Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Xerxes (Serse)

Dramma per musica in drei Akten
Libretto nach Nicolò Minato und Silvio Stampiglia, Rezitative in deutscher Übersetzung von Eberhard Schmidt
Musik von Georg Friedrich Händel


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 3. Mai 2015


 

Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Barockspektakel aus Papier

 Von Thomas Molke / Fotos von Kai-Uwe Schulte-Bunert


Händels Xerxes scheint derzeit auf den Bühnen in NRW Hochkonjunktur zu haben. Die Deutsche Oper am Rhein hat gerade Stefan Herheims umjubelte Inszenierung mit Valer Sabadus in der Titelpartie wieder aufgenommen. Da widmet sich auch das Theater Bielefeld Händels drittletzter Oper, aus der die berühmte Auftrittsarie des Perserkönigs "Ombra mai fù" als konzertantes "Largo" die Jahrhunderte überdauert hat. Dabei wurde das Werk wegen seines großen Misserfolgs bei der Uraufführung bereits nach fünf Vorstellungen abgesetzt, und der zeitgenössische Tagebuchschreiber Charles Burney urteilte, dass das Libretto zu den schlechtesten zähle, die Händel je vertont habe. Erst 1924, also fast 200 Jahre nach der Uraufführung, wurde die Oper bei den Händel-Festspielen in Göttingen wiederentdeckt und zählt mittlerweile neben Giulio Cesar in Egitto wieder zu den meistgespielten Bühnenwerken des Hallenser Komponisten, was wohl auch den zahlreichen parodistischen Zügen und den oft einteiligen Arien zu verdanken ist, bei denen Händel auf langatmige Da-Capo-Formen verzichtet, um als Reaktion auf den Siegeszug der Beggar's Opera von Gay und Pepusch eine Erneuerung der Opera seria einzuleiten.

Bild zum Vergrößern

"Ombra mai fù": Wen besingt Xerxes (Melanie Forgeron) hier eigentlich? Die Platane oder Amastre (Evelyn Krahe)?

Die Handlung spielt im Jahr 480 v. Chr., als der persische König Xerxes mit seinem Heer am Hellespont eine Brücke aus miteinander verbundenen Kriegsschiffen baute, um nach Griechenland überzusetzen. Das Libretto übernimmt aus der bei Herodot überlieferten Historie eigentlich nur die Episode, in der der König eine Platane wegen ihrer Schönheit mit goldenem Schmuck behängt. Ansonsten konzentriert sich die Oper auf die in der Opera seria typischen Liebesverwicklungen. Xerxes verliebt sich in Romilda, die Geliebte seines Bruders Arsamene. Atalanta, Romildas Schwester, hofft dadurch, Arsamene für sich zu gewinnen. Da Arsamene allerdings nicht von Romilda lassen will, schickt Xerxes ihn ins Exil. Amastre, Xerses' Braut, ist ihrem untreuen Geliebten heimlich gefolgt und hat sich als Soldat verkleidet, um unerkannt zu bleiben. Da Atalanta Xerxes überzeugen kann, dass Arsamene eigentlich sie und nicht Romilda liebt, beschließt Xerxes seinen Bruder zu begnadigen. Romildas Vater Ariodate missversteht den König, als dieser um die Hand seiner Tochter für einen Mann königlichen Geblüts anhält, und glaubt, dass Xerxes damit seinen Bruder meint. Folglich verheiratet er Arsamene mit Romilda. Als Xerxes daraufhin außer sich vor Wut ist, gibt sich Amastre zu erkennen und führt Xerxes seine Treulosigkeit vor Augen. Xerxes bereut sein Verhalten und bittet alle um Verzeihung.

Bild zum Vergrößern

Xerxes' (Melanie Forgeron) Herz schlägt für die schöne Romilda (Cornelie Isenbürger).

Papier spielt in der Inszenierung von Maximilian von Mayenburg eine wichtige Rolle. So erscheint der König Xerxes zunächst als ein auf ein weißes Blatt projizierter Schatten, der während der Ouvertüre die Bewegungen seines Bruders Arsamene kopiert, bis Arsamene ihn dann durch das Papier auf die Bühne zerrt. Das weiß geschminkte Gesicht des Perserkönigs und seine Papierkrone bleiben auch bis zum Ende des Abends Zeichen dafür, dass er aus einem Blatt Papier hervorgekommen ist. Auch seine Armee, die vom JUNOS Kinder- und Jugendchor des Theaters Bielefeld unter der Leitung von Maria Müller gesungen und gespielt wird, erinnert in den weißen Kostümen mit den Papierhüten an Pappsoldaten. Der Wald, der zum berühmten "Ombra mai fù" von beiden Seiten auf die Bühne geschoben wird, besteht ebenfalls aus weißen aufklappbaren Pappscheiben in Form von Bäumen. Ein grünes Blatt ziert den Baum auf der linken Seite, das Xerxes während seiner Auftrittsarie an sein Herz hält, wodurch er die Bühne mit Leben zu erfüllen scheint. In diesem Moment taucht nämlich eine Videoprojektion von Matze Görig das weiße Bühnenbild in eine knallgrüne Landschaft mit bunten Blumen. Die Pflanze, die allerdings aus dem Blatt entsteht, das Xerxes dann in den Bühnenboden pflanzt, ist aber dann wieder weiß und erinnert an eine Origami-Figur.

