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Musiktheater
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Die Bassariden

Musikdrama in einem Akt
Libretto von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman basierend auf der Tragödie Die Bakchen des Euripides
Musik von Hans Werner Henze


In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h (keine Pause)

Premiere am 23. Oktober 2015 am Nationaltheater Mannheim



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Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Der Blick in den Spiegel

Von Roberto Becker / Fotos von Hans Jörg Michel


Entstanden sind die Basseriden von Hans Werner Henze im Auftrag der Salzburger Festspiele. Dort ist das Werk 1966 das erste Mal über die Bühne gegangen. Da lag Henzes Flucht aus der Enge des restaurativen Nachkriegsdeutschlands nach Italien schon 13 Jahre zurück. Er hatte sich damit zugleich auch vom dort gepflegten Avantgarde-Anspruch einer dogmatischen Moderne befreit. Zu einer prägenden Figur der Neuen Musik wurde er fortan auch auf eigene Rechnung. Zumindest in den Augen seine Anhänger. Dabei hielt er stets am Bewusstsein des musikalischen Woher fest. So ist in seinen "Bassariden beispielsweise die Affinität zu Richard Strauss nicht zu überhören. Zumindest dann, wenn man so mit Leidenschaft und Präzision in die Musik eintaucht, wie es jetzt Rossen Gergov mit dem Orchester des Nationaltheaters Mannheim gelungen ist.

Foto kommt später

Solchen gleichsam durch die Schönberg-Brille gesehenen, geradezu spätromantischen Orchesterfuror wie hier hat Henze in seinen noch folgenden Opern nicht noch einmal entfesselt. So kann man in Mannheim über das Pathos und das opulente Schwelgen, aber ebenso über die unverhohlen verführerische Schönheit staunen, die sich Henze da Mitte der 1960er-Jahre getraut hat. Das ist die Aura des Strauss-Nachfahren. Auch seine Librettisten Wystan Hugh Auden und Chester Kallman bewegen sich mit ihrem Destillat aus den Bakchen des Euripides durchaus in den Gefilden, in denen Hugo von Hofmannsthal für seine Elektra unterwegs war.

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In den Bassariden kommt ein verführerischer Gott inkognito nach Theben und unterläuft mit wachsendem Erfolg das sittenstrenge Tugendregime, das der junge Herrscher Pentheus dort gerade errichten will. Eine Konstellation wie bei Szymanowskis Krol Roger. Doch dieser Dionysos hat eine dunkle Seite, weil ihn die Rache für erlittenes Unrecht umtreibt. Täuschung und Rausch führen denn auch in eine Katastrophe, bei der Pentheus von der eigenen Mutter bei einem dionysischen Ritual enthauptet wird, weil die ihn für einen jungen Löwen hält.

In den Bassariden kommt ein verführerischer Gott inkognito nach Theben und unterläuft mit wachsendem Erfolg das sittenstrenge Tugendregime, das der junge Herrscher Pentheus dort gerade errichten will. Eine Konstellation wie bei Szymanowskis Krol Roger. Doch dieser Dionysos hat eine dunkle Seite, weil ihn die Rache für erlittenes Unrecht umtreibt. Täuschung und Rausch führen denn auch in eine Katastrophe, bei der Pentheus von der eigenen Mutter bei einem dionysischen Ritual enthauptet wird, weil die ihn für einen jungen Löwen hält.

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Ein Regisseur muss sich bei der szenischen Umsetzung vor allem entscheiden, ob er die Bassariden als Diskurs der Selbsterforschung oder als mythischen Thriller inszeniert. In Mannheim gibt die zweistöckige Einheits-Bühne von Volker Thiele die Richtung vor. Schon die Ansammlung der Zeitgenossen von heute in einer biederen Stadtbibliothek, die die ganze Bühnenbreite einnimmt, favorisiert zu Beginn den Diskurs. Wobei man natürlich nicht umhin kommt, für die musikalisch groß auffahrende blutig eskalierenden Orgie eine szenische Entsprechung zu finden. Hier wird in der über der Bibliothek liegenden Etage in einer Art aufdämmernder Welt des Unbewussten als Videoprojektion eine allerdings recht harmlose Orgie eingespielt, die eher in der Andeutung bleibt. Auch das Erdbeben, mit dem Dionysos den Zweiflern seine Macht demonstriert, bleibt auf einen Einsturz der Bücherregale beschränkt. Als Metapher für die Erschütterung aller Gewissheiten ist das zwar schlüssig, als Theatercoup bleibt es eher maßvoll.

