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Orphée et Euridice
(Orpheus und Eurydike)

Oper in drei Akten
Text von Pierre Louis Moline nach dem italienischen Libretto von Rainieri de’ Calzabigi
Musik von Christoph Willibald Gluck
Französische Fassung (1774)


in französischer Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere im Wilminktheater Enschede am 1. Mai 2015
(rezensierte Aufführung am 26. Mai 2015 im Stadtstheater Arnhem)


Homepage

Nederlandse Reisopera
(Homepage)

Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang

Von Stefan Schmöe / Fotos von Marco Borggreve © Nederlandse Reisopera


Es ist ein Moment, der deutlich macht, warum und wozu es die Oper, diese unmöglichste aller Künste, gibt. Da steht ein junger Mann, todtraurig im Verlust seiner gerade gestorbenen Braut, allein am Bühnenrand, und um ihn herum erklingt die allerwunderbarste Musik (in durch nichts getrübtem Dur) und beschwört eine Idee von Schönheit herauf, die geradezu unerträglich überwältigend ist. Dieser Orpheus wird seine Eurydike nicht wiedererlangen, und die "seligen Geister", deren paradiesische Klänge ihn umgeben, bleiben Träume von der Möglichkeit überirdischen Glücks, die doch unerreichbar bleibt. Am Ende steht der Selbstmord, ein Liebestod, und man versteht, dass es kein Weiterleben für diesen Orpheus geben kann. Das ist großes Theater.

Szenenfoto

Noch ist alles gut: Die Hochzeit von Orpheus und Eurydike

Dabei sind die Voraussetzungen für dieses kleine Theaterwunder keineswegs optimal. Die rührige niederländischer Reisopera ist ein Tourneetheater, dass die Mittel- und Großstädte im Land bespielt (diese Produktion ist in 11 Städten zu sehen) und bei bescheidenem Etat entsprechend flexibel auf wechselnde Anforderungen eingestellt sein muss. Glucks Orpheus und Eurydike ist da mit rund 90 Minuten Spieldauer und nur drei Solisten schon ganz passend. (Wenn da nicht der Chor wäre, denn dem eigenen Chor musste aus Kostengründen gekündigt werden. Jetzt hat man das ganz vorzügliche Ensemble Consensus Vocalis verpflichtet, das mit einem transparenten, vergleichsweise vibratoarmen und dadurch sehr homogenen Klang und hoher Präzision besticht.) Samuel Boden als Orpheus ist ein sehr leichter, in der Höhe unangestrengter Tenor, der stimmlich an seine Grenzen stößt, wenn Furor verlangt ist, aber über ein geradezu entrücktes Pianissimo verfügt - ein junger Sänger, von dem man noch hören wird. Das gilt auch für den sehr jung klingenden Amor von Bernadeta Astari, mit beinahe knabenhaftem Timbre. Der großformatigere, leicht metallisch strahlende Sopran von Kristina Bitenc sprengt da ein wenig das intime Klangbild, empfiehlt sich freilich für größere Aufgaben. Und das Orchester "HET Symfonieorkest" unter der Leitung von Roger Hamilton spielt zwar hier und da etwas ungenau über die kleinen Notenwerte hinweg, schlägt sich aber insgesamt wacker und kann vor allem mit den Blechbläsern schöne Klangfarben entwickeln - und das ist durchweg sängerfreundlich gespielt.

Szenenfoto

Die Furien, dass sind hier diejenigen, die Eurydikes Tod nicht verhindert haben

Entscheidender als vokaler Wohlklang ist aber, dass Musik und Szene hier wirklich Sinn ergeben. Orpheus und Eurydike sind ein sehr junges Brautpaar, die zur jubelnden Ouvertüre Hochzeit feiern - und Orpheus ist der letzte, der den schrecklichen plötzlichen Tod der Braut begreift. Liebesgott Amor ist das Alter ego Orpheus', im gleichen Anzug, aber mit Flügelchen als ironischer Brechung der Figur. Nicht nur hier zeigt Regisseur Floris Visser Humor, und auch darin zeigt er die hohe Kunst, unterschiedliche Gefühle gleichzeitig zu zeigen. Der fast vollständige Verzicht auf Requisiten führt zu einer enormen Konzentration, und das schlichte, aber wirkungsvolle Bühnenbild von Dieuweke van Reij - eine Dünenlandschaft vor leerem Hintergrund, durch die famose Lichtregie (Alex Brok) der jeweiligen Situation angepasst - hält das Geschehen in einem zeitlos anmutenden, gleichwohl mythisch bedeutsamen Rahmen.

Szenenfoto

Es bleibt ein Traum, dass Eurydike wieder lebendeig wird.

Was auf Eurydikes Tod folgt, sind drei Versuche, das Schreckliche zu verarbeiten. Im ersten Anlauf entwickelt Orpheus großen Zorn auf die Hochzeitsgesellschaft, die ihm seine Braut vermeintlich entrissen hat, sieht darin die Furien, die er besiegen muss. Die Szene gipfelt in dem virtuos (und nicht ohne Witz) choreographierten Versuch, in die Unterwelt einzudringen (Choreographie: Pim Veulings). Im zweiten Anlauf erträumt sich Orpheus den Fortgang der Hochzeit, gipfelnd in der mit dezent angedeuteten Hochzeitsnacht - da sind die Gäste die seligen Geister, die sich diskret zurückziehen. Die dritte Vision ist der Traum von der Wiederauferstehung Eurydikes, die sich aus dem Grab erhebt. Den verhängnisvollen Blick zurück deutet der Regisseur als die Erkenntnis um die Unmöglichkeit dieser Auferstehung: Nicht durch das Umwenden verliert er Eurydike, sondern in diesem Moment des Hinschauens wird ihm die Unabänderlichkeit ihres Todes endgültig klar. Das ist brillant inszeniert, oft fast choreographisch auf Körpersprache und auf große Bilder ausgerichtet, und hervorragend gespielt, und es bedarf dieser stimmlich wie szenisch jungen und eben deshalb authentischen Sänger, um das glaubhaft zu machen.


FAZIT

Der kleinen Nederlandse Reisopera gelingt mit einfachen Mitteln eine der bewegendsten Produktionen der Saison.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Roger Hamilton

Inszenierung
Floris Visser

Ausstattung
Dieuweke van Reij

Licht
Alex Brok

Choreographie
Pim Veulings


Chor Consensus Vocalis

HET Symfonieorkest


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Orpheus
Samuel Boden

Eurydike
Kristina Bitenc

L'Amour
* Bernadeta Astari /
Hanna Herfurtner

Tänzer
Anique Bosch
Josef Degabriele
Jochen Kool
Kevin Ruijters
Josse Vessies
Jesse Wijnans



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Nederlandse Reisopera
(Homepage)



Da capo al Fine

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