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Lasst uns mal ins Museum gehenVon Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre
Als die Sanierung der Kölner Oper begann und der Theaterbetrieb auf andere Spielstätten ausweichen musste, da machte der seinerzeitige Intendant Uwe- Eric Laufenberg aus der Not eine Tugend und an ungewohnten Orten höchst spannendes Theater: Monterverdis Krönung der Poppea wurde zum Machtspiel im ehemaligen Quartier des Gerling-Versicherungskonzerns, Mozarts Titus zur Attentatsoper im Oberlandesgericht und Stockhausens Sonntag aus Licht zum multimedialen Großereignis im Staatenhaus auf der Deutzer Messe. Inzwischen ist nach Laufenbergs Abgang im Streit unter seiner Nachfolgerin Birgit Meyer längst Routine eingekehrt, man spielt pragmatisch im funktionierenden, aber ziemlich scheußlichen Musical-Zelt am Dom und wartet auf die Eröffnung des generalüberholten Hauses am Offenbachplatz im kommenden November. Derweil pflegt man das einst prägende Motto „Oper in Bewegung“ vereinzelt mit kleineren Produktionen an ungewohnten Orten, wie jetzt im von Stararchitekt Peter Zumthor gebauten und 2007 eröffneten Museum Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. Tagebuch eines Verschollenen: Dieser Herr träumt bei der Arbeit von einer Zigeunerin
Auf dem Programm steht zunächst der Liederzyklus Tagebuch eines Verschollenen. Die volksliedhaften Gedichte erschienen 1916 anonym in einer Brünner Zeitung und erzählen scheinbar autobiographisch die Geschichte eines „Verschollenen“ (erst seit den 1990er-Jahren wird der Dichter Ozef Kalda als Verfasser gehandelt). In Ich-Form berichtet der Bauernsohn Jan von seiner Leidenschaft für eine Zigeunerin, der er folgt und dafür seine Existenz aufgibt. Leos Jaňacek hat die Gedichte im Wesentlichen für Tenor und Klavier vertont, lässt aber auch die Zigeunerin Seffka (kurz) selbst singen und auch noch vereinzelt drei zusätzliche Frauenstimmen. In dieser szenischen Interpretation ist Jan kein Bauer, sondern offenbar Restaurator in den Ruinen der im 2. Weltkrieg zerstörten spätgotischen Kirche St. Kolumba, die Zumthor raffiniert überbaut hat. Stehend schaut das Publikum zu, wie dieser Jan wenig sorgsam Steine beschriftet und offenbar die Geliebte imaginiert – jedenfalls erscheint in einem verhängten Verschlag die Silhouette einer Frauengestalt. Irgendwann, o Schreck, kommt diese Frau tatsächlich hinter dem Vorhang hervor, und Ausstatterin Nele Ellegiers hat mächtig in die Kitschkiste gegriffen und die Kolumbianerin Adriana Bastidas Gamboa (stimmlich nicht unangestrengt) mit langen geflochtenen Zöpfen in ein folkloristisches Zigeunerkostüm gezwängt. Turtelnd ziehen die beiden sich hinter den Vorhang zurück, der am Ende des Stückes dramatisch, aber nicht unbedingt sinnhaft fällt. John Heuzenröders leichter Tenor klingt opern- oder besser operettenhaft, hat ein paar schön auftrumpfende Töne und am Ende Probleme in der Höhe, und den Charakter der Lieder trifft er nicht allzu gut, vielleicht auch deshalb, weil die Akustik problematisch und der Abstand zum versierten Pianisten Rainer Mühlbach groß ist. Auch die Textverständlichkeit lässt Wünsche offen. Und warum nun siedelt man dieses Stück an diesem Ort an? Vermutlich einfach nur, weil man schon immer mal hier spielen wollte. Zwingendere Gründe lassen sich nicht ausmachen. Tagebuch eines Verschollenen: Gelegentlich werden Träume wahr - und so erscheint die Zigeunerin tatsächlich.
