Videoprojektionen, die hier aber nicht nur in den finalen Bildern der Weltzerstörungsorgie von erschreckender Banalität - und wackeliger Qualität - sind.

Alles passt irgendwie und doch nicht wirklich. Selbst der minutenkurze Beischlaf des Verräters am Ende des 1. Aufzugs provoziert heute nicht einmal mehr Wagnerianer. Diese halten sich für gewöhnlich ohnehin immer am Gesang schadlos. Und der ist in Linz, was die Männer betrifft, durchaus ansehnlich. Albert Pesendorfer als Hagen ist, obwohl als indisponiert angesagt, eine imposante Figur, kein nachtschwarzer Fiesling, sondern ein kalkuliert durchtriebener Schurke mit famos flexibler Bassgewalt und substanzsatter Ausstrahlung. Seho Chang liefert als schwächlicher Halbbruder Gunther eine ordentliche Charakterstudie, Lars Cleveman als Siegfried unterfüttert den heldentenoralen Anspruch mit wendiger Deklamation und sympathisch aufgehelltem Timbre. Bjorn Waag als Alberich nutzt seinen somnambulen Auftritt baritonal profiliert.

Bei den Damen liegen die Dinge prekärer. Elena Nebera als Brünnhilde müht sich, bei schneidenden Spitzentönen, mit gurgelnder Artikulation, man versteht kein Wort im artifiziell abgedunkelten Gewaber ihrer zudem recht vibratoschwankenden Stimme. Sonja Gorniks Gutrune hat demgegenüber schöne, gut belichtete Momente. Bernadett Fodor wirft beachtliches Vokalgewicht in die große Erzählung der Waltraute, die Nornen und Rheintöchter - Animierdamen in der Unterweltbar "Zum Rheingold" - passen gut zueinander. Auch sie können aber manche Erschöpfung, die sich immer bleierner auf den Abend legt, nicht verhindern. Der Linzer "Ring": geschafft, gestemmt - mehr nicht.

Oper: "Götterdämmerung". Musiktheater Linz, Aufführungen bis 17. Mai.

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