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Edle Dame, etwas grantig: Patricia Nessy (als Aldonza) und Robert Meyer (als Don Quixote) in "Der Mann von La Mancha".

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Wien – Tief unten im düsteren Gefängnis gehen Eingekerkerte ängstlich hinter Kisten in Deckung. Es wird eine Leiter heruntergelassen, die allerdings keinen Vertreter der Inquisition ankündigt. Es kommen – Erleichterung! – nur ein Dichter und sein Begleiter. Doch Miguel de Cervantes steht auch in diesem Gefangenenmilieu gleich einem Begrüßungsgericht gegenüber, das ihn skeptisch bedroht. Im Rahmen einer spontan anberaumten Verhandlung muss er sich denn auch verteidigen – widrigenfalls würde auch dem Manuskript des Opus magnum Don Quixote die Zerfledderung drohen.

So schlüpft der notgeplagte Dichter in Körper und Geist seines Buchhelden, des Ritters von der traurigen Gestalt. Und wiewohl alles rund um die Inszenierung von Olivier Tambosi karg und kahl bleibt (Ausstattung: Friedrich Despalmes), stellt sich Opulenz ein, eine der Emotionen. Es sind eben Komik und Tragik in diesem Musicalklassiker von Mitch Leigh (Musik) und Dale Wasserman (Libretto) im Übermaß vorhanden. Da reicht eine solide Erzählweise bei weitem, Charme zu generieren, der unmittelbarer als sonst wirken kann: Das unaufgeregt aufspielende Orchester unter Dirigent Lorenz C. Aichner gibt nämlich hinter den Darstellern sein Leichtfüßigstes.

Natürlich ist auch der von allen Lasten und Bürden der Vernunft befreite Träumer des unmöglichen Traums, dessen edle Seele die Umgebung veredelt, bei Volksoperndirektor Robert Meyer in versierten Händen. Ob er nun Windmühlen für Riesen hält oder Saufschenken für Schlösser: Meyers Ritter ist das aus dem Lächerlichen erwachsende Ideal eines Edelmanns, der auch im Untergang Würde bewahrt.

Die holde Dame

Auch das ungehobelte, vom Leben gepeinigte leichte Mädchen Aldonza (resolut: Patricia Nessy), in dem der Edle die holde Dulzinea, die Gebieterin seines Herzens, erblickt, erliegt der störrischen Weltsicht des Ritters. Der Weg dazu ist allerdings weit. Es sind somit gerade die Passagen des stillen Leids, die Dulzinea ihrem Verehrer demütigend beschert, von hoher Eindringlichkeit. Da kämpft der Fantast rührend um Contenance wie seine Sicht der Dinge; und passend dazu auch Meyer mit manch hohem Ton.

Schätzt ihn zunächst nur einer, sein Gehilfe (grandios: Boris Pfeifer), der sich als Sancho einen Theaterbauch zulegt, ist am Ende das gesamte Gefangenengericht voll der Sehnsucht, die von Don Quixote gebaute Wirklichkeit möge wahr sein. Also Freispruch! – und auch für die Produktion durch den Applaus. (Ljubisa Tosic, 19.10.2015)