Für die belanglose Regie verantwortlich ist Béatrice Lachaussée, die in der vorigen Spielzeit für ihre (ebenfalls ziemlich banale) Inszenierung von Lenz in der Trinitatiskirche den Götz-Friedrich-Studio-Preis zugesprochen bekam. Eine eigene Interpretation lässt sich nicht ausmachen, auch nicht im zweiten Teil des Abends in Gustav Holsts Kammeroper Sāvitrī. Aber dafür muss man erst einmal einem Geiger folgen, der sehr schön eine kleine (nicht unwichtige) Melodie aus der Oper spielt und das Publikum durch das Museum führt, zwei Etagen hinauf bis in Raum 13, wo die Ton-Raum-Komposition Serpentinata von Bernhard Leitner steht – ein sich windender PVC-Schlauch mit etlichen Lautsprechern. Die sind zwar abgeschaltet, aber von dieser Rauminstallation geht schon eine gewisse Faszination aus, und da ist es nicht unpassend, dass die Regisseurin auch hier nicht viel mehr tut, als die Handlung anzudeuten. Sāvitrī trauert um ihren toten Gatten Satjavān.
Sāvitrī basiert auf dem hinduistischen Epos Mahabharata (400 v. Chr.) und ist eine indische Variante des Orpheus-Mythos: Sāvitrī kann den Tod persönlich überzeugen, von ihrem Gatten Satjavān abzulassen. Hier darf Adriana Bastidas Gamboa ein schlichtes indisches Gewand tragen, was ihr deutlich besser steht als der Zigeunerunsinn zuvor. Gatte Savatyan im asiatisch anmutenden weißen Anzug und noch viel mehr der Tod mit schwarzem Brustpanzer erscheinen wie Kunstfiguren, könnten der Ausstellung entsprungen sein, und das schafft immerhin eine Verbindung zwischen Oper und Aufführungsort. Die Schlichtheit der Regie gibt dem Raum und der darin präsentierten Kunst den Vorrang, nicht der schlechteste Ansatz. Und während zuvor Jaňaceks fein gearbeitete, auf kleinste Nuancierungen setzende Musik sich zwischen angedeutetem Spiel und gotisch-modernem Ambiente verlor, kann Holsts klangsinnliche Komposition sich in diesem Umfeld gut behaupten. Glückliches Ende: Sāvitrī und der wiedererstandene Satjavān gehen in Richtung Kunst ab.
Akustisch bleibt es auch hier schwierig, wenn auch anders als zuvor. Durch den unverhüllten Beton entstehen extrem lange Nachhallzeiten und die Stimmen werden nicht nur getragen, sondern geradezu verstärkt. Der nicht uninteressante Mezzo von Adriana Bastidas Gamboa (Sāvitrī) leuchtet hier auf, der Bass von Luke Stoker (Tod) bekommt Fülle und Wucht, bemerkenswert ist aber vor allem der klangschöne und bewegliche Tenor von Taejung Sun (Satjavān), der noch dazu sehr differenziert gestaltet ist. Nur ist das oft des Guten und Lauten zu viel, die Klangfülle schlägt immer wieder um in allzu dröhnendes Fortissimo, das keine Details mehr erkennen lässt. Bewundernswert, wie das Kammerorchester unter der Leitung von Rainer Mühlbach sehr zurückhaltend, trotzdem intensiv begleitet.
Ein zweispältiger Ausflug der Oper ins Museum: Für Holsts Oper Sāvitrī ist Kolumba zumindest szenisch ein interessanter Spielort, wenn auch akustisch problematisch. Jaňaceks Tagebuch eines Verschollenen, von der Regie völlig verschenkt, wäre mit einer konzentrierten Aufführung im Konzertsaal sicher besser gedient. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Ausstattung
Licht
Dramaturgie
SolistenTagebuch eines Verschollenen
Tenor
Mezzosopran
Drei Frauenstimmen
Klavier
Sāvitrī
Satjavān
Sāvitrī
Tod
Stimmen
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