Wem könnte Jacques Offenbachs Operettenklassiker "Pariser Leben" heutzutage noch gefallen? Wer nicht zu den Liebhabern alter Gunther-Philipp-Filme im Sonntagnachmittagsprogramm gehört, dürfte sich schwertun. Auch wenn sich Regisseur Michiel Dijkema für die gestrige Premiere in der Wiener Volksoper redlich Mühe gegeben hat, bleibt das Stück schlicht altbacken.

Zu sehr erschöpft sich das Sujet im Altherrenhumor von dauergeilen, tollpatschigen Männern und frivolen Frauen im ach so lockeren Paris. Wenn ganze Arien aus Refrains wie "Wos homma gsoffn?" oder "Die Montur hat hinten unten so ein Loch" bestehen, oder Lebensweisheiten wie "Ein schöner Brauch im alten Schweden ist's, beim Saufen viel zu reden und dabei zu verbleden" zum Besten gegeben werden, ist eigentlich alles gesagt. Da ist das abschließende "Piffpaff" im letzten Chorstück schon eine intellektuelle Abwechslung.

Verstaubt

War "La Vie Parisienne" 1866 noch ein amouröser Aufreger mit ungewohnt zeitgenössischem Sujet, wirkt das Werk heute verstaubt. Alkohol- und Sexwitzchen auf Pubertierendenniveau dominieren auch weite Strecken der Dialoge (Pars pro toto: "Ich hätte gerne Ham and Eggs von vier Eiern - Aber Schätzele, zwei genügen doch!"). Wenigstens werden keine Pupsscherze gemacht.

Dabei gelingen dem Niederländer Dijkema, der mit "Pariser Leben" ebenso wie Dirigent Sebastien Rouland sein Volksoperndebüt feierte, partiell immer wieder charmante Einsprengsel, wenn etwa Chris Lohner die Durchsagen am Gare du Nord macht, ein Kostümwagen mal mit der Aufschrift "Theatre sur la Seine" im Hausdesign des Theaters an der Wien oder im Volksopernlook unter der Flagge "Opera du Peuple" über die Bühne fährt oder der Rotlichtbezirk als Hauptspielort mit der Aufschrift "Banlieu dangereuse" angekündigt wird. Auch die Idee, Schaufensterpuppen als Tanzcompagnie unvermittelt zum Leben erwachen zu lassen, fällt in diese Kategorie. Meist bleibt die Inszenierung jedoch mit flott eingesetzter Drehbühne ebenso nah am schnellen Duktus des Stücks wie konventionell in ihrem Kern.

Das riesige Ensemble kämpft sich dabei in einer wahren Kostümorgie wacker von einer Partyszene zur nächsten Cancan-Nummer und wieder zurück. Daniel Prohaska schwächelt als jugendlicher Liebhaber, der sich auf die Jagd nach der schwedischen Baronin von Gondermark macht, in den tenoraleren Passagen seiner Partie, bleibt ansonsten aber solide. Caroline Melzer überzeugt als Objekt seiner Begierde stimmlich vorbehaltlos. Als ihr ebenfalls auf Freiersfüßen befindlicher Gatte gewann Kurt Schreibmayer nicht nur mit schauspielerischen Qualitäten die Herzen des Publikums, sondern auch mit seiner souveränen Reaktion, als er halb in einen Spalt der sich ungeplanterweise auseinander bewegenden Bühnenkonstruktion fiel.

Probleme beim Gesang

In jedem Falle ist Offenbachs Musik rhythmisch nicht immer leicht für Sänger zu bewältigen, was einige der Kollegen bisweilen auch vor Probleme stellte. Hinzu kommt, dass Dirigent Rouland im Graben weniger auf die etwas dünnen Streicher als die treibenden, und damit Sänger fordernden Bläser setzte.

Alles in allem ist das aktuelle "Pariser Leben" der Volksoper eine durchaus stimmige Art, die Operettenvorlage umzusetzen. Am Eindruck, dass man einem musealen Abend beiwohnt, der nach 150 Jahre aus der Zeit gefallen scheint, ändert dies jedoch nichts. Viel Leben ist im "Pariser Leben" nicht mehr.