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In Pappgewittern

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Zumindest eine gute Sicht auf den Paradiesgarten hat der Hofstaat des persischen Königs Xerxes.
Zumindest eine gute Sicht auf den Paradiesgarten hat der Hofstaat des persischen Königs Xerxes. © Stephan Walzl

Oldenburg - Von Andreas Schnell. Der Tyrann liebt einen Baum. Würde er doch dabei bleiben! Aber er muss sich ja dann doch in Romilda vergucken, die wiederum Xerxes‘ Bruder Arsamene liebt, in den wiederum Atalanta verliebt ist, wie Romilda eine Tochter des Hauptmanns Ariodate. Während sich Amastre, Xerxes‘ Braut, nicht zu Unrecht übergangen fühlt.

Die Geschichte von Händels „Xerxes“ ist eine dieser verwechslungsreichen Liebesgeschichten, von denen es in der Opernliteratur nur so wimmelt. Und in denen am Ende Tote zu beklagen sind oder – je nachdem – ein Happy End die Liebenden nach ihren Wünschen zusammenführt. Georg Friedrich Händels Werk gehört in die zweite Kategorie, firmiert als „Opera seria“, also als ernste Oper, ist aber in weiten Teilen eher Komödie als Drama.

Zwar ist Xerxes, der König von Persien, durchaus ein jähzorniger Gewaltmensch, aber eben auch eine Figur, die feststellen muss, dass sich Liebe nicht herbeiregieren lässt. Und auch die übrigen Figuren sind keine strahlenden Helden des Eros, sondern, vor allem die Männer, Spielbälle ihrer Neigungen, die eifrig Pläne schmieden, durch die ihnen der Zufall immer wieder einen Strich macht.

„Xerxes“, zu Händels Lebzeiten ein Flop und danach lange von den Spielplänen verschwunden, wurde erst im 20. Jahrhundert neu entdeckt. Vielleicht, so vermutet Regisseur Jakob Peters-Messer im Programmheft, weil dieser Xerxes „eine überraschend moderne Figur“ ist. Ein Egozentriker mit Borderline-Tendenzen, mal himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt, sein eigenes Gefühlsleben rücksichtslos über das anderer Menschen stellend.

Peters-Messer arbeitet diese psychologischen Tendenzen in einer geradlinigen Inszenierung unaufdringlich heraus. Die verschiedenen Sphären sind in naiv anmutender Pappkulissen-Welt (Bühne und Kostüme: Markus Erik Meyer) verortet, ein Paradiesgarten steht für die Liebes-Idylle, das Kriegsgeschehen findet in einem Pappmaché-Meer und Pappgewittern statt, während ein Spiegelsaal die politische Sphäre von Xerxes‘ Hof markiert – ein düsterer Ort, an dem sonnenbebrillte Schergen stumm ihren Dienst versehen.

Dass Xerxes sein Liebeslied an eine Platane zwar inmitten paradiesischer Zustände singt, aber dabei in einem verspiegelten Würfel sitz, deutet schon die Grundanlagen seiner Figur an. Er mag ein Idealist der Urwüchsigkeit sein – aber er kommt nicht aus seiner tyrannischen Haut. Die Zeitgenossenschaft Xerxes‘ verleitet Peters-Messer allerdings, wie angedeutet nicht dazu, die Oper in unsere Gegenwart zu verlegen. Zwar wirken des Kaisers Militärs gelegentlich ganz heutig, aber das Gesamtbild in seinen starken optischen Setzungen behauptet eher gleichnishafte Zeitlosigkeit, das Ende setzt den Urzustand wieder in sein Recht, wenn auch leicht verquer: Xerxes entsteigt seiner nunmehr in Schräglage geratenen Spiegelwelt, in die Arme Amastres. Während die anderen Paare ihr Glück gefunden haben, scheint das kaiserliche Happy End nicht ganz zu sein. Der Märchenwald senkt sich schief hernieder, das Pärchen sitzt am Ende im Dunkeln.

Yulia Sokolik ist dabei ein grandioser „Xerxes“, stimmlich souverän strahlend, aber auch die Stimmungsschwankungen gekonnt ausspielend, zudem erschafft sie darstellerisch eine komplexe Figur mit sehr menschlichen Zügen. Ihr steht mit Leandro Marziotte ein ebenbürtiger Arsamene zur Seite, der seinen Countertenor geschmeidig durch die Koloraturen führt und mit tieftraurigen Arien glänzt. Auch Nina Bernsteiner, die die Romilda im Wechsel mit Valda Wilson singt, wusste zu überzeugen. Tomasz Wija als markiger Hauptmann Ariodate, Dana Marbach als durchtriebene Atalanta, Hagar Sharvit als Amastre und nicht zuletzt Aarne Pelkonen als tollpatschiger Elviro, Diener Arsamenes waren in den kleineren Rollen stets auf der Höhe des Geschehens. Jörg Halubek erweist sich nach seinem „Hercules“ in der letzten Spielzeit erneut als Barock-Experte. Das Premierenpublikum belohnte das Ensemble derweil während der Vorstellung immer wieder mit Szenenapplaus, am Ende war der Jubel entsprechend groß für einen Abend, der Auge wie Ohr eine Menge zu bieten hatte.

Weitere Vorstellungen: 14. Oktober, 4., 18. und 21. November, jeweils um 19.30 Uhr.

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