Die Avancen scheitern: Falstaff (Pietro Spagno) möchte Alice Ford (Barbara Dobrzanska) rumkriegen. Foto: Traubenberg
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Verdis Oper „Falstaff“ zum Ausklang der Spielzeit am Karlsruher Staatstheater

Karlsruhe. Ausgerechnet der große, in allen Theater-Sätteln gerechte Rossini war es, der, nachdem er sich selbst längst aus dem Opernbetrieb zurückgezogen hatte, 1847 verlauten ließ, von dem jungen Kollegen Verdi sei keine komische Oper zu erwarten. Ein schmerzlicher Schlag für den so Geschmähten, dessen bis dahin einziger einschlägiger Versuch mit „König für einen Tag“ 1840 als krachendes Fiasko endete.

Es war dieser wunde Punkt im Selbstbewusstsein des sonst so überaus erfolgreichen Komponisten, den der Librettist Arrigo Boito 1889 bei dem Versuch ansprach, den gealterten Verdi zu einem neuen Projekt zu animieren: dem „Falstaff“, wiederum nach Shakespeare. Das überzeugte Verdi, der diesen Stoff um die „lustigen Weiber von Windsor“ schon lange kannte und schätzte. Und so tauchte er die deftige Geschichte um den gefoppten Bonvivant Sir John Falstaff musikalisch in satte toskanische Farben, verlegte das Geschehen aus der Idylle von Windsor in den mediterranen Kosmos von Lebensfreude, augenzwinkerndem Witz und praller Sinnlichkeit.

Die Karlsruher Inszenierung des „Falstaff“, die jetzt zum Ausklang der Spielzeit großen Beifall des animierten Publikums fand, lässt sich von der „couleur italienne“, aus der Verdis lyrische Komödie seine ansteckende Wirkung bezieht, vorteilhaft inspirieren.

Regisseur Jacopo Spirei verlegt die Oper ins heutige Italien, wozu ihm Bühnenbildner Nikolaus Webern aus Falstaffs Schenke eine moderne Bar, aus dem bürgerlichen Heim der Fords einen kühl möblierten Salon und aus dem Park bei „Hernes Eiche“ einen kargen Friedhof macht. Entsprechend aufgedreht agieren auch die Figuren, vor allem der (italienische) Hauptdarsteller Pietro Spagnoli, der hier zu hinreißender Großform aufläuft.

Mit Witz und guter Laune

Generalmusikdirektor Justin Brown liefert dazu einen südlich inspirierten Soundtrack mit beherzt plapperndem Parlando, blühenden Kantilenen, knalligen Klangfarben und vitaler Energie. Dabei ist ihm die glänzend aufgelegte Badische Staatskapelle mit Witz und sprühender Laune ein fabelhaft eingestimmtes Instrument. So wachsen dem Abend selbst dort, wo die szenische Verfremdung irritierende Gegensätze zum Text provoziert, immer wieder überzeugende Impulse zu.

Sängerisch lebt dieser „Falstaff“ von der opulenten singdarstellerischen Leistung des Titelhelden: Spagnoli füllt die prall ausstaffierte Figur des liebenswürdigen Erzgauners, kläglichen Verführers, genasführten Hagestolzes und betrogenen Betrügers mit berstender Lebenskraft, und wenn sein Bariton auch nicht ganz seiner üppige Leibesfülle entspricht, entfalten seine polternden Ausbrüche, triumphierenden Höhenflüge und nachdenklichen Monologe doch eine nachhaltig beeindruckende Kraft. Sein lächerlich rasender Gegenspieler Ford findet in Seung-Gi Jung eine stimmlich prächtige Verkörperung. Barbara Dobrzanska bleibt der dankbaren Partie der Alice Ford, die den Avancen Falstaffs listig widersteht und nebenher noch eine Ehe stiftet, ein wenig an pfiffiger Durchtriebenheit und gewürzter Leichtigkeit schuldig.

Dagegen findet das Liebespaar Nannetta/Fenton in den schwärmerischen Duetten von Emily Hindrichs und Eleazar Rodriguez ebenso glaubwürdige Interpreten wie die clevere Mrs. Quickly bei der fulminant auftrumpfenden Dana Beth Miller, die kokette Mrs. Meg Page bei Stefanie Schaefer und der ältliche Freier Doktor Cajus bei Klaus Schneider. Rainer Wolff

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