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Musiktheater
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Nahod Simon (Simon das Findelkind)

Fantastische Oper in 10 Bildern (UA)
Libretto von Borislav
Čičovački nach dem serbischen Volksgedicht Nahod Simeun
und dem Roman Der Erwählte von Thomas Mann

Musik von
Isidora Žebeljan

in serbischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 20' (eine Pause)

Premier im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 29. Mai 2015
(rezensierte Aufführung: 12.06.2015)

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Stationen eines "Erwählten"

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Als 2008 im Rahmen des Musiktheaterprojektes Eichbaumoper an der Haltestelle "Eichbaum" in Mülheim die serbische Komponistin Isidora
Žebeljan eine gut 15-minütige Miniatur unter dem Titel Simon der Erwählte über den jungen Russen Simon, der in Deutschland sein Glück sucht, präsentierte (siehe auch unsere Rezension), stand für den Intendanten Michael Schulz fest, dass aus diesem kurzen Stück eine abendfüllende Uraufführung werden sollte. Žebeljan konnte auch schnell für dieses Projekt gewonnen werden. Dennoch sollte es gut sieben Jahre dauern, bis diese Uraufführung nun im Musiktheater im Revier zu erleben war. Geplant war das Stück eigentlich schon für die letzte Spielzeit, musste allerdings, wie es bei Auftragswerken schon einmal üblich ist, doch in diese Spielzeit verschoben werden. Ob sich der ganze Aufwand nun gelohnt hat, lässt sich sicherlich konträr diskutieren. Während man überregional damit auf das Haus aufmerksam macht - so ist die Ankündigung dieser Uraufführung dem Opernglas gleich eine ganze Seite wert -, reagiert das Gelsenkirchener Publikum doch eher mit höflichem Applaus. Bereits bei der dritten Aufführung an einem sonnigen Freitag bleiben einige Plätze frei, und nach der Pause haben sich die Reihen noch weiter gelichtet.

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Simon (Piotr Prochera) und die Frau des Automechanikers (Marie-Helen Joël) (vorne rechts: der Hund (E. Mark Murphy), rechts: die Banda)

Erzählt wird eine Geschichte, die in Serbien ungefähr den gleichen Bekanntheitsgrad haben soll wie in Deutschland Goethes Faust und die wie ein buntes Sammelsurium aus griechischer Mythologie und christlicher Erlösungslehre wirkt. Die junge Anna hat mit ihrem Bruder ein Kind gezeugt, das sie in einem Fluss aussetzt. Am Flussufer finden Mönche den Säugling mit einem Brief der Mutter und ziehen ihn unter dem Namen Simon auf. Bereits als Kind wird Simon von den anderen Kindern des Dorfes ausgegrenzt und als Bastard beschimpft. Als er herangewachsen ist und der Abt ihm den Brief der Mutter übergibt, beschließt Simon, sich auf eine Reise zu machen, ohne genau zu wissen, wo er eigentlich hin will. Doch an allen Stationen seines Lebens erntet er nur Ablehnung und muss weiter wandern. Immer wieder trifft er auf dem Weg auf einen Reisenden, der auf der Suche nach einer jungen Frau ist. Als eine Bäckereibesitzerin Simon eine Unterkunft bei einer alleinstehenden Frau vermittelt, landet Simon bei seiner Mutter Anna. Die beiden erkennen sich nicht, fühlen sich allerdings zueinander hingezogen und werden ein Liebespaar. Als Anna aber eines Tages den von ihr geschriebenen Brief bei Simon findet, kommt es zur Trennung. Simon zieht sich in eine Grube in die Berge zurück und verschwindet für viele Jahre. Eines Tages kommt der unbekannte Reisende als schwer kranker Mann zu der Grube und erkennt ihn Simon seinen Sohn. Simon heilt den Vater und steigt zum Himmel auf.

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Simon (Piotr Prochera, Mitte) wird von den Arbeitern (Michael Dahmen, links, E. Mark Murphy, rechts) des Diebstahls beschuldigt (im Hintergrund: Chor).

Auch wenn das Werk selbst als "Fantastische Oper in 10 Bildern" bezeichnet wird, umfassen die zahlreichen Szenenwechsel weit mehr als nur 10 Bilder, so dass das Regie-Team um Michiel Dijkema die Stationen, die Simon durchläuft, in einer Art "Road-Oper" in kurzen Sequenzen auf die Bühne bringt, die teilweise nur wie kurze Blitzlichter erscheinen, bevor die Bühne wieder verdunkelt wird. Den 15 Bühnenarbeitern und Statisten wird, was den Umbau der Bühne betrifft, dabei einiges abverlangt. Immer wenn das Licht verlischt, muss hinter dem Gaze-Vorhang das Bühnenbild komplett umgebaut werden, was vor allem zum Ende des Abends nicht immer so ganz lautlos vonstatten geht. Auch wenn man bemüht ist, ähnliche Schnitte wie in einem Film hinzubekommen, stößt das Theater hierbei doch an seine Grenzen und man fragt sich, ob hier weniger nicht doch mehr gewesen wäre. Dabei schafft Dijkema, der als Regisseur auch für das Bühnenbild mitverantwortlich zeichnet, durchaus beeindruckende Räume. Allein das Auto mit den drei Söhnen der alten Frau, das scheinbar in der Luft schwebt und über eine angedeutete Straße brettert, kann beeindrucken. Großartig ist auch, wie die Krankenschwester als grüner Vogel zum Krankenbett des unbekannten Reisenden aus dem Schnürboden herabfliegt und auf seinem Bett landet, bevor sie mit ihm den Weg in die Berge zu Simon antritt.

