„Rosenkavalier“: Alt-Wien, so schön, wie es nie war

Rosenkavalier
Rosenkavalier(c) Michael Poehn / WIENER STAATSOPER
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Das Damentrio Elīna Garanča, Martina Serafin und Erin Morley veredelte prachtvoll die klassische Otto-Schenk-Inszenierung.

In Wahrheit ist es bitterbös für den blamierten Ochs, wenn ihm die Feldmarschallin lapidar zuwirft: „Ist eine wienerische Maskerad' und weiter nichts.“ Nun, Wien bleibt Wien, auch wenn es Strauss und Hofmannsthal so süß entworfen haben, dass man es gar nicht glauben kann. Aber eine fesche Intrige hat hier immer schon Spaß gemacht. Auch wenn der Baron von Lerchenau am Ende die Braut samt Mitgift zur Schuldentilgung los ist und nur noch eine offene Wirtshausrechnung bleibt.

Eine rechte Wiener Maskerad' ist es auf jeden Fall, wenn sich der Vorhang über Otto Schenks Repertoireklassiker in der Staatsoper öffnet, auch beim 362.Mal. 1968 herausgekommen, inzwischen vom Meister selbst aufgefrischt, hat diese Inszenierung längst eine Patina angesetzt, die sie offenbar für alle Zeiten unverwüstlich macht. Kulissen und Kostüme erinnern an die verflossenen Zeiten des Heimatfilms, und man würde sich auch nicht weiter wundern, schauten ein Hans Moser oder eine junge Romy Schneider um die Ecke. Man darf sich also getrost hinausträumen aus der Gegenwart. Sehr lebendig sogar, wenn ein musikalisch so prachtvoller Abend gelingt, wie nun am Ostermontag. Denn Elīna Garanča ist wieder einmal in die Rokoko-Hosen geschlüpft und gibt sich als Octavian die Ehre – und dem Publikum die Freude, mit ihrem so strahlend blühenden Mezzosopran den jungen Heißsporn zu geben, den es, gerade noch dem Paradebett der Marschallin entstiegen, beim Überreichen der silbernen Rose an Sophie kalt erwischt. Erst recht, um als hinreißender Trampel Mariandl in Frauenkleidern den Ochs am Ende in die Falle zu locken. Elīna Garanča gelingt das alles mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit von derzeit konkurrenzloser Meisterschaft.

Als Lehrmeisterin in Sachen Liebe und am Ende den Octavian gütig freigebende Freundin steht ihr Martina Serafin als überzeugende Marschallin gegenüber. Sie findet eine wunderbare Balance zwischen Zuneigung, abgeklärter Erfahrung und zarter Melancholie. Da ist keine Spur von Larmoyanz, aber ein schöner Hauch von Traurigkeit, wenn sie ihren Monolog anstimmt, für den sie mit großer Textdeutlichkeit den idealen Ton findet, um dann im Schlussterzett ihren Sopran entsprechend hochzufahren. Dass sich Octavian in die für Wien neue Sophie von Erin Morley verschaut, wundert nicht weiter. Sie ist ein auch optisch entzückendes Neureichentöchterl, das seinen silbrig schwirrenden Sopran goldrichtig einzusetzen weiß. So kann auch ihr Vater, Faninal, den erstmals Jochen Schmeckenbecher kernig und resolut, aber nie brutal oder ordinär gibt, ihr nicht böse sein. Herzhaft polternd und ohne Genierer lässt dagegen Wolfgang Bankl den Ochs von Lerchenau lebendig werden.

Auch das viele Personal rund um die Hauptfiguren weiß die Staatsoper durchwegs treffend zu besetzen. Dass dem Orchester die „Rosenkavalier“-Partitur ganz besonders am Herzen liegt, weiß man nicht nur, sondern hört es auch an diesem Abend, wenn Adam Fischer die musikalischen Geschicke souverän führt. Glutvoll stürzt er sich zu Beginn in die Liebesnacht im Paradebett, folgt einfühlsam den Gedanken der Marschallin, lässt das frische Liebesglück der Jungen satt aufrauschen und sorgt dafür, dass der Tumult im Finale nicht zum Durcheinander wird. So gab es am Ende viel Jubel für ein paar Stunden Alt-Wien, so schön, wie es nie war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2015)

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