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Gräfin (Anett Fritsch) und Graf (Luca Pisaroni) geraten aneinander, allerdings wird kein Schuss fallen: Die Regie bleibt schön brav und setzt vor allem auf die heitere Seite von Mozarts "Figaro".

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Margarita Gritskova (Cherubino), Martina Janková (Susanna).

Foto: Salzburger Festspiele/Ruth Walz

Salzburg – Figaro macht dann doch noch das Hosentürl zu, während Graf Almaviva sich und auch seiner Gattin, die er fast vergessen hat, ein Gläschen Sekt holt. Das kleine Fest, an dessen Rand die Gräfin frei von Feierlaune verharrt, kann also beginnen und darf im Haus für Mozart bis über das Werkende hinaus weitergehen. Regisseur Sven-Eric Bechtolf lässt Le nozze di Figaro im Applaus ausklingen, und es ist sichtbar: Die Ehe zwischen Graf und Gräfin wird wohl an der Oberfläche weiter funktionieren.

Bis zu diesem Zeitpunkt war die melancholische Gräfin, wohl infolge eines Reitunfalls leicht humpelnd, noch nicht frei von Hoffnung. Und auch der Graf, der zu Figaros Susanna, die er abschleppen will, wie ein blasierter Sadist war, umgarnt seine Gattin mit einem Anflug von Zärtlichkeit. Etwas übertrieben, ein bisschen heuchlerisch vielleicht. Aber ganz unecht ist des Grafen Empfindung nicht, die Ehe für ihn noch nicht reine Repräsentationshülle.

Da kocht zwar Aggression hoch, schnell ist das Jagdgewehr in Position gebracht. Und es wäre interessant, diese Beziehung unter dem Regiemikroskop zu betrachten. In einem Domizil allerdings, das ins England des frühen 20. Jahrhunderts führt und an Serien wie Downtown Abbey erinnert, muss alles letztlich die Kurve ins Heitere, Adrette nehmen. Bechtolf öffnet bisweilen zwar die Tür zum Inneren der Charaktere, er geht aber nicht durch sie durch. Das Heitere gewinnt somit, letztlich bleibt alles elegant auf erzählerischer Oberfläche, natürlich immer parfümiert mit Bechtolfs genauer Personenführung.

Immerhin bieten die räumlichen Verhältnisse (Bühne: Alex Eales) Möglichkeiten zum vertiefenden Voyeurismus: Auf zwei Ebenen sind bis zu fünf Zimmer sichtbar, inklusive Küche, Dachboden und schließlich Gewächshaus. Bechtolf kann somit Simultanhandlugen inszenieren, szenische Mehrstimmigkeit erzeugen und Figurenbefindlichkeiten und -absicht verdeutlichen.

Der Graf kann singen

Musikalisch können vor allem die Herren punkten: Luca Pisaroni ist ein darstellerisch präziser und stimmlich kultivierter Graf Almaviva; Adam Plachetka ein respektabler Figaro. Eher nur passabel die Damen: Margarita Gritskova (als quirliger Cherubino) hat intonatorische Anlaufschwierigkeiten. Anett Fritsch (als schwermütig-ernüchterte Gräfin) beschwert ihr tolles Timbre mit einer flatterhaften Art der Tongestaltung, die Zauber raubt. Und Martina Jankova (als umworbene Susanna) klingt verlässlich, jedoch ein bisschen klein im Volumen. Zum kurzweilig-konventionellen Flair der Produktion trugen auch Ann Murray (als Marcellina), Carlos Chausson (als Don Bartolo), Paul Schweinester (als Don Basilio), Franz Supper (als Don Curzio) und Christina Gansch (als Barbarina) bei.

Die Wiener Philharmoniker wiederum gaben sich klanglich strahlend und schlank, zudem markant in der Phrasierung. Dirigent Dan Ettinger (auch am Hammerklavier) sorgt für orchestrale Wachheit und eine muntere instrumentale Kommunikation mit der Bühne. Da war eine auch der Szene förderliche Spannung zugegen; Ettinger findet immer wieder Seitenaspekte und -stimmen, mit denen er Rufzeichen setzen kann.

So fand auch eine groteske Geschichte um die Salzburger-Mozartopern (der Intendanz Alexander Pereiras) ein versöhnliches Ende – mancher erinnert sich: Zuerst war Franz Welser-Möst für alle drei Da-Ponte-Opern vorgesehen. Er stieg jedoch nach Zwist mit Pereira aus, Christoph Eschenbach übernahm freundlicherweise. Er konnte jedoch bei Così und Giovanni nicht wirklich festspielwürdige Lesarten bieten. Nun sprang also der 44-jährigen Ettinger ein, und der Generalmusikdirektor Mannheims reüssierte. Applaus für ihn wie auch für alle anderen Künstler. Szenische Unterforderung wird aber natürlich auch selten ausgebuht. (Ljubiša Tošic, 29.7.2015)