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Dirigent Thomas Hengelbrock führte das Balthasar-Neumann-Ensemble in der Salzburger Felsenreitschule mit einer klugen Purcell-Deutung zum verdienten Erfolg.

Foto: EPA/Heimken

Salzburg – Wer ist die Zauberin? Warum will sie Dido um jeden Preis vernichten? Warum ist Dido, Gründerin und Königin von Karthago, gar so unsicher, misstrauisch, verzweifelt?

Dido and Aeneas, Henry Purcells Oper auf ein Libretto von Nahum Tate nach Vergils Aeneis, stand als "konzertante" Aufführung in der Felsenreitschule auf dem Festspiel-Programm.

Bedeutet "konzertant", dass kein Krempel auf der Bühne herumsteht? Jedenfalls haben noch wenige "große" Produktionen die überdimensionale Felsenreitschule so erfüllt wie diese kostbare Miniatur.

Thomas Hengelbrock am Pult des Balthasar-Neumann-Ensembles zeichnet für die gewohnt feinsinnig beredte musikalische Leitung, aber auch für "Konzept und Regie" verantwortlich. Eine Sprecherin wurde eingeführt, ein Alter Ego der Dido. Diese hat ja, wie Prinz Aeneas in Troja, einst in Tyrus Krieg und Kriegsgräuel erdulden müssen.

In dieser Lesart verarbeitet Dido nun Verlust und Verletzung, indem sie die eine Hälfte ihrer Persönlichkeit in den Dienst des Bösen, des lustvoll Boshaften stellt. Die Zauberin ist also eine nachtseitige Doppelgängerin der Dido: "Der Mensch ist böse, so sprachen noch alle Weisesten – mir zum Troste." Dieses Zitat stammt von Friedrich Nietzsche: Die Schauspielerin Johanna Wokalek, die in der Felsenreitschule als dunkle Dido und Zauberin beeindruckte, hat auch die Textfassung erstellt, frei nach Motiven aus einem Didone-Libretto (von Giovanni Francesco Busenello), Vergils Aeneis und Friedrich Nietzsches Gedicht Die Bösen liebend. Keine simple Verdoppelung, sondern die kluge Betonung eines Deutungsaspekts.

Die Mezzosopranistin Kate Lindsey gab die singende Persönlichkeitshälfte der Dido bis ins Pianissimo mit größter Intensität. Der Bariton Benedict Nelson war der ein wenig behäbig phrasierende Aeneas. Die Sopranistin Katja Stuber sang glasklar und wendig artikulierend die getreue Belinda. Ebenso souverän: Agnes Kovacs als Second Woman, Anne Bierwirth als First Witch, Marion Eckstein als Second Witch/Spirit und Hermann Oswald als betrunkener First Sailor (sogar ein winziges Rüpelspiel hat Platz in Purcells Opernminiatur).

Tanz um den Kessel

Über Balthasar-Neumann-Chor und -Solisten hat man ja schon oft gestaunt, aber ehrlich noch nie wegen ihres Tanzes. Aber das können sie auch noch – elegant bei Hofe, mystisch bis deftig um den (imaginären) Hexenkessel. Sogar als Hecke oder Hügelkamm machen sie in den Kostümen von Florence von Gerkan und in der Choreografie von Gail Skrela gute Figur. Dass sie eines der besten Vokalensembles der Welt sind – eh klar. Im Mai 2016 spielen Hengelbrock und Co diese mitreißende Produktion auch in Hamburg und Wiesbaden. (Heidemarie Klabacher, 19.8.2015)