Bild zum Vergrößern

Atalanta (Nienke Otten) versucht, Arsamene (Nohad Becker) zu verführen.

Auch Amastre und Atalanta treten während der Arie an die Platane in weißen Kostümen aus Papier auf und scheinen als Bäume zu fungieren, so dass fast der Eindruck entsteht, dass Xerxes mit der Platane bereits seine Verlobte Amastre ansingt. Mit gleicher Zärtlichkeit umgibt Atalanta Xerxes' Bruder Arsamene. Doch sein Herz schlägt nur für Romilda, die in einem knallroten langen Kleid deutlich farbige Akzente setzt und damit auch die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zieht, der dann keinen anderen Ausweg sieht, als seinen Bruder mit einem Papierschiff ins Exil zu befördern. Im Verlauf des Abends werden dann auch die Kostüme der übrigen Figuren farbiger, so dass sich das anfangs leere Blatt gewissermaßen mit Leben gefüllt hat. Interessant wird auch der Bau der Brücke über die Meerenge umgesetzt. Xerxes' Armee rodet die Papierwälder und setzt Teile der Stämme in die Brücke ein. Papierwolken, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden, kündigen dann den aufziehenden Sturm an, der die Brücke zerstört.

Bild zum Vergrößern

Atalanta (Nienke Otten) manipuliert Xerxes (Melanie Forgeron) für ihre Zwecke.

Was die Personenregie betrifft, baut von Mayenburg zahlreiche komische Momente ein, die vom Publikum so begeistert aufgenommen werden, dass auch schon einmal in die Musik hineingeklatscht wird. Wenn Atalanta am Ende des ersten Aktes in ihrer Arie "Un cenno leggiadretto" beschließt, all ihre weiblichen Reize einzusetzen, um Arsamene für sich zu gewinnen, verführt sie erst einmal den Dirigenten und lockt ihn aus dem Orchestergraben zunächst auf und dann hinter die Bühne. Wie Merijn van Driesten dabei immer noch versucht, den Bielefelder Philharmonikern den Takt anzugeben, und anschließend leicht derangiert wieder in den Orchestergraben hinabschleicht, zeugt von großer Komik. Wenn Xerxes zu seiner Arie "Per rendermi beato", in der er von seiner Hochzeit mit Romilda träumt, abhebt und an zwei Stahlseilen aus dem Schnürboden über die Bühne schwebt, kommt er bei seinem Flug der Sonne sehr nahe, und die Rauchschwaden, die sich hinter seinem Kostüm bilden, deuten an, dass er möglichst bald zur Landung ansetzen sollte, um nicht wie Ikarus abzustürzen.

Musikalisch bewegt sich die Produktion, die größtenteils mit Mitgliedern des Ensembles besetzt ist, auf gutem Niveau. Cornelie Isenbürger glänzt mit leuchtendem Sopran als von allen begehrte Romilda. Nienke Otten setzt als ihre intrigante Schwester Atalanta zahlreiche komische Akzente und punktet mit perlenden Koloraturen. Am Ende bekommt sie dann den Diener Elviro, der von Yoshiaki Kimura mit kräftigem Bass ausgestattet wird. Wenn er als verkleidete Blumenverkäuferin Arsamenes Brief an Romilda überbringen will, wagt er auch den Wechsel ins Falsett. Nohad Becker begeistert als Arsamene mit warmem und weichem Mezzo und wird dem sanften Charakter der Figur in jeder Hinsicht gerecht, wobei sie in der großen Arie im dritten Akt, "Amor, tiranno amor", wenn sie Romilda verloren glaubt, auch zu dramatischen Gefühlsausbrüchen in der Lage ist. Melanie Forgeron stattet die Titelpartie mit beweglichem Mezzo aus und lotet die Gefühlswallungen des Perserkönigs darstellerisch überzeugend aus. Als Gast begeistert Evelyn Krahe in der Partie der Amastre mit voluminösen Tiefen, die ihre Verkleidung als Soldat durchaus glaubwürdig machen. Merijn von Driesten erzeugt mit den Bielefelder Philharmonikern einen leichtfüßigen Barockklang, so dass es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Bei dieser Produktion dürften auch die Anhänger von klassischen Aufführungen auf ihre Kosten kommen, wobei die Inszenierung trotzdem modern daherkommt.

Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Merijn van Driesten   

Inszenierung
Maximilian von Mayenburg    

Bühne und Kostüme
Sophie du Vinage

Video
Matze Görig

Choreinstudierung
Maria Müller

Licht
Martin Kwoka

Dramaturgie
Larissa Wieczorek

 

JUNOS Kinder- und Jugendchor
des Theaters Bielefeld

Bielefelder Philharmoniker


Solisten

Xerxes, König von Persien
Melanie Forgeron

Arsamene, sein Bruder, liebt Romilda
Nohad Becker

Amastre, Xerxes' Verlobte, verkleidet als Soldat
Evelyn Krahe

Ariodate, adeliger Vasall von Xerxes
Moon Soo Park

Romilda, seine Tochter, Geliebte von Arsamene
Cornelie Isenbürger

Atalanta, ihre Schwester
Nienke Otten

Elviro, Diener Arsamenes
Yoshiaki Kimura

 

Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bielefeld
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -