Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Starke Premiere Händels "Oreste" begeistert am Theater Bremen

Eigentlich war "Oreste" für das Bremer Theater nur "zweite Wahl". Dass die Oper nun doch gezeigt wird, muss als Glücksfall gewertet werden. Denn die Inszenierung überzeugt voll und ganz.
25.05.2015, 15:45 Uhr
Lesedauer: 3 Min
Zur Merkliste
Händels
Von Iris Hetscher

Seit einigen Jahren greifen die Theater mit Lust in die Mottenkiste der Operngeschichte und holen Werke auf die Bühne, die lange Zeit vergessen waren. Oft zu recht, den die „Opera seria“(ernste Oper), die im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert die europäischen Bühnen dominierte, brachte eine Fülle an streng durchregulierten Werken hervor, die schlicht Gebrauchsmusik für eine Saison waren und eine Möglichkeit für die damalige Kaste der Sängerstars, sich durch die kunstvoll ausgestalteten Arien zu profilieren.

Das wirkt heute altbacken und bedarf einer zündenden Regie-Idee und einer zupackenden musikalischen Ausgestaltung, um ein Publikum zu fesseln, das mittlerweile ganz andere musikalische Erzählweisen gewohnt ist.

Georg Friedrich Händel komponierte 40 Opern, „Oreste“ schrieb er 1734, und sie ist eine von denen, die lange Zeit von der Bildfläche verschwunden waren. „Oreste“ ist ein sogenanntes Pasticcio: Händel sampelte Arien aus älteren Opern zu einem neuen Werk. Das Theater Bremen hat das Stück nun als Barockoper der aktuellen Saison auf die Bühne gebracht, als zweite Wahl. Eigentlich wollte man „Hercules“ (ebenfalls von Händel) zeigen, doch auch die Kollegen in Oldenburg hatten diesen Plan. Bremen verzichtete, was als Glücksfall gewertet werden muss.

Denn Regisseur Robert Lehniger, der in der vergangenen Saison die katastrophale Inszenierung des Musicals „Hair“ verantwortete, wetzt diese Scharte bei „Oreste“ aus. Die Geschichte nach Euripides, Sophokles und Aischylos ist in seiner Version wüst und blutrünstig: Der Muttermörder Oreste strandet mit einigen Getreuen auf der Insel Tauris, auf der König Thoas herrscht. Ihm wurde vorausgesagt, das ein Mann namens Oreste ihn einst umbringen werde, deshalb lässt er alle Neuankömmlinge töten. Orestes Schwester Iphigenie, die früh von ihm getrennt wurde, ist Opferpriesterin bei Thoas und für die Hinrichtungen zuständig. Um das grausame Regime zu beenden, verbünden sich schließlich alle gegen Thoas und töten ihn.

Lesen Sie auch

Bei Lehniger ist Tauris ein Albtraum in Weiß. Eine zweigeschossige Drehbühne, die an ein heruntergekommenes Motel oder ein gestrandetes Kreuzfahrtschiff gemahnt, bildet die Kulisse, vor der das sechsköpfige Sänger-Ensemble agiert. Im Hintergrund ist ein bleifarbener, sturmumtoster Strand zu sehen – das Ensemble ist ebenfalls überwiegend in weiß mit blutroten Akzenten gewandet (Bühne und Kostüme: Irene Ip). Eine Ausnahme macht Patrick Zielke als König Thoas – ihm ist ein sandfarbener Anzug mit schwarzem T-Shirt sowie dramatisches Augen-Make-up zugestanden: Sein Thoas ist ein durch Paranoia zum Dämon mutierter Tyrann, der seine Triebe ohne Umschweife auslebt. Alle anderen dagegen schleppen ihre Schuld und ihre geheimen Wünsche mit sich herum – bis zum finalen Gewaltausbruch, an dem auch Quentin Tarantino seine Freude hätte.

Da die Handlung simpel ist aber der Subtext komplex, hat Lehniger eine weitere Ebene eingezogen. In Video-Projektionen (Mitarbeit: Jonas Schmieta) zeigt er Rückblenden, Visionen, alternative Möglichkeiten, wie die Handlung sich entwickeln könnte. Dadurch steigert er die beklemmende Atmosphäre ins beinahe Unerträgliche. Einen großen Anteil an dieser faszinierungen Interpretation des Stoffes haben zudem die durchweg großartigen Sänger des Bremer Opernensembles, die nicht nur ausdrucksstark agieren, sondern ihre Sangeskunst bei der Ausgestaltung der Da-Capo-Arien eindrucksvoll zeigen. Gelobt werden müssen ausnahmslos alle und zwar in höchsten Tönen: Ulrike Mayer in der Titelpartie (ursprünglich für einen Mezzosopran-Kastraten geschrieben), Patrick Zielke als Thoas, Nerita Pokvytyté als Hermione, Marysol Schalit als Iphigenie, Hyojong Kim als Pylades und Christoph Heinrich als Philoktet. Begleitet werden sie von den punktgenau spielenden Bremer Philharmonikern, die einmal mehr von dem schwedischen Händel-Spezialisten Olof Boman dirigiert werden, der bereits bei Vivaldis „Orlando furioso“ am Pult gestanden hatte. Boman lässt die hoch-melodiöse Musik in durchweg flottem Tempo und mit deutlich gesetzten Akzenten spielen, was das Geschehen auf der Bühne perfekt untermalt. Bei der Premiere am Sonntagabend gab es als Belohnung großen Jubel für Sänger, Orchester, Dirigenten sowie für das gesamte Regie-Team.

Die nächsten Termine: 27. Mai, 5. Juni, 9. Juni und 20. Juni, 19.30 Uhr

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)