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"Iphigénie en Tauride": Auf die menschliche Tragödie konzentriert

Wieder schlägt Cecilia Bartoli ein neues Kapitel auf. Eindringliche Premiere der Salzburger Pfingstfestspiele 2015.

"Iphigénie en Tauride": Auf die menschliche Tragödie konzentriert
"Iphigénie en Tauride": Auf die menschliche Tragödie konzentriert
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"Iphigénie en Tauride": Auf die menschliche Tragödie konzentriert
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"Iphigénie en Tauride": Auf die menschliche Tragödie konzentriert
"Iphigénie en Tauride": Auf die menschliche Tragödie konzentriert

Hoffnungslos ist die Lage, wie bei Eingeschlossenen. Die Wucht des antiken Dramas wird zur wahrhaftigen Tragödie. Seit 15 Jahren versieht Iphigéne als Priesterin ihren Dienst in Feindesland, opfert im Namen des Despoten Thoas Menschen, die auf Tauris stranden: ein grausames, unmenschliches Ritual. Jetzt kann sie nicht mehr.

Als zwei Griechen schiffbrüchig werden, sieht sie, die Griechin, ihre Chance. Einen von beiden, Pylade oder Oreste, will sie überleben lassen, auf dass er in die Heimat fahre und vom Schicksal der Griechin unter grausamer Herrschaft erzähle. Nicht weiß sie, dass Oreste ihr Bruder ist. Und der hält unverbrüchlich die Treue zu seinem Freund. Der innere Kampf ums (Über)Leben tobt heftiger als der reale, der schließlich den Despoten das Leben kostet, den sich erkennenden Gefangenen die Freiheit gibt. Die Göttin selbst hat das Schicksal geschlichtet. Aber um welchen Preis? Und wie beschädigt sind die Seelen, die jetzt angeblich glücklich sind? Die Bühne im kalten Neonlicht
Christian Fenouillats Bühnenbild lässt kein Draußen, schon gar kein arkadisches Idyll zu. In die von einer rostigen Wand nach hinten begrenzte, mit Feldbetten karg bestückte Halle dringt kein natürliches Licht, nur kaltes Neon strahl unerbittlich herunter. Als schließlich Orest (großartig in der existenziellen Dringlichkeit seiner singschauspielerischen Leistung: Christopher Maltman) zur Opferung gebracht wird, vor der Iphigénie ihre Kraft versagt, wird er vollständig entkleidet: Ecce homo. Der Ritus, mit dem die Priesterinnen (fabelhaft: die zehn Damen des Chors der Radiotelevisione Svizzera) das Messer polieren, ist so nackt, pur, erschütternd kreatürlich, das keine Sekunde ein Opferpathos aufkommen kann.

Darauf legen es, kongenial zur völlig schmucklosen, aber umso eindringlicher wirkenden Musik von Gluck, die Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier auch an: eine Opfer- und Leidensgeschichte als unmittelbar bewegendes, zeitloses Drama zu erzählen. Durch das Wort getragen
Die dichte, intensive, hochkonzentrierte Aufführung wird musikalisch getragen durch den direkten, fast trockenen, scharf, aber nie roh zugespitzten Ton des Orchesters I Barocchisti unter der straffen, zielgerichteten Leitung des Dirigenten Diego Fasolis. Gezeugt ist der musikalische Duktus jederzeit durch das Wort: ganz im Sinne der sogenannten "Reformoper", wie sie Gluck in dieser "Iphigénie" 1779 für Paris geschaffen hat. Alles zielt auf Ausdruck und dramatische Deklamation, nichts lenkt ab durch falschen Zierrat, schmückendes Beiwerk. Die Sänger ordnen sich in unaufdringlichem, aber jederzeit präsentem Spiel und der vokalen Linienführung mit eindringlicher Energie dieser Haltung ein. Ein exzellent abgestimmtes Ensemble
Cecilia Bartoli zeigt wieder in einem für sie neuen Fach, wie intelligent sie eine Rolle von innen heraus gestalten, in ihr kompromisslos aufgehen und sie glaubhaft in sängerischen Ausdruck umsetzen kann; nur kurzzeitig entgleiten ihr raschere Figuren ins manirierte Zischeln. Neben dem überragenden Christopher Maltman macht auch Topi Lehtipuu (Pylade) hervorragende Figur. Michael Kraus als Thoas dreht etwas mächtig auf, Rebecca Olivera glitzert am Ende als Diana golden herein: ein exzellent aufeinander eingespieltes Ensemble, das in jedem Moment ganz bei sich und für die Sache ist. Großer Jubel, nur die Regie erhielt fast schon obligaten Widerspruch.

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