"Così fan tutte": Alles nur Theater im Theater

Die Wiener Volksoper zeigt Mozarts komplizierteste Da-Ponte-Oper scheinbar entwirrt: Diesmal wird auf einer Theaterprobe Schein zum Sein.

Generationen haben sich über den Mangel an Realismus, die Verworfenheit des Sujets, die völlige Absenz moralischer Wertvorstellungen in diesem Stück mokiert. Partnertausch aufgrund einer Wette und ein Finale, in dem alles wieder rückgängig gemacht wird – obwohl die Musik verraten hat, wie hoch die Emotionen gegangen sind.

Erst Richard Strauss hat „Così fan tutte“ vom Bannfluch befreit. Seither mühen sich die Regisseure redlich: Dass zwei halbwegs intelligente Damen ihre Liebhaber in Verkleidung nicht erkennen sollten, wirkt selten glaubwürdig. Und dass sich das Publikum auf den illusionistischen Theaterzauber einlassen könnte, will man in unseren Tagen nicht (mehr) gelten lassen.

In der Volksoper gibt man das Werk wieder auf Deutsch, in einer Neuadaption durch Regisseur Bruno Klimek, der einen simplen Trick wählt: Den ersten Akt erzählt er als Theaterprobe. Man arbeitet an „Così fan tutte“ – im Verlauf der Handlung wird aus dem Spiel Ernst: Die Sänger verlieben sich ganz laut Da Pontes Libretto in den Partner des jeweils anderen. Am Schluss herrscht Ratlosigkeit. Das Ensemble stiebt in verschiedene Richtungen davon.


Despinas neue Geschichte. Hinzu erfunden hat Klimek die Geschichte der temperamentvoll-quicken Despina-Darstellerin (Rebecca Nelsen), die in Impresario Alfonso (Mathias Hausmann) rettungslos verknallt ist; und prompt von ihm für sein Intrigenspiel instrumentalisiert wird, weshalb auch sie zuletzt frustriert zurückbleibt.

In Wahrheit befreit man sich auf diese Weise von einer ganzen Umdrehung der psychologischen Konfliktschraube und muss sich erst im zweiten Akt auf Mozarts Charakterporträts einlassen. Das gelingt recht gut, nimmt aber der Geschichte viel von ihrer Sprengkraft, stattdessen fallen die Akteure immer wieder zu Boden, wenn dieser wankt – man lebt in Neapel und daher in einer Bebenzone. So kommt doch ein wenig Abgründiges ins Spiel.

Die einmal schwarzen, einmal weißen Kostüme Tanja Liebermanns verraten, auf welcher Ebene der imaginären Gefühlspyramide sich der jeweilige Darsteller auf der leeren Bühne gerade bewegt.


Forscher Charme. Musikalisch geht man es an der Volksoper dank Julia Jones forsch und mit dynamischer Verve an. Klangschönheit sucht man offenbar gar nicht; dazu hat die Zeit im Probenprozess wohl nicht annähernd gereicht. Es fehlt aber auch an vokalem Schliff – nur die souveräne Hausdebütantin Caroline Wenborne hat keine wirkliche Mühe mit dem enormen Stimmumfang, den Mozart der Fiordiligi zumutet, und bewältigt beide Primadonnen-Arien tadellos.

Schwester Dorabella ist mit Dshamilja Kaiser rechtschaffen munter und temperamentvoll besetzt: Etwas zu forciert wirkt freilich der Einsatz ihres Mezzos. Über die rechte Pianokultur verfügt zwar auch ihre Duettpartner, Josef Wagner, nicht wirklich, doch singt er die beiden Guglielmo-Arien eloquent und agil. Genügend Beweglichkeit in den Ensembles zeigt auch Jörg Schneiders Ferrando, der in der c-Moll-Arie auch echte Verzweiflung hörbar macht, im Übrigen aber nicht einmal Restbestände von lyrischen Reserven für die empfindsamen Momente aufbringen kann.

Was das betrifft, wird man Mozart an diesem Abend nicht im Geringsten gerecht. Auch Despina lässt keinerlei Zwischentöne hören, dafür geläufige Koloraturen, die gar nicht in den Noten stehen. Bleibt der kühl-berechnende Drahtzieher Alfonso als Fels in der Brandung. Die Erdbeben bringen aber auch ihn zu Fall – Effekt macht an diesem Abend vor allem, was dem insgesamt unterbelichteten Stück aufgepfropft wurde.

Aufführungen: 18., 21. und 27. Mai, 1., 10., 26. und 29. Juni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)

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