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Musiktheater
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Rigoletto

Oper in drei Aufzügen
Dichtung von Francesco Maria Piave nach dem Schauspiel Le Roi s'amuse von Victor Hugo
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premier im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 15. März 2015
(rezensierte Aufführung: 19.03.2015)

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Musiktheater im Revier
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Und ewig lockt das Weib

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


19 Texte sollen Giuseppe Verdi zur Auswahl gestanden haben, als er sich, ganz auf seinen Theaterinstinkt verlassend, mit Victor Hugos knapp 20 Jahre zuvor uraufgeführtem Stück Le Roi s'amuse für einen Stoff entschied, der nicht nur gegen die gängige Opernkonvention verstieß und mit der buckeligen Titelfigur einen der vielschichtigsten Charaktere der Opernliteratur schuf, sondern genau wie Hugos Theaterstück die Zensur auf den Plan rief, so dass die Oper erst nach Verlegung der Handlung an den Hof eines fiktiven Herzogs von Mantua, der in der Vorlage dann auch nur Duca genannt wird, am 11. März 1851 im Teatro la Fenice zur Uraufführung gelangen konnte. Heute bildet Rigoletto zusammen mit Il trovatore und La traviata die sogenannte "Trilogia popolare" und gehört zum festen Standardrepertoire der Bühnen. Von daher verwundert es nicht, dass dieses Werk auch im Musiktheater im Revier nach knapp zwölf Jahren wieder einmal auf dem Spielplan steht, und der Generalintendant Michael Schulz hat die Inszenierung zur Chefsache erklärt.

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Die Femme fatale (hier: Almuth Herbst als Maddalena) lockt die Männer an wie das Licht die Motten.

Dabei wählt Schulz in seinem Regie-Ansatz eine Sichtweise, die nicht in jedem Punkt zwingend oder gar nachvollziehbar ist. Dass die höfische Gesellschaft um den Duca in die Gegenwart verlegt wird und in einem modern anmutenden Loft ihre Spielchen treibt, ist nicht neu. Wieso Schulz allerdings die Gräfin von Ceprano, Giovanna und Maddalena zu einer Femme fatale verschmelzen lässt, um die die Statisten wie um ein goldenes Kalb herumtanzen, wirft dann doch einige Fragen auf, zumal der Graf von Ceprano im ersten Akt kein Problem damit zu haben scheint, dass seine Frau im Zentrum der Begierde der gesamten Gesellschaft steht. Noriko Ogawa-Yatake interpretiert diese drei Partien zwar darstellerisch mit einer enormen Bühnenpräsenz und erinnert in ihren Posen und ihrer Aufmachung stark an Catherine Deneuve, die in zahlreichen französischen Filmen auf eine unnahbare Art diese Männerfantasie verkörpert hat, beweist aber gerade dadurch, dass sich diese drei Figuren nicht auf einen Charakter herunterbrechen lassen. Bei Giovanna beispielsweise müsste der Duca eigentlich vielmehr Interesse an der Eroberung der Haushälterin haben, als sie nur mit Geld zum Schweigen zu bringen. Außerdem wäre Gildas Entwicklung in der Obhut dieser Giovanna sicherlich weit weniger naiv verlaufen. Bei Maddalena führt die Unnahbarkeit dazu, dass ihre Bitte an den Bruder, den Herzog zu retten und dafür einen anderen zu töten, unmotiviert bleibt.

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Der Herzog (Hongjae Lim) gibt sich bei Gilda (Alfia Kamalova) als armer Student Gaultier Maldé aus.

Was für die auf die heutige Zeit sicherlich schwer zu übertragende Figur der Gilda gilt, hat man ja in diversen Inszenierung auch schon die unterschiedlichsten Ansätze gesehen. Schulz entscheidet sich, sie in einer Art Kellerverlies unter der Bühne hausen zu lassen. Die zahlreichen Luftballons auf der linken und die großen Kissen auf der rechten Seite sollen ihr dabei wohl eine heile Welt vorgaukeln, die aber von dem Käfig, der sie umgibt, keineswegs ablenken kann. Dass das Verhältnis, welches Rigoletto zu seiner Tochter hat, keineswegs ein gesundes ist, wird dadurch mehr als deutlich. Als problematisch erweist es sich auch immer, glaubhaft zu machen, wieso Rigoletto unwissend den Höflingen bei der Entführung der eigenen Tochter hilft. Schulz beschließt, diese Szene gar nicht erst auf der Bühne umzusetzen. Die Höflinge stehen vor Rigolettos Haus, als Rigoletto durch den Zuschauerraum auftritt und im Parkett vor dem Orchestergraben stehenbleibt, während sich der Vorhang senkt. Der Rest passiert dann hinter verschlossenem Vorhang. Rigoletto wird also genauso wie der Zuschauer vom Geschehen ausgeschlossen und erkennt erst an den Schreien seiner Tochter, dass er hereingelegt worden ist. Wenn Gilda dann später zum Herzog gebracht wird, befindet sie sich in dem gleichen Sack, in dem Sparafucile auch hinterher die vermeintliche Leiche des Herzogs an Rigoletto übergibt. Dass Gilda nach ihrer Entjungferung durch den Herzog - wobei bei Schulz nicht klar wird, ob sich nicht auch noch die anderen Höflinge an ihr vergangen haben - ihr weißes Kleidchen gegen ein aufreizendes rotes Lederkleid eingetauscht hat, wirkt etwas platt.

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Die Höflinge (darunter von links: Marullo (Christian Henneberg), Borsa (Philipp Werner) und der Graf von Ceprano (Jacoub Eisa) mit den Herren des Opernchors) planen Gildas (Alfia Kamalova) Entführung.

Den Herzog als einen rastlosen, des Lebens überdrüssigen Mann darzustellen, der seinem Leben nur dadurch einen Sinn geben kann, dass er sich von einem Vergnügen ins nächste stürzt, geht auch in der heutigen Zeit gut auf. Ihn allerdings im zweiten Akt gemeinsam mit den übrigen Höflingen den Vollmond anheulen zu lassen, der in einer beeindruckenden Projektion im Hintergrund der Bühne zu sehen ist, macht keinen Sinn und wirkt eher albern. Unklar bleibt auch, wieso im dritten Akt Sparafucile während des Rendezvous seiner Schwester mit dem Herzog den Grafen von Ceprano, Marullo und Borsa umbringt. In diesem Fall hätte er doch schon genügend andere Leichen gehabt, die er Rigoletto als vermeintlichen Herzog hätte anbieten können. Auf Rigolettos Buckel verzichtet Schulz in seiner Inszenierung zwar nicht, lässt ihn allerdings am Ende auf die sterbende Gilda übergehen, was sich inhaltlich überhaupt nicht erschließt. Mit dem Tod Gildas erfüllt sich schließlich Monterones Fluch, und Rigoletto wird im tiefsten Innern seines Herzens getroffen. Oder will uns Schulz damit sagen, dass der Buckel die Sorge um Gilda gewesen ist, die einzig verhindert hat, dass Rigoletto genauso wie die anderen Höflinge wird, und dass er sich nach Gildas Tod genauso gewissenlos verhalten kann wie der Herzog und die anderen Höflinge? Wenn Gilda dann allerdings am Ende hinter einer Tür verschwindet, die aus dem Schnürboden herabgelassen wird und diese Tür bei Rigolettos Versuch, ihr zu folgen, einfach zu Boden fällt, versöhnt das Schlussbild dann doch wieder mit den vorherigen Unstimmigkeiten.

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Aris Agiris als Rigoletto

Für die Titelpartie ist Aris Agiris ans Musiktheater im Revier zurückgekehrt, wo er vor über zehn Jahren im Opern-Ensemble seine Karriere startete, die ihn mittlerweile an namhafte Bühnen in Europa und Amerika geführt hat. Mit gewaltigem Bariton und diabolischem Spiel begeistert er als Narr, der den Höflingen ihre eigene Verderbtheit vor Augen führt, und vollzieht im Zusammenspiel mit Alfia Kamalova als Gilda einen glaubhaften Wechsel zum liebenden Vater, der auch sehr weiche Töne findet. Die Verzweiflung, die in seiner große Arie "Cortigiani" im zweiten Akt zum Ausdruck kommt, wenn er hofft, seine Tochter unversehrt zurückzubekommen, geht unter die Haut. Kamalova gestaltet die Gilda mit mädchenhaftem Sopran, der in den Höhen zart und zerbrechlich klingt und ihre Naivität absolut glaubhaft macht. Hongjae Lim kommt die beinahe schon undankbare Rolle des Herzogs zu, da man dessen zahlreiche Arien von namhaften Tenören auf CD oder aus der Werbung kennt. Lim schlägt sich tapfer und geht mit kleineren Intonationsschwierigkeiten selbstbewusst um, so dass er in den berühmten Nummern "La donna è mobile" oder "Questa o quella" durchaus tenoralen Glanz verströmen lässt. Dong-Won Seo ist als Sparafucile mit seinem sonoren Bass wie immer in Gelsenkirchen eine sichere Bank. Noriko Ogawa-Yatake vollzieht in den drei oben genannten Partien einen überzeugenden Wechsel ins Mezzofach. Hervorzuheben sind auch die drei Mitglieder des Jungen Ensembles am MiR, Jacoub Eisa, Philipp Werner und Christian Henneberg, die den drei Höflingen differenziertere Züge verleihen, als man es aus zahlreichen anderen Inszenierungen kennt. Rasmus Baumann führt die Neue Philharmonie Westfalen souverän durch die Partitur und rundet mit den darstellerisch und stimmlich gut aufgelegten Herren des Opern- und Extrachors (Leitung: Christian Jeub) den Abend musikalisch überzeugend ab.

FAZIT

Michael Schulz' Regie-Ansatz lässt sich äußerst kontrovers diskutieren. Die musikalische Leistung bewegt sich durchweg auf gutem Niveau.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Michael Schulz

Bühne
Kathrin-Susann Brose

Kostüme
Renée Listerdal

Chor
Christian Jeub

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 

Herren des Opern- und  Extrachors des MiR

Statisterie des MiR

Neue Philharmonie Westfalen

Solisten

*rezensierte Aufführung

Rigoletto
Aris Agiris

Duca, Herzog von Mantua
Hongjae Lim

Gilda
Alfia Kamalova

Gräfin von Ceprano / Giovanna /
Page / Maddalena
Almuth Herbst /
*Noriko Ogawa-Yatake

Sparafucile
Dong-Won Seo

Graf von Ceprano
Jacoub Eisa

Borsa
Philipp Werner

Marullo
Christian Henneberg

Monterone
Tomas Möwes


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