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Anna (Gudrun Pelker) und Simon (Piotr Prochera) haben erkannt, dass sie Mutter und Sohn sind.

Die Kostüme von Jula Reindell sind ebenfalls sehr aufwendig gestaltet. Besonders interessant ist hierbei die Entwicklung des Simon, dessen feuerrote Haare, die wohl Ausdruck für seine Andersartigkeit sein sollen, im Verlauf des Abends immer länger werden, bis er mit seiner langen Mähne und seinem in braunen Erdtönen gehaltenen Gewand einer Erlöserfigur sehr nahe kommt. Die roten Haare sind auch Markenzeichen des unbekannten Reisenden und der Frau, die sich als seine Eltern entpuppen. Warum die Haare bei den Frauen, denen Simon auf seiner Wanderschaft begegnet, derart auftoupiert sind, bleibt fraglich. Vielleicht stehen sie als Zeichen für eine gekünstelte Gesellschaft, die ihre Natürlichkeit verloren hat. Dieser Ansatz lässt sich auch auf den Automechaniker, den Fabrikaufseher und die Bäcker übertragen, die allesamt als dekadente Charaktere mit dicken Bäuchen gezeichnet werden. Auch die drei Söhne der alten Frau entstammen mit ihren knallbunten Punkfrisuren einer Welt, die sich nicht durch bodenständige Natürlichkeit auszeichnet.

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Der unbekannte Reisende (Joachim G. Maaß, links) trifft in den Bergen auf seinen Sohn Simon (Piotr Prochera).

Woran liegt es also, dass der Funke so recht nicht überspringen will? Ist es die Musik von Žebeljan, die, wie sie selbst sagt, im Sinne der Geschichte komponiert sei? Selbst wenn man sie nicht mag, lässt sich nicht leugnen, dass sie lautmalerisch die unterschiedlichen Stationen Simons nachvollziehbar zeichnet. Auch das Ensemble überzeugt musikalisch und darstellerisch auf ganzer Linie. Piotr Prochera stattet die Titelpartie mit kräftigem Bariton aus und gibt den Simon darstellerisch absolut zurückhaltend. Gudrun Pelker begeistert als seine Mutter Anna und spielt ihre Verzweiflung, nachdem sie erkannt hat, dass sie ein Verhältnis mit dem eigenen Sohn hat, ergreifend aus. Gleiches gilt für Dimitra Kalaitzi-Tilikidou, die als junge Anna ihren Säugling schweren Herzens im Fluss aussetzt und später als Vogel an das Krankenbett von Simons Vater fliegt. Joachim G. Maaß überzeugt ebenfalls als Simons Vater mit intensivem Spiel und fundiertem Bass. Auch Valtteri Rauhalammi gelingt mit der Neuen Philharmonie Westfalen ein packender Klang aus dem Orchestergraben, der von einer Banda auf der Bühne, die der Geschichte optisch und musikalisch einen volkstümlichen Charakter verleiht, noch unterstützt wird. Vielleicht ist es wirklich die Geschichte, die irgendwie wenig nachvollziehbar bleibt. Warum der von allen geschmähte Simon zum Erlöser werden soll und dann am Ende in den Himmel auffährt, wird nicht klar. Die Verquickung einer Oedipus- und einer Christus-Figur wollen nicht so recht ins Bild unserer Kulturlandschaft passen und deswegen ist nicht zu vermuten, dass diese Uraufführung den Sprung ins Repertoire schaffen wird.

FAZIT

Auch eine gute Inszenierung und ein spielfreudiges Ensemble können eine schwache Geschichte nicht retten. Diese Uraufführung wird sicherlich schnell vergessen werden.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Valtteri Rauhalammi

Inszenierung und Bühne
Michiel Dijkema

Kostüme
Jula Reindell

Chor
Christian Jeub

Kinderchor
Zeljo Davutovic

Licht
Andreas Gutzmer

Dramaturgie
Anna Melcher
Juliane Schunke

 

Opern- und Extrachor
des MiR

Opern-Kinderchor der
Chorakademie Dortmund

Statisterie des MiR

Neue Philharmonie Westfalen

Banda
Klarinette, Saxophon, Dudelsack,
Volksflöten, Okarina
Bogdan Rankovi
č

Kontrabass, Okarina
Boban Stošič

Akkordeon
Aleksandar Stefanovič

Percussion
Aleksandar Radulovič

Obeo, Oboe sopile
Borislav Čičovački

Solisten

*rezensierte Aufführung

Simon
Piotr Prochera

Junge Anna / Vogel
Dimitra Kalaitzi-Tilikidou

Abt
Dong-Won Seo

1. Mönch
Georg Hansen

2. Mönch
Oliver Aigner

3. Mönch
Apostolos Kanaris

4. Mönch
Jerzy Kwika

Vorsänger der Mönche / Hund /
1. Arbeiter
E. Mark Murphy

Amme / Frau des Fischers
Anke Sieloff

Junger Simon
Jan Malewski

Sohn der Amme
Nils Hilberseimer

Frau des Automechanikers /
Bäckereibesitzerin
Almuth Herbst /
*Marie-Helen Joël

Automechaniker / 1. Bäcker
Jacoub Eisa

Ein unbekannter Reisender
Joachim G. Maaß

Ein altes Weib
Noriko Ogawa-Yatake

1. Sohn / 2. Bäcker
Philipp Werner

2. Sohn / 2. Arbeiter / Fischer
Michael Dahmen

3. Sohn
Christian Henneberg

Fabrikaufseher
William Saetre

Anna
Gudrun Pelker


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