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Benvenuto Cellini

Opéra Comique in zwei Teilen
Libretto von Léon de Wailly und Auguste Barbier
Musik von Hector Berlioz


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Eine Produktion des Staatstheaters Nürnberg (2008)
Premiere der Neueinstudiereung im Opernhaus Bonn am 1. November 2015
(rezensierte Aufführung: 6. November 2015)


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Theater Bonn
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Benvenuto Superstar 2015

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Für die Romantik war der Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini (1500 - 1571) Prototyp des unangepassten, aufbegehrenden Künstlers. Nicht nur unbestrittenes Genie seiner Zeit mit Zugang zu den Machthabern seiner Epoche, auch mehrfacher Mörder und Verfasser einer den Kult um seine Person inszenierenden Autobiographie, wandelte die schillernde Figur Cellinis (der nach seinem Tod zunächst lange in Vergessenheit geriet) im 19. Jahrhundert und insbesondere für Hector Berlioz zur Gegenfigur zum bürgerlichen Kulturbetrieb. Noch dazu hat Cellinis wohl wichtigstes Kunstwerk, die Statue des Perseus mit dem abgeschlagenen Haupt der Medusa (die auf der Piazza della Signoria in Florenz steht), für Berlioz programmatischen Charakter, galt die Medusa doch als Sinnbild der Versteinerung und damit der künstlerischen Erstarrung. Im Libretto von Léon de Wailly und Auguste Barbier bildet der (technisch höchst komplizierte) Guss dieser Statue den dramatischen Höhepunkt im Finale. Die Librettisten lassen ihren Cellini, als das Metall auszugehen droht, alle zuvor entstandenen Kunstwerke einschmelzen, um das einzigartig Neue zu schaffen. Berlioz als selbsterklärter Revolutionär dürfte sich in dieser sehr frei historische Begebenheiten variierenden Oper als später Geistesverwandter Cellinis gesehen haben.

Szenenfoto

Viel Besuch im Schlafzimmer der blutjungen Teresa: Benvenuto Cellini ist offensichtlich willkommen, Fieramosca dagegen wird weniger Erfolg haben.

Die jetzt in Bonn gezeigte, sicher nicht durchweg gelungene Inszenierung von Laura Scozzi ist vom Staatstheater Nürnberg übernommen, wo sie 2008 ihre Premiere erlebte, und ein wenig rätselhaft ist schon, warum man sich in Bonn nicht an eine Neuproduktion wagt. Die Regisseurin spiegelt in ihrer Regie eine hedonistische, bis ins letzte sich selbst feiernde Gegenwartsgesellschaft. Der kiffende Cellini trägt sein Credo "Live fast an die young" auf dem T-Shirt, und anstatt der Perseus-Statue erschafft er sich selbst als Kunstwerk, auf einem Sockel postiert und von Bannern mit seinem Namenszug umgeben - nachdem er nicht die eigenen Werke, sondern allerlei Hauptwerke der Kunstgeschichte hat einschmelzen lassen. Aber die Regisseurin geht noch weiter, sie legt konsequent die gesamte Oper als gnadenloses Unterhaltungstheater an - mal als Boulevard-Farce, mal als Fernseh-Castingshow, mal als Revue, durchweg anstrengend schrill. An Einfällen mangelt es ihr wahrlich nicht, und man ahnt die Perfektion, die sich dabei vorgestellt hat, die aber leider in dieser Wiederaufnahme nur in Teilen erreicht wird. Da gibt es beispielsweise ein Trinklied der Gehilfen in Cellinis Werkstatt, das eine extrem genaue Choreographie verlangt - die aufgereihten Chorsänger führen punktgenau auf den Takt der Musik die Flasche zum Mund, knallen sie dann auf die lange Theke vor den Nebenmann, greifen zur nächsten Flasche und so weiter - eine gigantische Menschenmaschine. In der hier besprochenen Aufführung patzt aber immer mindestens einer der Choristen, führt die falsche Bewegung aus oder gerät aus dem Takt - und die Synchronität ist hin, was die Wirkung der Szene natürlich massiv beeinträchtigt. Auch die Tanzeinlagen sind oft ungenau. Die Neueinstudierung hätte da doch ein wenig mehr Sorgfalt erfordert.

Szenenfoto

Cellini for ever: Total revuemäßig gibt's den Bildhauer und Goldschmied mitunter im tanzenden Dutzend.

