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Musikfestspiele
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Internationale Maifestspiele am Hessischen Staatstheater Wiesbaden

01.05.2015 - 31.05.2015

Catone in Utica

Dramma per musica in drei Akten
Libretto von Metastasio
Musik von Leonardo Vinci

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 h 5' (zwei Pausen)

Aufführung im Großen Haus am 30. Mai 2015

 

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Fest der Countertenöre

Von Thomas Molke / Fotos von Martina Pipprich

Obwohl Leonardo Vinci für die italienischen Barockkomponisten in stilistischer und dramatischer Hinsicht im 18. Jahrhundert tonangebend war und auch Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel in ihrer Entwicklung inspiriert und geprägt haben dürfte, ist dieser Komponist heutzutage nur noch Spezialisten und begeisterten Anhängern der Barockmusik bekannt. Seine Opern sind auf den Theaterbühnen so gut wie nie zu erleben, zumal auch die weiblichen Rollen für Kastraten komponiert worden waren, da es im 18. Jahrhundert aufgrund eines päpstlichen Verbotes in Rom den Frauen untersagt war, in Opernaufführungen öffentlich aufzutreten. Da in den letzten Jahren mit dem wachsenden Interesse an Barockopern und an der historischen Aufführungspraxis immer mehr Countertenöre auf den Markt strömen, hat sich Parnassus unter der künstlerischen Leitung des (Countertenors) Max Emanuel Cencic zum Ziel gesetzt, Barockopern in einer Art zu präsentieren, die der historischen Aufführung musikalisch möglichst nahe kommt. Vor zwei Jahren gab es mit Vincis Artaserse  eine sehr erfolgreiche Europa-Tournee mit fünf namhaften Countertenören (siehe auch unsere Rezension aus Köln). Nun widmet man sich zum Abschluss der diesjährigen Internationalen Maifestspielen in Wiesbaden erneut diesem Komponisten und bringt mit vier Countertenören und zwei Tenören ein weiteres Werk zur Aufführung, bei dem auch die weiblichen Rollen von Männern gesungen werden.

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Catone (Juan Sancho) als Verfechter der römischen Republik

Dabei handelt es sich um die erste Vertonung des Librettos von Metastasio, wobei im Gegensatz zu späteren Bearbeitungen das tragische Ende beibehalten wird und nicht durch ein für die Opera seria typisches lieto fine ersetzt wird. Die Geschichte spielt um 46 v. Chr. am Ende des römischen Bürgerkriegs, als sich Caesars (Cesare) Widersacher Cato (Catone) nach Utica in Afrika zurückgezogen hat und von dort aus weiterhin versucht, sein Ideal einer römischen Republik zu verteidigen, als deren ärgsten Feind er Cesare betrachtet. Einen Verbündeten sucht er in dem numidischen König Arbace, dem er dazu auch die Hand seiner Tochter Marzia verspricht. Doch Marzia ist heimlich in Cesare verliebt. Da Cesare ihre Gefühle erwidert, setzt er alles daran, mit Catone zu einer friedlichen Übereinkunft zu gelangen. Doch bereits ihr erstes Treffen wird von Pompeius' Witwe Emilia gestört, die einerseits Cesare für den Mord an ihrem Gatten verantwortlich macht, andererseits Cesares General Fulvio zu manipulieren versucht, da dieser in sie verliebt ist. Da Catone jegliche Friedensangebote ausschlägt und auch noch seine Tochter verstößt, als er ihre Gefühle für Cesare erkennt, kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Emilia bereitet einen Hinterhalt vor, um Cesare zu ermorden. Als dieser misslingt und Utica von Cesare eingenommen wird, begeht Catone Selbstmord. Sterbend verlangt er von seiner Tochter, Cesare ewigen Hass zu schwören und Arbace zu heiraten. Als Marzia Cesare dann zurückweist, verflucht dieser seinen verhängnisvollen Sieg.

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Marzia (Ray Chenez) bittet Arbace (Max Emanuel Cencic) um Geduld.

Anders als die szenische Umsetzung des Artaserse vor zwei Jahren setzt die Inszenierung von Jakob Peters-Messer zwar nicht auf barocke Opulenz, fasziniert aber dennoch durch aufwändige Kostüme von Markus Meyer und großartige Videoprojektionen von Etienne Guiol, der mit Bildern von Giovanni Battista Piranesi eine antike Ruinenwelt wiederauferstehen lässt. Da stört es auch nicht weiter, dass beispielsweise mit dem Kolosseum ein Monument gezeigt wird, das weder nach Utica gehört noch im ersten vorchristlichen Jahrhundert bestand beziehungsweise in der Planung war. Die Vergänglichkeit des von Catone umkämpften republikanischen Ideals wird dabei durch das allmähliche Verblassen dieser Projektionen während der einzelnen Arien deutlich gemacht. Meyer setzt in den Kostümen beeindruckende farbliche Akzente. Während Catones schwarzes Kostüm mit den dünnen weißen Streifen äußerst streng wirkt und die Geradlinigkeit dieses Verfechters der alten Republik unterstützt, protzt Cesares Kostüm von goldenem Glanz und zeigt, dass mit ihm ein Herrscher einer ganz anderen Art die Macht übernehmen wird. Wunderbar aufwändig gestaltet ist auch Emilias Kleid, die mit ihren zahlreichen schwarzen Federn um den Kopf eine glaubhafte Intrigantin abgibt. Unklar bleibt lediglich, wieso Arbace in einem weißen Gewand mit bunten Federn auf der Schulter zu Beginn von einem Papagei begleitet wird. Lassen sich der Geier, der am Anfang des Stückes über Catone "kreist", und die diversen Tierskelette, die entweder auf die Rückwand projiziert werden oder in Form eines Fisches über die Bühne gezogen werden, als Todesboten für die untergehende Republik deuten, bleibt der tiefere Sinn des Papageis genau so verborgen wie die Antwort auf die Frage, wieso größtenteils nur die Arien übertitelt worden sind.

