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Bremerhaven Bremerhaven holt die „Bluthochzeit“ zurück auf die Bühne

Bremerhaven. Mit der begeistert gefeierten, deutsch gesungenen Aufführung der Oper „Bluthochzeit“ (Várnász) des ungarischen Komponisten Sandor Szokolay hat das Bremerhavener Stadttheater ein hoch interessantes, hierzulande allerdings fast nie gespieltes Werk neu ins Gespräch gebracht. Dabei schien das Stück bei seiner Uraufführung 1964 in Budapest alle Voraussetzungen für einen musikalischen Senkrechtstarter mitzubringen.
16.03.2015, 00:00 Uhr
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Von Gerhart Asche

Mit der begeistert gefeierten, deutsch gesungenen Aufführung der Oper „Bluthochzeit“ (Várnász) des ungarischen Komponisten Sandor Szokolay hat das Bremerhavener Stadttheater ein hoch interessantes, hierzulande allerdings fast nie gespieltes Werk neu ins Gespräch gebracht. Dabei schien das Stück bei seiner Uraufführung 1964 in Budapest alle Voraussetzungen für einen musikalischen Senkrechtstarter mitzubringen. Aber der Höhenflug beschränkte sich auf das Heimatland des Komponisten. In Deutschland dagegen verschwand die „Bluthochzeit“ nach der Erstaufführung in Wuppertal 1965 und einer einzigen weiteren Produktion 1976 in Erfurt in der Versenkung – verdrängt vielleicht von Wolfgang Fortners sieben Jahre früher uraufgeführter gleichnamiger Oper.

Beide Werke basieren auf Federico Garcia Lorcas düsterer Ehebruchs- und Blutrachetragödie „Bodas de sangre“ von 1933, der tragischen Geschichte einer Braut, die sich der von ihren Eltern arrangierten Ehe widersetzt. Sie liebt den verheirateten Leonardo und lässt sich von ihm während der Hochzeitsfeier entführen. Die beiden werden aufgespürt, Leonardo und der Bräutigam töten sich im Messerkampf gegenseitig. Zurück bleiben die Braut und die Mutter des Bräutigams. Mit dem Fluch der Mutter auf das Messer, das ihr einst schon den Mann und den ersten Sohn und jetzt auch den zweiten geraubt hat, endet die Oper.

Bei Fortner wird diese Geschichte in einer zwölftönigen, objektiv kühlen und auf Distanz bedachten Tonsprache erzählt, während Szokolay eine hoch expressive musikalische Darstellungsart wählt. Er schreibt im Stil der klassischen Moderne eines Bartók, eines Janácek, Strawinsky oder Honegger, arbeitet vielerorts – etwa in der breit angelegten Hochzeitsszene – folkloristische Passagen ein und bedient sich, so bei der Verfolgung der Braut und ihres Entführers, filmmusikalisch realistischer Mittel. Insgesamt eine höchst spannungsgeladene Partitur von starker Suggestivkraft, die den Hörer emotional unmittelbar einbezieht.

Ungemein sensibel spürt Andrzej Woron, der für Regie und Ausstattung verantwortlich zeichnet, den differenzierten sprachlich-musikalischen Stimmungsbildern des Werkes nach und übersetzt sie ins Optische – eine großartige Leistung. Da ist das Bühnenbild von kubistischer Architektonik und expressionistisch grell-klarer Farbgebung, oft von einem blutigen Rot dominiert. Da sind die Kostüme und Masken mit ihrem teils folkloristischen, teils aber auch karikaturistischen Anstrich. Groteske Züge finden sich in der Personenführung beim Hochzeitsfest, symbolistisch verschlüsselte Momente dann im dritten Akt mit den Auftritten der Holzfäller, des Mondes und des Todes und bei dem ins Surrealistische verfremdeten Messerkampf. Es sind Bilder voller Fantastik voller Poesie, die das Auge begeistern.

Dazu passt ein Sängerensemble, das die von Sandor Szokolay mit Präzision gezeichneten Charaktere klar umrissen auf die Bühne bringt: Filippo Bettoschi als der finstere Leonardo mit brutal klingendem Bariton und Tobias Haaks als die dazu kontrastierende tenorale Lichtgestalt des Bräutigams, Annabelle Pichler als die in stiller Hysterie leidende Frau des Leonardo und Yamina Maamar (man hat sie noch als Bremerhavener Salome in bester Erinnerung) als heißblütige Braut. Regine Sturm gibt ein Dienstmädchen voller Engagement.

Thomas Burger meistert die Extrem-Höhen in der Partie des Mondes mit Bravour, und Svetlana Smolentseva singt den als Bettlerin verkleideten Tod mit ihrem orgelnden Alt. Zum Mittelpunkt der Aufführung allerdings wird Beate-Maria Vorwerk, eine Tragödin alten Schlages, mit ihrer ergreifenden Darstellung der mehr und mehr in die Einsamkeit getriebenen Mutter – einer Paraderolle für eine alternde Singschauspielerin. Marc Niemann am Dirigentenpult setzte vor allem auf die lautstarken Effekte der Partitur, wobei die Sänger ebenso wie der vorzügliche Chor oft allzu sehr übertönt wurden. Und die unleserlichen, keinerlei Hilfe bietenden Übertexte in Bremerhaven sind seit jeher eine Lachnummer.

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