Das gilt eingeschränkt auch für die Personenregie. Mirko Roschkowski kann in der Titelpartie die Vorgaben der Inszenierung nur begrenzt einlösen, ist bei allem Engagement mitunter ziemlich behäbig (ohne dass dies Teil der Inszenierung würde) - das sieht mitunter danach aus, dass eine für eine andere Persönlichkeit gedachte Regie hier dem nur bedingt passenden Sänger übergestülpt wird. Musikalisch schlägt Roschkowski sich wacker, macht das Beste aus seinen stimmlichen Möglichkeiten, die aber eben doch die eines guten lyrischen Tenors sind zwar mit Durchschlagskraft, aber gänzlich ohne die maskuline Ausstrahlung eines jugendlichen Heldentenors. Er bleibt der Figur jegliche Dämonie wie auch erotische Ausstrahlung schuldig, und (nicht nur, aber doch maßgeblich) dadurch verliert die Oper ihr Zentrum. Roschkowski und noch mehr die Regie verkleinern Cellini zum Knallchargen, nicht weiter ernst zu nehmen, und dadurch geht eine ganze Dimension dieser überdreht komischen Oper verloren.

Szenenfoto

Der Papst zwischen Arbeitern und Hauptwerken der Kunstgeschichte

Roschkowski hat wie alle anderen damit zu kämpfen, dass alle komplentativen Nummern der Oper überflüssig sind - diesen Deppen nimmt man ein räsonieren über Liebe, Kunst und das Leben an sich nicht ab. An solchen Stellen passen weder Text noch Musik. So glänzt Anna Princeva als sehr junge Geliebte Cellinis dann, wenn sie mit hohem Körpereinsatz die pubertierende Teenagerin mit kurzem Rock und rosaroter Brille geben kann - "vernünftige" Gedanken traut man der mit Liebe zum Detail überzeichneten Karikatur nicht zu. In der Mittellage ist Anna Princeva mit jugendlich strahlendem, leicht flackerndem Timbre ideal für die Partie, in der Höhe ist die Intonation durch eine leichte Eintrübung der Stimme oft etwas mulmig. Eindrucksvoll ist Marta Wyk in der Hosenrolle von Cellinis Lehrling Ascanio, wie Teresa immer wieder in Disco-Rhythmen zappelnd. Rolf Broman gibt einen stimmlich schlank-leichtgewichtigen Pabst mit virtuos tuntiger Eleganz. Csaba Szegedi als Cellinis künstlerischer (und erotischer) Möchtegern-Rivale Fieramosca und Martin Tzonev als kleingeistiger päpstlicher Schatzmeister Balducchi, nebenbei auch Lauras Vater, sind vergleichsweise konventionell gezeichnet und beide sehr akzeptabel gesungen.

Szenenfoto

Das größte Kunstwerk ist geschaffen: Der Künstler selbst.

Bonns scheidender GMD Stefan Blunier verabschiedet sich mit dieser Produktion. An Furor bleibt er der aberwitzigen Partitur nichts schuldig, er lässt es ordentlich krachen (ohne die Sänger zuzudecken), zieht die Tempi gehörig an und zeichnet schöne Effekte. Ungenau bleiben oft die Nebenstimmen, und Berlioz' vertrackte Rhythmik bräuchte insgesamt mehr Präzision - auch vom ungemein klangprächtigen Chor (Einstudierung: Marco Medved).


FAZIT

Langweilig ist es keine Minute, aber Laura Scozzis überdrehte Regie wird dem faszinierenden Werk, musikalisch recht ordentlich gesungen und gespielt, nur teilweise gerecht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Blunier

Inszenierung und Choreographie
Laura Scozzi

Mitarbeit Choreographie
Olivier Sferlazza

Bühne
Barbara de Limburg

Kostüme
Jean Jaques Delmotte

Licht
Friedel Grass

Chor
Marco Medved


Chor des Theater Bonn

Petit Cœr

Statisterie des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Benvenuto Cellini
Mirko Roschkowski

Balducci
Martin Tzonev

Teresa
Anna Princeva

Fieramosca
Csaba Szegedi

Papst Clemens VII.
Rolf Broman

Pompeo
Johannes Mertens

Ascanio
Marta Wryk

Bernadino
Daniel Pannemayr

Francesco
Jon Runar Arason

Tänzerinnen und Tänzer
Sarah Verena Bockers
Sandra Huber
Shan-Li Peng
James Atkins
Nikos Konstantakis
Danilo Louzao Barquero
Tim Čečatka



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