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Marzia (Ray Chenez) liebt Cesare (Franco Fagioli).

Musikalisch entfachen die Solisten ein Feuerwerk, das mit dafür verantwortlich sein dürfte, dass der Abend fast bis Mitternacht dauert, allen voran die vier hervorragenden Countertenöre. Vince Yi schlüpft nicht nur optisch absolut glaubhaft in die Rolle der Emilia und überzeugt als Intrigantin mit großartiger Mimik und Gestik, sondern begeistert auch mit strahlenden Höhen, die durchaus vergessen lassen können, dass hier ein Mann auf der Bühne steht. Großartig changiert er zwischen verführerisch weichen Höhen, wenn Emilia beispielsweise in ihrer ersten großen Arie "O nel sen di qualche stella" versucht, Cesares General zu verführen, und furiosen Wutausbrüchen, wenn Emilia Rache für den Tod ihres Gatten einfordert. Ray Chenez verfügt als Catones Tochter Marzia ebenfalls über strahlende Höhen, auch wenn er optisch nicht ganz so glaubhaft als Frau durchgeht, zumal er mit der hohen Perücke alle anderen Protagonisten überragt. Max Emanuel Cencic gibt dem numidischen König Arbace mit samtig dunklen Tönen einen sehr virilen Klang. Ein musikalischer Höhepunkt dürfte seine Arie "E' in ogni core diverso amore" im ersten Akt sein, wenn er sich von Marzia auf einen späteren Zeitpunkt für die Hochzeit vertrösten lässt. Mit hervorragender Leichtigkeit bewegt sich Cencic dabei durch die Koloraturen. Gleiches gilt für seine Arie im zweiten Akt, "So, que pieta non hai", wenn er herausgefunden hat, dass Marzia Cesare liebt.

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Catone (Juan Sancho, Mitte) verflucht seine Tochter Marzia (Ray Chenez, unten). Arbace (Max Emanuel Cencic, oben) und Emilia (Vince Yi, rechts) verhindern das Schlimmste.

Was Franco Fagioli als Cesare leistet, ist kaum in Worte zu fassen. Mit unglaublicher Technik wechselt er das Register und gelangt so aus schwindelerregenden Höhen mit scheinbarer Leichtigkeit in voluminöse Tiefen und macht deutlich, dass er nicht nur darstellerisch die Partie des "Kaisers" an diesem Abend übernommen hat. Wenn er mit regelrechter Vokalakrobatik im zweiten Akt die Gleichnisarie "Soffre talor del vento" vom schwankenden Schiff auf hoher See präsentiert, entfacht das beim Publikum Begeisterungsstürme. Doch Fagioli kann noch mehr. Nachdem Cesares Friedensangebot abgelehnt worden ist, gibt es nach der großen Arie "Se in campo armato", in der Cesare Catone den Krieg erklärt, beim Publikum kein Halten mehr. Lautstark fordert es eine Wiederholung dieser großartigen Nummer. Dazu lässt sich Fagioli zwar nicht hinreißen, aber immerhin tritt er erneut auf, um sich dem Publikumsapplaus zu stellen, bevor die Vorstellung weitergehen kann. Bei einer derartig brillanten Countertenor-Riege haben es die Tenöre direkt schwer mitzuhalten. Dennoch überzeugt Martin Mitterrutzner als Fulvio mit einer lyrischen Mittellage und sauberen Spitzentönen. Juan Sancho wirkt in der Titelpartie an diesem Abend nicht ganz so glücklich. Zwar beweist er in den Läufen eine enorme Beweglichkeit und lässt auch im tieferen Bereich einigen Glanz verströmen. Die Höhen klingen allerdings bisweilen sehr angestrengt, so dass seine musikalisch großartigen Arien nicht die gleichen Begeisterungsstürme entfachen können wie beispielsweise Fagioli.

Das Orchester Il Pomo d'oro erweist sich unter der musikalischen Leitung von Riccardo Minasi als hervorragender Spezialist für barocken Klang und rundet den Abend musikalisch auf hohem Niveau ab, so dass es am Ende frenetischen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Diese großartige Aufführung ist im Juni 2015 noch dreimal in Versailles zu erleben (Termine: 16., 19. und 21. Mai 2015) und wird in der neuen Spielzeit in Bukarest (6. September 2015) und im Theater an der Wien (24. September 2015) wieder aufgenommen. Des Weiteren sei auf die CD-Einspielung hingewiesen, die seit dem 18. Mai 2015 bei Decca erhältlich ist.

Zur Übersicht zu den Internationalen Maifestspielen 2015

Produktionsteam

Musikalische Leitung und erste Geige
Riccardo Minasi

Regie
Jakob Peters-Messer

Bühnenbildidee und Kostüme
Markus Meyer

Licht
David Debrinay

Video
Etienne Guiol

 

Il Pomo d'oro

 

Solisten

Cesare
Franco Fagioli

Catone
Juan Sancho

Arbace
Max Emanuel Cencic

Marzia
Ray Chenez

Fulvio
Martin Mitterrutzner

Emilia
Vince Yi

Statisten
Athanasios Brianas
Apostolos Koutsianikoulis
Michaelis Panagopoulos
Konstantinos Passas
Konstantinos Tsalis
Athanasios Zeritis

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Staatstheater Wiesbaden
(Homepage)



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