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Oldenburgisches Staatstheater Triumph des Spießbürgerlichen

Horst Hollmann

Oldenburg - Der im Sport arbeitende Fernsehkommentator Heribert Fassbender kleidete Kritik gern in den Satz: „Da hätte man mehr draus machen können!“ Regisseur Rudolf Frey muss sich einer ähnlichen Frage stellen: Warum hat der junge Wiener aus der Oldenburger Neuinszenierung von „Le Nozze di Figaro/Die Hochzeit des Figaro“ im Großen Haus des Staatstheaters so wenig gemacht?

Kurz vorm Weltkrieg

Mozart füllt in dieser Opera buffa einen Kosmos aus mit hintersinnigem Geist, revolutionärem Grummeln, versteckter Erotik, offenem Triebleben, gesellschaftlichen Verwerfungen, verschlagenem Intrigenspiel, wirbelndem Witz. Das Staatsorchester unter Roger Epple spannt auch einen riesigen Bogen von den unruhig zerrenden Gestalten und den subversiven Verdunkelungen der so wirbelreichen Ouvertüre bis zum Zerstieben der rasenden Läufe im Finale. Doch diesem Konzept folgt die Regie nicht.

Frey erzählt die wirre Geschichte am Hof des Grafen Almaviva in Spanien fantasielos und espritfrei Eins zu Eins und kappt die Seitenäste. Verlagert hat er die Handlung in die Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in der nach seiner Aussage das System der festen Hierarchien „bereits am Verblassen ist”.

Dazu hat er auf der Drehbühne Räume, Treppen und Galerien entworfen (Bühne und Kostüme: Madeleine Boyd). Sie zeigen, wie statisch Bild- und Personenführung in Theatern vor Jahrzehnten einmal gewesen sein könnten.

Der beschürzte Chor der Bediensteten (sauber einstudiert von Thomas Bönisch) postiert sich wie nach einem uralten Regie-Leitfaden auf Treppen, drückt sich an Wände und steht bildfüllend herum. Müssten die Choristen noch Nummern ziehen, könnte man sich glatt auf einer Zulassungsstelle wähnen. Indes: Auch das Regieteam bekommt am Ende höflichen Beifall. Das Publikum weiß sich zu benehmen.

Die Sänger haben es schwer, in dieser Umgebung starke Charaktere nach den Vorgaben von Mozarts Vielschichtigkeit zu entwickeln. Daniel Moon gäbe statt des Grafen gut einen Buchhalter ab. Aber im Verlauf macht er mit wandlungsfähiger Stimme deutlich, dass viel Macht und Gemeinheit in einem biederen Typen stecken können.

Am Ende, im nächtlichen Garten, lösen sich die Hierarchien auf. Aber wieder triumphiert die Spießbürgerlichkeit, wenn alle in Unterwäsche herumgeistern: Die entstammt der Kollektion „Liebestöter“.

Gute Sänger

So muss es die Musik aus dem Graben heraus in Ordnung bringen. Federnd, griffig, spritzig, Akzente passgenau in den großen Rahmen setzend glänzt das Staatsorchester. Traversos, Naturhörner oder Tromben strahlen wohlige Wärme aus. Fantasievoll spinnen die Secco-Rezitative (Hammerklavier: Akiko Nozue) besondere Fäden aus. Leider sind sie dann gerade in der Gartenszene gekürzt.

Das Sängerensemble schlägt sich bei nicht sehr breiten Stimmkontrasten mit viel Balance höchst anerkennenswert. Alexandra Scherrmann (Susanna) und Tomasz Wija (Figaro) singen und gestalten packend lebendig. Manchmal könnten sie zwischen Rebellion und Ratlosigkeit etwas stärker definieren. Valda Wilson (Gräfin) erwärmt Herzen mit ihrem schönen Legato in der Mitte, das sie nach oben und unten noch anbinden könnte. Yulia Sokolik (Cherubino) hat den richtigen stimmlichen Reifegrad für diese Rolle. Peter Kellner (Bartolo) und Melanie Lang (Marcellina) singen ebenso vollmundig wie beweglich.

Es bleibt bei der Komplexität von Mozarts „Figaro“ hinter jeder Inszenierung ein großer Rest unerfüllter Utopie zurück. Da hat Oldenburg viel zu wenig gewagt.

Mozart olé? Mozart oje!

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