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Die Frau ohne EigenschaftenVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Ein romantisches Seefahrermärchen sollte das nicht werden. Ab und zu wird ein Prospekt mit einem Seestück eingeblendet, zwei Segelschiffe im Sturm, aber das ist nicht mehr als eine ferne Reminiszenz an Seefahrerromantik. Der Seemannschor trägt quietschgelbe Gummistiefel, und überhaupt ist moderne Kleidung angesagt. Der Raum ist ein merkwürdig bunkerhafter Kasten, rückwärtig geöffnet, und es ist nicht ganz klar, ob die angedeutete Holztäfelung die Wandverkleidung des Zuschauerraums aufgreifen will. Wenn schon Märchen, dann wenigstens ein modernes, so scheint es. Norwegische Seefahrer vor gemaltem wildromantischem Seestück. Links Daland, rechts der Steuermann.
Regisseur Walter Schütze ist bisher als Ausstatter an kleinen oder mittleren Theatern tätig gewesen. Dieser Fliegende Holländer ist die erste Oper, bei der er zusätzlich auch für die Inszenierung verantwortlich ist - und die ist dann auch weitaus stärker vom Visuellen als vom Konzeptionellen geprägt. Schütze montiert eine Reihe von - letztendlich ziemlich konventionellen - Bildern, die man so ähnlich irgendwo schon mal gesehen hat. Schiffsmodelle, die von der Decke herab schweben, oder angedeutete Zeitlosigkeit in den Kostümen, ein gutbürgerlicher Erik als Gegenpol zum wilden Holländer, das bewegt sich im Rahmen dessen, was halt so in einem Fliegenden Holländer gezeigt wird. Durchaus wohltuend ist der Verzicht auf eine übergestülpte Deutung. Senta singt die Ballade vom fliegenden Holländer
Allerdings bleibt Schütze auch die Antwort schuldig auf die Frage, wer dieser geheimnisvolle Holländer eigentlich ist. Der dirigiert die anderen Personen mitunter wie Marionetten, seine Matrosen sind Gespenster. Natürlich steht er im Kontrast zur bürgerlichen Welt der Kaufleute, aber ausgerechnet Kapitän Daland, der, mehr Kaufmann als Vater, seine Tochter Senta so schnell verhökert an den reichen Fremden, hat mit langem staubgrauen Haar selbst gespenstische Züge. Und dieser Senta fehlt fast jede Charakterisierung - sie steht halt herum, eine trotz feuerrotem Haar eine ziemlich biedere Erscheinung. Eine Frau ohne Eigenschaften. Szenisch kann der Ausstatter-Regisseur dem Werk kaum Impulse geben. In der Ouvertüre und zum Erlösungsschluss leuchtet dramatisch das Wort "Liebe" auf. Ja, darum geht es, was allerdings eine ziemlich banale Erkenntnis ist. Aber es sieht ganz hübsch aus. Das Finale: Senta in Eriks Armen, der Holländer schaut skeptisch zu
So schlecht bekommt es der Oper aber gar nicht, dass die Regie so unentschlossen vor sich hin dümpelt, denn immerhin hat Schütze auf diese Art manchen Ballast beiseite geräumt - und überlässt der Musik das Feld. Mit dem prächtig klangvollen Chor und Extrachor, oft nahe an der Rampe postiert, lässt Dirigent Hendrik Vestmann es ordentlich knallen und kostet die klangliche Wucht dieser Choroper aus, und auch das Blech darf mächtig loslegen. Auf der anderen Seite nimmt der Dirigent die lyrischen Passagen oft extrem ruhig, wobei das Beethoven Orchester Bonn zuverlässig und zupackend spielt, aber im Hinblick auf einen homogenen Klang sicher kein Spitzenorchester ist. Dramatische Qualitäten hat das aber allemal, und Vestmann nimmt das Orchester immer wieder sängerfreundlich zurück und reagiert auch sehr flexibel auf kleine Wackler zwischen Orchester und Chor. Erlösung durch - Liebe!
Heldenbariton Mark Morouse ist kein allzu "schwarzer", aber doch markiger und standfester Holländer mit stimmlicher Autorität. Der Daland von Priit Volmer, mitunter mit ziemlich mulmiger Vokalfärbung, wird in der Höhe flach und einfarbig, ist aber ansonsten ein akzeptabler Widersacher. Über ein interessantes Timbre verfügt Anna Magdalena Hofmann in der Rolle der Senta, der leuchtende, nicht zu kleine Sopran hat eine ganz leicht dunkle Einfärbung. Nicht jeder Ton "sitzt", hier und da gerät die Intonation auch schon mal ins Schwanken, aber dann trumpft die Sängerin auch wieder groß auf. Paul McNamara muss sich als Erik ein wenig frei singen, gestaltet die undankbare Partie des langweiligen Besserwissers mit nicht zu hellem Tenor durchaus überzeugend. Christian Georg ist ein sympathischer, stimmlich beweglicher und präsenter Steuermann, Anjara J. Bartz eine Mary mit komödiantischen Zügen.
Musikalisch ist dieser Holländer eine spannende Angelegenheit. Die orientierungslose Regie steuert ein paar hübsche Bilder bei und stört ansonsten nicht weiter. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Ausstattung
Licht
Chor
Solisten* Besetzung der Premiere
Daland
Senta
Erik
Mary
Steuermann
Der Holländer
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