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Die Inszenierung legt den Fokus mehr auf die Begegnung von Pentheus und Dionysos, die auch im wörtlichen Sinne als Blick in den Spiegel beginnt und dann das personifizierte Zusammentreffen der nüchtern dunkel gekleideten Pentheus mit dem auf Entfesslung der Leidenschaften versessenen hell gekleideten Dionysos als ein Duell mit dem eigenen alter ego ausgetragen wird. Das funktioniert vor allem auch deshalb, weil sich die beiden Darsteller Karsten Mewes (als eindrucksvoll eloquenter Pentheus) und Roy Cornelius Smith (als strahlender Dionysos) an vokaler Überzeugungskraft nichts schuldig bleiben. Wie überhaupt die gesamte Besetzung dem gerade gemeinsam mit Frankfurt ergatterten Titel eines "Opernhauses des Jahres" alle Ehre macht. So ist Edna Prochnik die stets besorgte und hellsichtige Amme Beroe, Heike Wessels die unglückselige Mutter Agaue sowie Vera-Lotte Böcker ihre Schwester Autonoe. Ebenso überzeugend ist der stimmgewaltige Sebastian Pilgrim als Kadmos, Raphael Wittmer den blinden Seher Teiresias und Thomas Berau als Hauptmann der Wache. Das ist alles kraftvoll und gestaltungsintensiv, kann sich aber auch stets gegen das Orchester behaupten.

Am Ende schließt sich der Kreis wieder. Da kommen alle mit ihren Einkaufstüten von ihrem Ausflug in die Entfesslung des Unterbewussten, dem kollektiven vorübergehenden Austritt aus der bisherigen Ordnung, oder eben von der Orgie des Dionysos zurück und bemerken mit Entsetzen, wie blutig ihre Hände werden, wenn sie sie in die Einkaufstüten stecken. Für Agaue, die dort den Kopf ihres Sohnes vorfindet, bleibt nur der Weg in den Wahnsinn. Alle übrigen erstarren wieder in der gleichen Position wie im Anfangsbild, und Dionysos entzündet die Flamme auf dem Grab seiner Mutter Semele wieder.


FAZIT

In Mannheim ist eine musikalisch überragende und szenisch interessante Neuproduktion von Hans Werner Henzes Bassariden gelungen. Während sich Frank Hilbrichs Inszenierung mehr auf eine Art Selbstfindungsdiskurs konzentriert, entfaltet Rossen Gergov im Graben den leidenschaftlichen Furor der Musik Henzes.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rossen Gergov

Inszenierung
Frank Hilbrich

Bühne
Volker Thiele

Kostüme
Gabriele Rupprecht

Video
Sami Bill

Licht
Christian Wurmbach

Chor
Nils Schweckendiek

Dramaturgie
Elena Garcia-Fernandez



Statisterie des
Nationaltheaters Mannheim

Chor des
Nationaltheaters Mannheim

Orchester des
Nationaltheaters Mannheim


Solisten

Dionysos
Roy Cornelius Smith

Pentheus
Karsten Mewes

Kadmos
Sebastian Pilgrim

Teiresias
Raphael Wittmer

Hauptmann
Thomas Berau

Agaue
Heike Wessels

Autonoe
Vera-Lotte Böcker

Beroe
Edna Prochnik

Bacchanten
Sehun Jin
Peter Maruhn
Philipp Alexander Mehr
Daewoo Park



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



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