Matter Saisonauftakt am Saarbrücker Theater mit einem glanzlosen „Don Giovanni“

Saarbrücken · Die Oper aller Opern nennt man „Don Giovanni“ auch: Zu einem sprühenden Libretto zeigt sie Mozarts Kunst in Vollendung. Intendantin Dagmar Schlingmann fiel zu diesem Meisterwerk aber nicht viel ein.

 Sieht aus wie Johnny Depp, wirkt nur nicht so verführerisch: James Bobby (vorn) als Don Giovanni. Foto: Björn Hickmann

Sieht aus wie Johnny Depp, wirkt nur nicht so verführerisch: James Bobby (vorn) als Don Giovanni. Foto: Björn Hickmann

Foto: Björn Hickmann

Rechnen wir mal fix nach: 640 in Italien, 231 in deutschen Landen, dazu 100 in Frankreich, 90 in der Türkei und sage und schreibe 1003 Frauen in Spanien hat er verführt. Angeblich. Kein Wunder, dass dieser Don Giovanni jetzt meist lendenlahm auf dem Sofa lümmelt. Bloß, was fanden die Damen einst an diesem - dem Anschein nach - schmierigen Westentaschen-Johnny-Depp?

Gut, Geschmäcker sind halt vielfältig. Aber bleiben wir mal beim Johnny-Vergleich, den uns Regisseurin Dagmar Schlingmann mit ihrer Inszenierung im Saarbrücker Theater quasi aufs Auge drückt. Dieses Hänschen hier ist jedenfalls kein stürmischer Pirat der Liebe mehr. Der hat längst abgeheuert, so wenig Feuer James Bobby ihm da in der Premiere mitgibt. Dass er ganz anders singen kann, das weiß man ja, aus der "Lucia" in der vorigen Spielzeit etwa. Ergo heißt das wohl: Er singt und spielt nun so, wie Regisseurin und Dirigent es gern hätten. Bloß so verhalten klingt das bestenfalls noch nach einem Gigolo a.D..

Überhaupt hinterlässt diese Regiearbeit der Intendantin vor allem eines: Fragen nämlich. Das-Kostüm-Allerlei (Inge Medert) und eine fast drei Stunden lang durchrotierende Drehbühne lassen an Zeit und Schauplatz zwischen Barock und heute, zwischen Sevilla und Braunschweig, quasi alles zu. Wollte Schlingmann so unnötigerweise die Zeitlosigkeit des Da-Ponte-Librettos betonen? Und warum müssen die Zuschauer immer wieder auf spiegelnden Wänden sich selbst betrachten? Wozu dieses abgeschmackte Spiegel-Vorhalten? Soll der Theatergänger vielleicht, Kierkegaards Reflexion über den "Don Giovanni" im Sinn, über die maßlose Genusssucht unserer Zeit nachsinnen? Wohl kaum, denn leider gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, auf was Schlingmann abzielt.

Eher verfestigt sich der Eindruck, dass ausgerechnet die Oper aller Opern sie nicht inspirierte. Selbst die "Don Giovanni"-Gefühlsachterbahn, dieses Kurven durch Begehren, Eifersucht und Rache, fährt hier ruckelnd. Schlingmann führt die Personen nicht zueinander. Und auch bei eigentlich Selbverständlichem hakt es. Beklagt etwa Elizabeth Wiles als Donna Anna voller Inbrunst den Tod ihres Vaters, des Komturs, singt sie, "seine Hand ist kalt" ("fredde ha le membra"), steht dabei aber noch einen Meter vom Gemeuchelten entfernt. Wie mag sie das wohl feststellen? Wer weiß, wie bildstark, wie kulinarisch auch Dagmar Schlingmann für das Staatstheater schon Oper in Szene setzte, will eigentlich nicht glauben, dass dieser "Don Giovanni" von ihr ist.

Immerhin: Viele im Ensemble singen nach Kräften gegen die Bühnenlustlosigkeit an. Hiroshi Matsui ist mit seinem schwarzen Bass ein Komtur von echter Würde und Tapani Plathan sogar ein grandioser Leporello. Singt er seine Registerarie mit funkelnder Ironie, blitzt endlich Mozart-Esprit auf. Auch Algirdas Drevinskas legt Leidenschaft in seinen Don Ottavio, doch man spürt auch Anstrengung; Markus Jausch wirkt da als Masetto deutlich souveräner. Letztlich aber sind es die Frauen, die an diesem Abend noch was retten: Elizabeth Wiles, dramatisch wie doch auch innig und klangschön, als Donna Anna. Auch Tereza Andrasi als Elvira überzeugt, und - hübsch keck - ist Herdis Anna Jonasdottir (Zerlina) im Bunde der starken Frauen die Dritte.

Aus dem Graben haben sie von Dirigent Nicholas Milton leider nicht immer die Unterstützung, die sie verdient hätten. Offenbar wollte der jede Zuckrigkeit bei der dunkelsten Oper des Salzburgers vermeiden, das verhindert aber auch weitgehend einen blühenden Mozart-Ton. Zudem wirkt bei Miltons Dirigat vieles glatt, die Finessen der Partitur, das musikalisch Kühne - etwa beim Auftritt des Steinernen Gastes - treten zu wenig hervor. Milton & Mozart: Nach diesem Abend jedenfalls noch keine Traumpaarung.

Weitere Aufführungen: 23. September; 1., 6. und 24. November. Karten gibt es unter Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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